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Germanwings "Für Schlussfolgerungen ist es zu früh"

Die letzten Minuten des abgestürzten Germanwings-Flugzeugs bleiben rätselhaft. Die Ermittler haben Medienberichte, laut denen zum Zeitpunkt des Absturzes nur ein Pilot im Cockpit saß, bislang nicht bestätigt. Derweil konnten erste Opfer geborgen werden.

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BEA-Direktor Remi Jouty auf der Pressekonferenz am Mittwochabend. Quelle: REUTERS

Nach dem Absturz der Germanwings-Maschine in Frankreich suchen die Ermittler weiter nach den Ursachen. Aus dem Stimmenrekorder der Maschine wurden am Mittwoch erste Daten gesichert, deren Analyse aber noch aussteht. Die Ursache für das Unglück bleibt bislang ungeklärt.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der Airbus A320 ist am Dienstag um 10.01 Uhr mit 150 Menschen an Bord in Barcelona gestartet. Nach bisherigem Kenntnisstand waren 72 Deutsche an Bord. Kurz nach dem Erreichen der regulären Reiseflughöhe ging die Maschine ohne Hinweis an die französische Flugkontrolle oder ein Notsignal in einen Sinkflug über.
  • Das Flugzeug zerschellt am Dienstagvormittag in den französischen Alpen bei Seyne-les-Alpes, es gibt keine Überlebenden.
  • Ermittler haben am Mittwoch auswertbare Daten aus dem ersten Flugschreiber, dem Stimmrekorder aus dem Cockpit, sicherstellen können. Die Audiodatei ist laut BEA-Direktor Remi Jouty verwertbar, muss aber noch analysiert werden.

Derweil gibt es übereinstimmende Medienberichte der "New York Times" und der Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf nicht näher genannte Ermittler, dass zum Zeitpunkt des Absturzes der Germanwings-Maschine nur ein Pilot im Cockpit gewesen sei. Dies soll aus den Aufnahmen des bereits gefundenen Sprachrekorders hervorgehen.

Die Fakten zum Germanwings-Absturz

Jedoch konnten bis zum frühen Donnerstagmorgen weder die Lufthansa, noch Germanwings, noch die französische Ermittlerbehörde BEA diese Berichte bestätigen: „Wir haben derzeit keine Informationen vorliegen, die den Bericht der „New York Times“ bestätigen“, sagte ein Lufthansa-Sprecher am Donnerstagmorgen. Man werde sich bemühen, weitere Informationen zu bekommen und „sich nicht an Spekulationen beteiligen“. Nahezu wortgleich äußerte sich auch Germanwings in einer schriftlichen Erklärung. „Die Ermittlung der Unfallursache obliegt den zuständigen Behörden“, hieß es zudem. Auch von der französischen Untersuchungsbehörde BEA war in der Nacht zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. BEA-Direktor Jouty mahnte am Mittwochabend, es sei zu früh, Schlussfolgerungen zu ziehen, und lehnte Mutmaßungen über eine Absturzursache ab.

In den unbestätigten Berichten heißt es unter Berufung auf Angaben der mit den Untersuchungen vertrauten Ermittler, dass einer der Piloten vor dem Sinkflug das Cockpit verlassen und anschließend vergeblich versucht habe, die Tür zu öffnen, um wieder ins Cockpit zu kommen. „Der Mann draußen klopft leicht an die Tür, aber es gibt keine Antwort“, zitiert die "New York Times" einen Ermittler. „Dann klopft er stärker an die Tür, und wieder keine Antwort." Anschließend könne man hören, wie er versuchte, die Tür einzutreten.

Warum ein Pilot das Cockpit verließ und warum das Flugzeug in den Sinkflug ging, ist nach wie vor unklar. Zu Beginn des Fluges soll eine "sehr entspannte" Unterhaltung auf dem Sprachrekorder zu hören sein. „Dann hört man das Geräusch, wie ein Sitz zurückgeschoben wird, eine Tür, die sich öffnet und wieder schließt, Geräusche, die darauf hindeuten, dass jemand gegen die Tür klopft. Und von diesem Moment an bis zum Crash gibt es keine Unterhaltung mehr“, sagt der Ermittler. Zuvor hätten sich die beiden Piloten auf Deutsch unterhalten.

