




Bundeskanzlerin Angela Merkel ist am Mittwoch in der Region des Absturzortes der Germanwings-Maschine in Südostfrankreich eingetroffen. Gemeinsam mit Frankreichs Präsident François Hollande und dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy gedachte Merkel der Opfer der Flugzeugkatastrophe. Merkel, Hollande und Rajoy trafen sich in Seyne-les-Alpes, wenige Kilometer entfernt von der Absturzstelle in dem schwer zugänglichen Gelände des Alpenmassivs.
Arrivés à Seyne-les-Alpes, @fhollande, @marianorajoy et A. Merkel s'entretiennent avec les responsables des secours pic.twitter.com/ZAaAhyLdh0
— Élysée (@Elysee) 25. März 2015
Merkel dankte den Polizisten, Gendarmen, Feuerwehrleuten, Sanitätern, Soldaten für deren Einsatz. „Das ist ein Zeichen unglaublicher Freundschaft und Hilfe. Wir sind sehr dankbar“, sagte Merkel. Gemeinsam mit Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft informierte sich aus erster Hand über die schwierige Bergung von Trümmern und Opfern.
Am Mittwochnachmittag gaben Hollande, Merkel und Rajoy dann eine gemeinsame Pressekonferenz. Hollande dankte den Helfern und drückte sein "tiefstes Mitgefühl und Trauer" aus. Frankreich stehe an der Seite aller Länder, die von dieser Katastrophe betroffen seien. Hollande informierte darüber, dass der Stimmrekorder nach wie vor ausgewertet werde. Nach dem zweiten Flugschreiber werde noch gesucht. Der Behälter, in dem sich der Datenschreiber befunden habe, sei gefunden worden, aber nicht das Gerät selbst.
Audiodatei konnte gesichert werden
Merkel äußerte sich ähnlich wie Hollande und betonte in ihrer Stellungnahme ihre Dankbarkeit für die Helfer vor Ort. Sie sprach von einer "wahren Tragödie" und wünschte den Angehörigen der Opfer Kraft. Rajoy sagte die Unterstützung seines Landes zu. „Ich kann Ihnen sagen, dass wir solidarisch sein werden, dass wir zusammen arbeiten werden, dass wir zusammen ermitteln werden.“
Die französische Luftfahrtermittlungsbehörde BEA gab bei ihrer Pressekonferenz am Mittwochnachmittag bekannt, dass aus dem Stimmrekorder eine Audiodatei extrahiert werden konnte. Diese könne auch verwertet werden, sei aber noch nicht analysiert worden. Wie lange die Auswertung dauern wird, ist laut BEA-Direktor Rémi Jouty unklar. Er sprach von "mehreren Tagen". Auf eine Meldung der "New York Times" angesprochen, laut der die zweite Blackbox gefunden und sie zerstört worden sei, sagte er, dies könne er nicht bestätigen. Er entkräftete zudem Spekulationen, das Flugzeug sei vor dem Absturz in der Luft explodiert. "Das Flugzeug ist bis zum Schluss geflogen", sagte er.
Die Ermittler haben somit einen Tag nach dem verheerenden Unglück keine Hinweise auf die Ursache.
72 Deutsche unter den Opfern
Unter den 150 Opfern des Germanwings-Unglücks sind 72 Deutsche. Das gab Germanwings-Chef Thomas Winkelmann am Mittwochmittag auf einer Pressekonferenz in Köln bekannt. Zuvor war die Airline von 67 deutschen Todesopfern ausgegangen, hatte zugleich aber betont, dass sich die Zahl der Opfer noch ändern könne.
An Bord der Maschine hätten sich auch 35 Spanier befunden, sagte Winkelmann weiter. Je zwei Opfer stammten nach Angaben von Germanwings aus Australien, Argentinien, Iran, Venezuela und den USA. Je ein Opfer stamme aus Großbritannien, den Niederlanden, Kolumbien, Mexiko, Japan, Dänemark, Belgien und Israel. Bei einigen Opfern sei die Nationalität noch unklar. Das liege an doppelten Staatsangehörigkeiten, sagte Winkelmann. Die Opferliste werde fortlaufend aktualisiert, erklärte er. Alle Zahlen seien vorläufig.
Die Fakten zum Germanwings-Absturz
Der Airbus A320 ist am Dienstag um 10.01 Uhr mit 150 Menschen an Bord in Barcelona gestartet. Kurz nach dem Erreichen der regulären Reiseflughöhe von 38.000 Fuß (11,5 Kilometer) ging die Maschine ohne Hinweis an die französische Flugkontrolle oder ein Notsignal in einen schnellen Sinkflug über. Das Flugzeug zerschellte in den französischen Alpen. Die Maschine flog bis zum Aufprall, ohne dass es eine Explosion gab, wie die französische Untersuchungsbehörde BEA mitteilte.
An Bord der Maschine waren 150 Menschen, darunter nach jüngsten Informationen 72 Deutsche und 50 Spanier. Weitere Opfer stammen nach Angaben von Regierungen und Germanwings offenbar aus den USA, Großbritannien, Kasachstan, Argentinien, Australien, Kolumbien, Mexiko, Venezuela, Japan, den Niederlanden, Dänemark, Belgien und Israel.
