Germania ist insolvent Das Ende des letzten fliegenden Mittelständlers

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Germania-Aus: Was zum Niedergang führte

Wie tief die Not wohl ist, zeigt sich daran, dass das Insolvenzverfahren ausgerechnet jetzt beginnt. Normalerweise geht es einer Fluglinie, die wie Germania vor allem im Ferienverkehr tätig ist, am Jahresanfang am besten. „Hat eine Linie dann kein Geld, ist das ein Alarmzeichen“, so der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Im Frühjahr gehen die hohen Vorauszahlungen der Reiseveranstalter und langfristig buchender Einzelreisenden ein. Gleichzeitig haben Ferienflieger relativ geringe Ausgaben, weil sie im Winter wenig fliegen.

Für Germania reichte das nicht. Laut dem Geschäftsbericht verlor die Gruppe in 2016 und 2017 zusammen 40 Millionen Euro – bei zuletzt 450 Millionen Euro Umsatz. 2018 soll ähnlich defizitär gewesen sein. Dazu war zumindest im Flugbetrieb am Jahresende das Eigenkapital negativ. Die Aussichten für dieses Jahr waren nicht gut. Gleichzeitig hatte Germania 25 Flugzeuge bestellt, für die in diesem und dem nächsten Jahr hohe Anzahlungen fällig sind.

Was am Ende den Gang zum Insolvenzantrag beschleunigt haben dürfte, waren die düsteren Aussichten im Fluggeschäft. Noch vor gut einem Jahr hatte Airline-Chef Karsten Balke die Pleite von Air Berlin für ein gewaltiges Ausbauprogramm nutzen wollen.

Doch nun ist klar: Germania hatte im Betrieb unterm Strich einen zu deutlichen Nachteil gegenüber den Marktführern wie Ryanair, Easyjet und Eurowings. Zwar profitierten die Berliner von ihrer schlanken Verwaltung und den Personalkosten „am unteren Ende der Skala“, wie es ein führender Gewerkschafter ausdrückt. Doch bereits bei den Flugzeugkosten war Germania wegen ihrer kleinen Flotte im Nachteil. Gleichzeitig fiel Germanias Ticketmarge geringer aus als bei den großen Wettbewerben. Die konnten dank ihres größeren Flugnetzes und der bekannteren Marke pro Flugschein deutlich mehr einnehmen.

Den Nachteil konnte Germania lange durch ihr Geschäftsmodell wettmachen. Die Linie bediente vor allem kleinere Flughäfen oder hatte selten angebotene Strecken wie in den Mittleren Osten im Programm. Dort zahlen Passagiere vergleichsweise höhere Preise als auf Rennstrecken wie nach Mallorca. „Da waren ein paar schlaue Routen dabei“, urteilt Luftfahrtexperte Großbongardt. Dazu setzte Germania auf Flüge für Reiseveranstalter und startete abseits der Ballungsräume wie Düsseldorf auch aus Orten wie Erfurt, Dresden oder Bremen. Doch das erwies sich als zu wenig.
Das Pannenjahr 2018 beschleunigte den Niedergang. Wegen der vielen Streiks bei Lotsen und Bodenpersonal fielen extrem viele Flüge aus. Germania musste mehr Entschädigungen an sitzengelassene Passagiere zahlen, als sie sich leisten konnte. Zudem stieg zwischenzeitlich der Spritpreis. Das traf die Linie härter als andere. Germania hatte nicht zuletzt aus Geldmangel darauf verzichtet, sich gegen die steigende Tankrechnung zu schützen. Schlussendlich musste sie dann höhere Preise zahlen als das Gros der Konkurrenten.

Für 2019 waren die Aussichten nicht besser. Weil immer noch Fluglotsen fehlen, drohen wieder viele teure Verspätungen. Dazu sinken gerade die Ticketpreise. Vor allem Ryanair wirft relativ viel neue Flüge auf den Markt und kann sie nur zu Kampfpreisen füllen.

Und so musste der letzte Mittelständler unter Deutschlands Fluggesellschaften am Montag den Gang zum Insolvenzgericht in Berlin-Charlottenburg antreten. Wie zuvor Air Berlin.

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