Check24 hatte nicht einmal einen Rechtsanwalt zur Urteilsverkündung geschickt. Die Klatsche einer weiteren Niederlage vor Gericht wollte sich offenbar kein Vertreter des Vergleichsportals persönlich abholen. Die Zivilkammer des Münchner Landgerichts bestätigte nämlich die Klage des Bundesverbands deutscher Versicherungskaufleute (BVK) in vollem Umfang. Wird das Urteil rechtskräftig, darf Check24 Versicherungskunden nicht erneut mit hohen Sondervergütungen locken. Check24 kündigte an, nach Erhalt der Urteilsbegründung weitere Rechtsmittel prüfen zu wollen.
„Es ist aus Sicht des Verbrauchers sehr bedauerlich, dass ihm eine Aktion mit echtem Kundenvorteil zukünftig verwehrt wird“, kommentierte Check24-CEO Christoph Röttele das Urteil gegenüber der WirtschaftsWoche. „Check24 ging und geht es immer darum, Kundenloyalität zu honorieren. Wenn das so nicht mehr geht, finden wir andere Möglichkeiten, die Treue des Kunden zu belohnen.“ In der Praxis werde das Urteil für Check24 allerdings keine Bedeutung haben. „Die Jubiläumsaktion ist lange vorbei.“
Es war allerdings nicht das erste Mal, dass ein Gericht die Geschäftspraktiken des Unternehmens rügte. 20 Jahre nach seiner Gründung wird es eng für Deutschlands führendes Vergleichsportal. Auch weil noch im Februar eine weitere Gerichtsentscheidung ansteht. Dabei geht es die „Garantie“, Nutzern die günstigsten Angebote zu liefern. Bei Sparfüchsen mag es weiterhin hoch im Kurs stehen. Noch. Denn mit der zunehmenden Digitalisierung der Finanz- und Versicherungswelt schmilzt der technische Vorsprung von Vergleichsportalen, die Vertragsabschlüsse auf ihren Webseiten ermöglichen, Allianz & Co. bisher wie Zuliefer-Betriebe nutzen, von ihnen teure Prämien kassieren und Dank der Kundendaten weitere Produktvorschläge liefern können.
Inzwischen haben sich im Netz junge Fintechs und Insurtechs etabliert; mit dem chinesischen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen Ping An drängt ein Riese auf den deutschen Markt. Nicht zuletzt setzen auch die alt eingesessenen hiesigen Branchengrößen alles daran, verlorene Kontakte zu den Verbrauchern über eigene Portale zurückzuerobern.
Der Allianz-Konzern etwa baut sogar an einer umfassenden Finanzplattform namens Heymoney. Nachdem im vergangenen Herbst der Digitalversicherer Allianz Direct an den Start ging, soll die Plattform in diesem Jahr einen Rundum-Service in Finanzdingen bieten. Das Unternehmen gibt nur zögernd Informationen preis. Doch klar ist: Über eine App können Nutzer dann Konten führen, Versicherungen verwalten und sogar Strompreise vergleichen. Als Plus sollen sie individuelle Gutscheine erhalten und Rabatte in Geschäften.
Ein Frontalangriff auch auf Check24, den sich die Allianz dem Vernehmen nach eine zweistellige Millionensumme kosten lässt. Auf der dazu gehörigen Website heymoney.de können sich Interessierte bereits anmelden.
Kein Wunder, dass sich das Vergleichsportal und die „alte“ Versicherungswelt einen verbissenen Streit um Kunden liefern. Anlass der BVK-Klage waren so genannte Versicherungsjubiläumsdeals von Check24 im Jahr 2018. Damals wurde bei einem neuen Versicherungsabschluss die Auszahlung von bis zu zwölf Monatsprämien versprochen. Genau das aber untersagt der Gesetzgeber mit dem Sondervergütungsverbot. Dieses Rabattverbot soll verhindern, dass sich Bürger unnötige Policen aufschwatzen lassen. Weil die Erstattung durch die Check24-Konzernmutter stattfand und nicht durch eine der Versicherungstöchter, sahen die Macher des Vergleichsportals hier ein Schlupfloch. Check24 argumentierte zudem, dass die gewährten Jubiläumsdeals eine Belohnung für das Kundenkonto waren und für alle verkauften Produkte galten – nicht nur für Versicherungspolicen. Das geht so nicht, meint zumindest das Münchner Landgericht in erster Instanz.
„Ein 5:0-Sieg“, kommentierte der BVK-Vorsitzende Michael Heinz. Er sieht auch die Interessen der Verbraucher gewahrt. Ob Check24 damit vom Platz geht oder das Urteil anficht, war zunächst nicht zu erfahren. Bisher hatte das Unternehmen den Weg durch die Instanzen gern ausgereizt.