Die Tür zum Cockpit im A320 ist die vielleicht sicherste Barriere im ganzen Flugzeug. Nach den Flugzeugentführungen des 11. September 2001 haben die USA verschärfte Sicherheits-Standards eingeführt, die die Lufthansa übernommen hat. Den Vorschriften zufolge dürfen die Crew-Mitglieder keine Schlüssel für den Zugang zum Cockpit benutzen, die sich Passagiere gewaltsam aneignen könnten. Aus dem Handbuch des Fliegers geht hervor, dass sich die Tür im Notfall eigentlich über die Nummerntastatur von außen öffnen lassen soll. Wie die Türen funktionieren, lesen Sie hier:

Erste Opfer geborgen

Beim Crash der Germanwings-Maschine in einer unwegsamen Bergregion in den französischen Alpen waren am Dienstag alle 150 Menschen an Bord ums Leben gekommen. Die Maschine war auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf, als sie minutenlang an Flughöhe verlor und schließlich an dem Bergmassiv zerschellte.

Am Mittwoch wurden die ersten Opfer geborgen. Sterbliche Überreste der Getöteten seien am späten Mittwochnachmittag von der Unglücksstelle weggebracht worden, bestätigte ein Polizeisprecher in Digne.

Er ließ offen, wie viele Leichen geborgen wurden. Kleinteilige Trümmer des Airbus A320 lagen weit verteilt in dem abgelegenen Tal bei Seyne-les-Alpes. Die Suche nach den Getöteten war am Abend mit Einbruch der Dunkelheit eingestellt worden und soll am Donnerstag weitergehen. Neben der Suche nach dem zweiten Flugschreiber arbeiten die Bergungskräfte an der Ortung der Opfer.

Zugleich ging die Suche nach dem zweiten Flugschreiber in dem Trümmerfeld weiter. Ohne dessen Daten dürfte die Ermittlung der Absturzursache äußerst schwierig werden. Die Daten werden dringend benötigt, um sie mit denen des Stimmrekorders überein zu bringen und so den genauen Verlauf der letzten Minuten an Bord rekonstruieren zu können.

Warum Flugschreiber so wichtig sind

Auch die Trümmer der Maschine sollen soweit möglich geborgen werden - auch sie könnten Aufschluss über die Ursache des Unglücks geben.

In der Nacht sollten erneut einige Spezialkräfte am Unfallort die Stellung halten und den Ort absichern. Im Laufe des Tages werden Angehörige von Opfern in dem Gebirgsort erwartet.

Nach Angaben von Germanwings-Chef Thomas Winkelmann waren 72 Deutsche an Bord der Unglücksmaschine. Aus Spanien stammten nach Angaben aus Regierungskreisen in Madrid 51 Opfer. Germanwings sprach hingegen zuletzt von 35 spanischen Bürgern. Alle Zahlen seien jedoch vorläufig, betonte Germanwings. Durch doppelte Staatsbürgerschaften wird die Zuordnung der Nationalitäten erschwert.

Das Bundesinnenministerium ordnete Trauerbeflaggung an allen Bundesbehörden an. Im Bundestag soll am Donnerstag der Opfer des Unglücks gedacht werden. Neben den deutschen und spanischen Passagieren waren auch Menschen aus Australien, Argentinien, Iran, Venezuela, den USA, Großbritannien, Niederlande, Kolumbien, Mexiko, Japan, Dänemark, Belgien und Israel an Bord.

Etliche Germanwings-Besatzungen erklärten sich am Mittwoch für nicht einsatzbereit. Winkelmann wies allerdings Berichte zurück, diese hätten aus Sorge um die technische Zuverlässigkeit der Flugzeuge den Dienst verweigert. „Wir haben Crews, die sich aus emotionalen Gründen nicht in der Lage fühlen, zu fliegen, weil sie unter Schock stehen und in tiefer Trauer sind“, sagte Winkelmann. „Aber das hat nichts mit dem technischen Zustand irgendeines Lufthansa oder Germanwings-Flugzeugs zu tun.“

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