Die Germanwings-Maschine verunglückte in den französischen Alpen nahe der kleinen Ortschaft Seyne-les-Alpes. Die Bergung der Wrackteile ist schwierig. Das Gelände an der Unglücksstelle ist zerklüftet und nur schwer zugänglich. Weil die Maschine mit hoher Geschwindigkeit auftraf, sind die Trümmerteile sehr klein und weit verstreut.
Die Bergung der Opfer wurde am 31. März abgeschlossen. Das Kriminalinstitut der französischen Gendarmerie erklärte, die eigentliche Identifizierung, also die Zuordnung zu den Vergleichsdaten der Angehörigen, könne zwei bis vier Monate dauern.
Die Ermittler haben bereits auswertbare Daten aus dem ersten Flugschreiber, dem Stimmrekorder, sichergestellt und ausgewertet. Laut der französischen Staatsanwaltschaft war zum Zeitpunkt des Absturzes nur der Co-Pilot im Cockpit. Der Stimmrekorder hat bis zuletzt Atemgeräusche im Cockpit aufgezeichnet, der Co-Pilot war also am Leben. In den letzten Minuten, bevor der A320 an einer Felswand zerschellte, zeichnete der Rekorder auf, wie der ausgesperrte Kapitän und die Crew von außen gegen die Cockpit-Tür hämmern. Die Ermittler gehen daher davon aus, dass der Co-Pilot die Maschine absichtlich zum Absturz brachte.
Der zweite Flugschreiber, der detaillierte Flugdaten aufzeichnet, wurde bislang nicht gefunden.
Der Mittelstreckenflieger A320 hatte seinen Jungfernflug 1987 und wurde ein Jahr später erstmals von Airbus an Kunden ausgeliefert. Seither hat er sich in verschiedenen Varianten zum meistverkauften Passagierjet von Airbus entwickelt. Bis Ende Februar hatte der Hersteller von seiner absatzstärksten Modellfamilie knapp 6500 Maschinen an die Kunden überstellt.
Die Unglücksmaschine war seit mehr als 24 Jahren im Einsatz, verfügte laut Auskunft der Lufthansa jedoch über neueste Technik und habe alle Sicherheitsanforderungen erfüllt. Noch einen Tag vor der Katastrophe sei der Flieger einem Routinecheck unterzogen worden.
Der Kapitän des abgestürzten Flugzeugs galt als erfahren. Er hatte seit mehr als zehn Jahren für Germanwings und Lufthansa gearbeitet. Auf dem Modell Airbus hatte er mehr als 6000 Flugstunden absolviert.
Zu den Geschehnissen im Cockpit der Germanwings-Maschine sagte der Lufthansa-Chef Carsten Spohr: „Es gab ein technisches Briefing zum weiteren Flugverlauf. Dann hat der Pilot dem Co-Piloten das Steuer überlassen.“ Zum Verlassen des Cockpits durch den Kapitän sagte Spohr: „Der Kollege (Pilot) hat vorbildlich gehandelt, er hat das Cockpit verlassen, als die Reiseflughöhe erreicht war.“
Der Co-Pilot der Unglücksmaschine war seit 2013 bei der Lufthansa-Tochter beschäftigt. Zuvor hatte er seit etlichen Jahren für den Konzern gearbeitet, auch als Flugbegleiter. Vor sechs Jahren gab es eine mehrmonatige Unterbrechung der Pilotenausbildung, danach wurde die Eignung des Mannes nach allen Standards überprüft. „Er war 100 Prozent flugtauglich. Ohne jede Auffälligkeit“, sagte Spohr.
Ermittler durchsuchten auf Bitte der französischen Justiz zwei Wohnungen des Co-Piloten. Dort wurde eine zerrissene Krankschreibung gefunden, die auch den Tag des Absturzes umfasste. Der 27-Jährige war vor mehreren Jahren - vor Erlangung des Pilotenscheines - über einen längeren Zeitraum wegen Depressionen und Selbstmordgefährdung in psychotherapeutischer Behandlung.
Quellen: dpa, reuters, sha, jre
Die Germanwings-Mutter Lufthansa hat nach Aussagen von Konzernchef Carsten Spohr derzeit noch keine Anhaltspunkte für den Grund des Absturzes eines Jets der Tochter Germanwings. „Es ist uns unerklärlich, wie so etwas einem technisch einwandfreien Flugzeug mit erfahrenen, bei der Lufthansa geschulten Piloten passieren konnte“, sagte Spohr am Mittwoch in der Lufthansa-Zentrale in Frankfurt. Nun gelte es, dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder passiere. Management und Mitarbeiter des Konzerns gedachten zuvor in einer Trauerminute der Opfer des Unglücks. Spohr sprach von einem „sehr emotionalen Moment“. Zudem kündigte Spohr an, dass die Lufthansa Angehörigen der Absturzopfer Sonderflüge zur französischen Hafenstadt Marseille angeboten würden.