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Germanwings Angela Merkel: "Es ist eine wahre Tragödie"

Die Audiodatei des Stimmrekorders ist gesichert - eine Analyse steht aber noch aus. Die Unglücksursache bleibt damit einen Tag nach dem Germanwings-Absturz rätselhaft. Kanzlerin Angela Merkel dankte den Einsatzkräften und drückte ihre Erschütterung über die Katastrophe aus.

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Fassungslosigkeit und Entsetzen bei Lufthansa und Germanwings
Der Copilot des Germanwings-Unglücksjets hat den Airbus nach Erkenntnissen der Ermittler absichtlich in eine Felswand gesteuert und 149 Menschen mit in den Tod gerissen. "Es ist davon auszugehen, dass der Copilot bewusst die Zerstörung des Flugzeuges eingeleitet hat", erklärte Brice Robin von der Staatsanwaltschaft Marseille am Donnerstag. Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund der Tat gebe es nicht. Die Ermittler bemühten sich derzeit bei ihren deutschen Kollegen um konkretere Informationen zu den Lebensumständen des 28-jährigen Ersten Offiziers Andreas L., der die deutsche Staatangehörigkeit besitze. Quelle: AP
Der Staatsanwalt bezog sich auf das Protokoll der letzten 30 Minuten vor dem Absturz, in denen der Stimmenrekorder alle Geräusche im Cockpit des A320 aufgenommen hatte. Dabei sei zu hören, wie der Kapitän Andreas L. zur Übernahme des Steuers auffordere und dann - vermutlich für eine Toilettenpause - das Cockpit verlasse. Kurz darauf habe Andreas L. dem Bordcomputer die Anweisung erteilt, in den Sinkflug überzugehen. Dies könne nicht versehentlich geschehen und müsse daher eine bewusste Handlung gewesen sein. Quelle: dpa
Zugleich habe er den Piloten nicht mehr ins Cockpit gelassen, sagte Robin. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 ist es Vorschrift, dass der Arbeitsplatz in allen Passagierjets von einer gepanzerten Tür geschützt sein muss. Andreas L. habe weder auf Rufe noch auf Schläge gegen die Tür reagiert, erklärte der Staatsanwalt. Auch Aufforderungen des Towers in Marseille, einen Notruf abzusetzen, habe er ignoriert. Bis zum Zerschellen des A320 sei von ihm kein Wort mehr zu hören. Auf der Aufnahme sei nur noch sein ruhiges Atmen zu vernehmen. All dies lasse darauf schließen, dass Andreas L. die Maschine absichtlich zum Absturz brachte, sagte Robin. "Wir müssen von einer willentlichen Tötung ausgehen...Er hat sich bewusst geweigert, die Tür zu öffnen, und er hat bewusst den Knopf (zur Einleitung des Sinkflugs) gedrückt, um die Maschine runterzubringen." Bisher hatte die Staatsanwaltschaft in Marseille dagegen wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung ermittelt. Quelle: REUTERS
Carsten Spohr Quelle: dpa
Im Foyer des Lufthansa Aviation Center am Flughafen in Frankfurt/Main liegt ein Kondolenzbuch für Mitarbeiter der Lufthansa aus. Quelle: dpa
Blumen und ein Aufsteller mit der Aufschrift "In deep sorrow" ("In tiefer Trauer") Quelle: dpa
Eine Luftaufnahme der Gendarmerie zeigt die Absturzstelle des Germanwings-Airbus in den französischen Alpen. Quelle: AP

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist am Mittwoch in der Region des Absturzortes der Germanwings-Maschine in Südostfrankreich eingetroffen. Gemeinsam mit Frankreichs Präsident François Hollande und dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy gedachte Merkel der Opfer der Flugzeugkatastrophe. Merkel, Hollande und Rajoy trafen sich in Seyne-les-Alpes, wenige Kilometer entfernt von der Absturzstelle in dem schwer zugänglichen Gelände des Alpenmassivs.

Merkel dankte den Polizisten, Gendarmen, Feuerwehrleuten, Sanitätern, Soldaten für deren Einsatz. „Das ist ein Zeichen unglaublicher Freundschaft und Hilfe. Wir sind sehr dankbar“, sagte Merkel. Gemeinsam mit Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft informierte sich aus erster Hand über die schwierige Bergung von Trümmern und Opfern.

