Germanwings-Absturz Unglück beschädigt Vertrauen in Lufthansa

Die Trauer um die Toten, das Leid der Angehörigen, die Mühen der Helfer stehen im Vordergrund. Und dann ist da noch die Lufthansa. Wie begegnet sie dem Vertrauensverlust?

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Es ist eine Frage des Respekts, des Gefühls, wann was am Platz ist, eine Frage der Pietät: Bei der Lufthansa wollte am Dienstag niemand darüber reden, welche wirtschaftlichen Folgen der Absturz der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen für die Fluggesellschaft hat.

150 Menschen sind gestorben, da redet keiner über die Bilanz. Dennoch war bereits am Dienstag klar, dass das Unglück den deutschen Konzern zu einem äußerst schwierigen Zeitpunkt trifft. Die Konkurrenz macht ihm mehr denn je zu schaffen, die Restrukturierung des Konzerns sorgt für Unruhe. Nun wachsen auch noch Zweifel an der Zuverlässigkeit – der Image-Schaden ist derzeit nicht abzuschätzen.

Die Fakten zum Germanwings-Absturz

Am Tag des Unglücks ist die Ursache des Absturzes noch nicht bekannt. Die A320 erreichte nach dem Abflug in Barcelona bald seine Reiseflughöhe, ging dann aber in den Sinkflug. Auf einer Flughöhe von 6000 Fuß – rund 1800 Metern – brach der Kontakt zum französischen Fluglotsen ab, kurz darauf kam es zum Crash.

„Der Absturz geschah in der Flugphase, in der statistisch am allerwenigsten passiert“, sagte Jan-Arwed Richter vom Hamburger Luftfahrt-Unfalluntersuchungsbüro Jacdec. Die meisten Unfälle passierten bei Start und Landung. Der Fall sei daher „sehr rätselhaft“.

Das ist die Unglücksmaschine A320

Es handelte sich um eine relativ alte Maschine: Die A320 hatte 1990 ihren Jungfernflug. Hersteller Airbus teilte mit, sie habe auf rund 46.700 Flügen fast 58.300 Flugstunden absolviert. Das ist für Flugzeuge jedoch nicht ungewöhnlich, bei regelmäßiger Wartung können sie deutlich länger eingesetzt werden.

Die A320 war noch am Morgen vor dem ersten Flug von Düsseldorf nach Barcelona einer Routineuntersuchung unterzogen worden. Wartungsmängel hält der Luftfahrtexperte Thomas Saquer von der Unternehmensberatung Frost & Sullivan auch für unwahrscheinlich: „Da macht die Lufthansa keinen Unterschied zwischen den Fliegern der Mutter und denen der Tochtergesellschaft.“


„Die Leute verbinden mit Germanwings einfach Lufthansa“

Jahrelang galt die Lufthansa als eine der sichersten Fluglinien, der letzte tödliche Unfall liegt 16 Jahre zurück, bei der Tochterfirma Germanwings gab es seit der Gründung 2002 noch keinen gravierenden Vorfall. „Dieses Bild könnte nun Schaden nehmen“, sagte Jochen Rothenbacher, Analyst der Equinet Bank, auf Anfrage des Handelsblatts. Ein Imagerisiko sei selbst dann zu befürchten, wenn die Fluggesellschaft keine Schuld an dem Absturz habe.

Unfälle bei der Lufthansa

Obwohl eine Germanwings-Maschine von den Radarschirmen verschwunden ist, wird nach Einschätzungen von Analyst Rothenbacher die Muttergesellschaft Lufthansa vom Reputationsschaden betroffen sein. „Die Leute verbinden mit Germanwings einfach Lufthansa.“ Auch die geplante Umfirmierung der Billigsparte in Eurowings würde diesen Effekt nicht abmildern.

Kurzfristig, so schätzt Rothenbacher, werde die „Unsicherheit der Kunden der Fluggesellschaft schaden“. Passagiere würden in naher Zukunft Flüge von Lufthansa meiden und auf die Konkurrenz ausweichen. „Das ist ein menschlicher Reflex, eine emotionale Geschichte.“

Langfristig seien die Folgen hingegen nur schwierig abzuschätzen, sagt der Analyst. Er hat die wirtschaftlichen Folgen des Absturzes des Air-France-Flugs 447 im Jahr 2009 untersucht, konnte aber keine eindeutige Aussage treffen. Dafür sei eine größere Stichprobe nötig. „Glücklicherweise gibt es die aber nicht.“

Auch für Hersteller Airbus ist das Unglück bitter. Die A320 gehört zu den meistverkauften Modellen – nun ist zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit ein Flugzeug dieses Typs abgestürzt. Erst im Dezember war ein Airbus A320-200 von Air Asia auf dem Weg von Indonesien nach Singapur verunglückt. Der Flugzeugbauer richtete am Dienstag in der Zentrale in Toulouse einen Krisenstab ein.

Die Lufthansa ist derzeit ohnehin in einer schwierigen Phase. Wegen der harten Konkurrenz baut sie um, die Billigtöchter sollen einen Teil der Verbindungen übernehmen. Weil sie die Arbeitskosten senken will, hat sie außerdem mit diversen Streiks zu kämpfen – die Piloten, denen die Airline die Altersversorgung kürzen will, sind erst jüngst wieder in den Ausstand getreten.

Die Gewerkschaft Cockpit sieht derzeit aber von weiteren Streikdrohungen ab. „Der Arbeitskampf ist für uns aktuell kein Thema mehr“, sagte Cockpit-Sprecher Jörg Handwerg, dem „Tagesspiegel“. Nach der Absturzkatastrophe „reden wir über ganz andere Themen“.

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