So hatte das Münchner Oberlandesgericht 2017 in zweiter Instanz - und ebenfalls auf Druck des BVK - festgestellt, dass Check24 nichts anderes sei als ein Makler. Denn wenngleich das Internet-Vergleichsportal von seinen Nutzern oft wie eine Art Verbraucherschützer wahrgenommen wird, strebt es als Privatunternehmen nach Gewinn und erhält von Versicherungsunternehmen die gleichen Provisionen wie Mitarbeiter einer Agentur, die im Zwiegespräch eine Police vertreiben.
„Es ist schon ungewöhnlich, dass ein Vertrieb es überhaupt zu einem Prozess über zwei Instanzen kommen lässt,“ meint Matthias Beenken, Professor für Versicherungswirtschaft an der Fachhochschule Dortmund. Das steigere zwar den Bekanntheitsgrad, aber nicht unbedingt die Reputation. Überdies seien die Gerichtsauflagen aus dem ersten Verfahren zunächst ignoriert worden – weshalb das Gericht ein Ordnungsgeld verhängt habe. Auch jetzt droht das Landgericht mit Ordnungsgeldern von bis zu 250.000 Euro – oder Ordnungshaft. „Auch bei diesem zweiten Verfahren provoziert Check24 Kläger und Gericht,“ findet Beenken. Statt das Verfahren abzuwarten, habe das Unternehmen im vergangenen November eine weitere Aktion lanciert, die eine gewisse Ähnlichkeit aufweise.
Dabei wurde Nutzern des Kfz-Versicherungsvergleichs Rabatte bei Hotelbuchungen versprochen. Zu Beginn dieses Jahres lockte Check24 dann unter anderem registrierte Kunden mit bis zu 400 Euro, wenn sie einen Ratenkredit oder eine Baufinanzierung über das Vergleichsportal anfragten und abschlossen. „Auf mich macht das den Eindruck, dass Check24 im Kampf um Marktanteile austesten will, wie weit man gehen kann“, so Beenken. Hier seien längst die Industrie- und Handelskammern gefordert. „Wiederholte systematische Rechtsverstöße können durchaus die gewerberechtliche Zuverlässigkeit eines Maklers in Frage stellen.“
Für den BVK gehe es derweil darum, glaubwürdig zu bleiben. „Es reicht nicht, in Sonntagsreden Wettbewerbsgerechtigkeit zu fordern, wenn man sie nicht notfalls mit allen Konsequenzen vor Gericht durchsetzt.“ Zumal der Maklerschwund anhält. Im Vermittlerregister der Industrie- und Handelskammern waren zum Stichtag 2. Januar 2020 noch 198.452 Personen beziehungsweise Unternehmen verzeichnet. Das waren rund 65.000 weniger als Anfang 2011. Prozentual gerechnet beläuft sich das Minus inzwischen auf fast ein Viertel.
Dabei könnten gute Vermittler durchaus eine Versorgungslücke schließen, die auch Vergleichsportale bisher offen halten. Nach einer Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die das Statistische Bundesamt 2018 ausführte, besaßen damals nämlich 17 Prozent der Haushalte keine Privathaftpflichtversicherung. Die Hausratversicherung fehlte demnach sogar in 24 Prozent der Haushalte. 59 Prozent hatten keine Unfall- und 74 Prozent keine Berufsunfähigkeitsversicherung. Auch die Versorgung mit Altersvorsorgeprodukten war mau.
Diese Chance bleibt viel zu oft liegen. Auch die neuen Insurtechs konzentrieren ihre Kräfte zumindest vorerst auf wenig komplexe Produkte wie Kfz-Versicherungen oder Haftpflichtpolicen. Ob die Allianz-Plattform Heymoney dies ändern wird, bleibt abzuwarten. Es ist wohl auch kein Zufall, dass Check24 eine eigene Banklizenz beantragt hat, um weitere Produkte anbieten zu können; nach eigenen Angaben zum Beispiel Kredite mit Negativzins, die der Markt bisher nicht bereitstellt.
In der Zwischenzeit geht der Streit um Marktanteile weiter. Auch vor der Justiz. In zwei Wochen schon, am 19. Februar, trifft sich der führende deutsche Kfz-Versicherer HUK Coburg einmal mehr mit Check24 in Köln vor Gericht und erwartet dort ebenfalls einen Schuldspruch. Die HUK ficht die „Nirgendwo-günstiger-Garantie“ des Vergleichsportals an und hat dafür nach eigener Ansicht gute Gründe. Denn das Versicherungsunternehmen aus Oberfranken verweigert sich einer Zusammenarbeit mit dem Vergleichsportal. Seine Produkte sind dort nicht gelistet, ein Preisvergleich ist nicht möglich. Wer weiß, ob sie nicht vorteilhafter wären?