Am Mittwochnachmittag gaben Hollande, Merkel und Rajoy dann eine gemeinsame Pressekonferenz. Hollande dankte den Helfern und drückte sein "tiefstes Mitgefühl und Trauer" aus. Frankreich stehe an der Seite aller Länder, die von dieser Katastrophe betroffen seien. Hollande informierte darüber, dass der Stimmrekorder nach wie vor ausgewertet werde. Nach dem zweiten Flugschreiber werde noch gesucht. Der Behälter, in dem sich der Datenschreiber befunden habe, sei gefunden worden, aber nicht das Gerät selbst.

Audiodatei konnte gesichert werden

Merkel äußerte sich ähnlich wie Hollande und betonte in ihrer Stellungnahme ihre Dankbarkeit für die Helfer vor Ort. Sie sprach von einer "wahren Tragödie" und wünschte den Angehörigen der Opfer Kraft. Rajoy sagte die Unterstützung seines Landes zu. „Ich kann Ihnen sagen, dass wir solidarisch sein werden, dass wir zusammen arbeiten werden, dass wir zusammen ermitteln werden.“

Die französische Luftfahrtermittlungsbehörde BEA gab bei ihrer Pressekonferenz am Mittwochnachmittag bekannt, dass aus dem Stimmrekorder eine Audiodatei extrahiert werden konnte. Diese könne auch verwertet werden, sei aber noch nicht analysiert worden. Wie lange die Auswertung dauern wird, ist laut BEA-Direktor Rémi Jouty unklar. Er sprach von "mehreren Tagen". Auf eine Meldung der "New York Times" angesprochen, laut der die zweite Blackbox gefunden und sie zerstört worden sei, sagte er, dies könne er nicht bestätigen. Er entkräftete zudem Spekulationen, das Flugzeug sei vor dem Absturz in der Luft explodiert. "Das Flugzeug ist bis zum Schluss geflogen", sagte er.

Die Ermittler haben somit einen Tag nach dem verheerenden Unglück keine Hinweise auf die Ursache.

72 Deutsche unter den Opfern

Unter den 150 Opfern des Germanwings-Unglücks sind 72 Deutsche. Das gab Germanwings-Chef Thomas Winkelmann am Mittwochmittag auf einer Pressekonferenz in Köln bekannt. Zuvor war die Airline von 67 deutschen Todesopfern ausgegangen, hatte zugleich aber betont, dass sich die Zahl der Opfer noch ändern könne.

An Bord der Maschine hätten sich auch 35 Spanier befunden, sagte Winkelmann weiter. Je zwei Opfer stammten nach Angaben von Germanwings aus Australien, Argentinien, Iran, Venezuela und den USA. Je ein Opfer stamme aus Großbritannien, den Niederlanden, Kolumbien, Mexiko, Japan, Dänemark, Belgien und Israel. Bei einigen Opfern sei die Nationalität noch unklar. Das liege an doppelten Staatsangehörigkeiten, sagte Winkelmann. Die Opferliste werde fortlaufend aktualisiert, erklärte er. Alle Zahlen seien vorläufig.

Die Fakten zum Germanwings-Absturz

Winkelmann betonte, Germanwings arbeite zusammen mit Lufthansa, Airbus und den französischen Behörden weiter mit Hochdruck daran, die Ursache des Unglücks vom Vortag zu ergründen. Die Maschine der Lufthansa-Tochter Germanwings war auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf.

Die Germanwings-Mutter Lufthansa hat nach Aussagen von Konzernchef Carsten Spohr derzeit noch keine Anhaltspunkte für den Grund des Absturzes eines Jets der Tochter Germanwings. „Es ist uns unerklärlich, wie so etwas einem technisch einwandfreien Flugzeug mit erfahrenen, bei der Lufthansa geschulten Piloten passieren konnte“, sagte Spohr am Mittwoch in der Lufthansa-Zentrale in Frankfurt. Nun gelte es, dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder passiere. Management und Mitarbeiter des Konzerns gedachten zuvor in einer Trauerminute der Opfer des Unglücks. Spohr sprach von einem „sehr emotionalen Moment“. Zudem kündigte Spohr an, dass die Lufthansa Angehörigen der Absturzopfer Sonderflüge zur französischen Hafenstadt Marseille angeboten würden.

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