Germanwings soll Notlandung vertuscht haben Beunruhigende Untersuchungslücken

Der Flug-Zwischenfall bei Germanwings vor knapp zwei Jahren ist extrem beunruhigend. Aber ebenso beunruhigend ist, wie die Tochtergesellschaft der Lufthansa und die Aufsichtsbehörde darauf reagiert haben.

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Die größten Billigflieger Europas
Die von deutschen Flughäfen aus startenden Billigflieger sind nach einer Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) teurer geworden. Je nach Fluglinie lagen die Durchschnittspreise für einen einfachen Flug im vergangenen Herbst zwischen 70 und 140 Euro brutto, wie das Forschungsinstitut berichtete. Im vorangegangenen Sommer hätten sie noch bei 50 bis 130 Euro gelegen. Insgesamt nutzten im ersten Halbjahr 2014 der Studie zufolge knapp 31 Millionen Passagiere Angebote sogenannte Low Cost Carrier. Im Sommerflugplan 2014 bedienten sie insgesamt 722 Strecken in und ab Deutschland - ein Plus von rund 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Doch verlief die Entwicklung regional sehr unterschiedlich. Die meisten Günstigflieger-Passagiere verzeichneten die Berliner Flughäfen. Auch die Airports Hamburg und Köln/Bonn konnten ihr Passagieraufkommen steigern. Starke Rückgänge gab es dagegen auf Regionalflughäfen wie Weeze oder Hahn, wo sich die gesunkene Präsenz von Ryanair bemerkbar machte. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Platz zehn: Air Baltic mit 25 FlugzeugenDie lettische Fluggesellschaft Air Baltic belegt mit 25 Flugzeugen, darunter fünf Boeing 737–500, acht Boeing 737–300 und zwölf Q-400 NextGen Platz zehn. Quelle: Presse
Platz neun: Aer Lingus mit 50 FlugzeugenMit 50 Flugzeugen liegt Air Lingus auf Rang neun. Zu der Flotte der irischen Fluggesellschaft zählen je drei Boeing 757-200, Airbus A330-200, Airbus A321-200, jeweils vier Airbus A319-100 und Airbus A330-300 und 33 Airbus A320-200. 2015 sollen außerdem neun Flugzeuge vom Typ Airbus A350-900 an die Fluglinie ausgeliefert werden. Quelle: dpa
Platz acht: Wizz Air mit 54 FlugzeugenDie ungarische Fluglinie Wizz Air hat ihr Streckennetz vor allem in Osteuropa. In Deutschland fliegt sie die Flughäfen in Dortmund, Frankfurt-Hahn, Köln/Bonn, Lübeck und Memmingen an. Wizz Air verfügt über eine junge Flotte mit Flugzeugen vom Typ Airbus 320. Alle 54 Flugzeuge werden von V-2500-Motoren von International Aero Engine betrieben. Quelle: dapd
Platz sieben: Jet2 mit 55 FlugzeugenDie britische Billig-Airline Jet2 gibt es erst seit 2002, trotzdem hat sie mit 55 Flugzeugen eine der größten Flotten unter den europäischen Billig-Airlines. Mit den 23 Boeing 737-300, einer Boeing 737-300F, sieben Boeing 737-300QC und jeweils zwölf Boeing 737-800 und Boeing 757-200 fliegt die Airline viele Urlaubsziele im Mittelmeer und außerdem New York City an. Quelle: Presse
Platz sechs: Germanwings mit 57 FlugzeugenGermanwings schafft es mit einer Flotte von 57 eigenen und 23 Eurowings-Flugzeugen auf Platz sechs unter den Top 10 der europäischen Billig-Airlines. Ab Frühjahr 2015 sollen 64 eigene Flugzeuge der Typen A319 und A320 sowie 23 durch Eurowings betriebene Regionalflugzeuge für Germanwings im Einsatz sein. Quelle: dpa/dpaweb
Platz fünf: Flybe mit 62 FlugzeugenDie britische Airline Flybe betreibt mit 45 Maschinen die größte Flotte an Bombadier DashQ8-400 Maschinen weltweit. Hinzu kommen noch elf Maschinen vom Typ Embraer 175 (vier weitere sind bestellt) sowie sechs Jets vom Typ 195. Flybe hat seinen Sitz in Southhampton und fliegt in Deutschland die Flughäfen in Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Hannover und Stuttgart an. Quelle: Presse

Schwere Störung – das ist mit die dramatischste Beschreibung für einen Flug-Zwischenfall, der nicht mit einem Absturz endete. Und genau mit diesen Worten beschreibt die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) jenes Ende eines Flugs der Lufthansa-Tochter Germanwings, der im Dezember 2010 laut einem Bericht des obersten Ermittlers in Sachen Flugsicherheit in Deutschland offenbar fast in einer Katastrophe geendet hätte.

Denn wegen eines Giftes in der Atemluft war von den beiden Piloten einer quasi außer Gefecht gesetzt – oder, wie es die BFU ausdrückt: "spürte, dass er die anfallenden Informationen nicht mehr verarbeiten konnte" – und der andere bereits "am Ende seiner Leistungsfähigkeit". Obwohl die Piloten Atemmasken trugen, hatten sie deutlich zu wenig Sauerstoff im Blut. Mit anderen Worten: Noch ein paar Minuten länger, und das Flugzeug wäre führerlos gewesen.

Doch da fangen die Fragen erst an. Und sie richten sich sowohl an den Lufthansa-Konzern, als auch an die Aufsichtsbehörde.

Verharmlosender Bericht

Dass Germanwings den Vorfall nicht an die große Glocke gehängt hat, ist nachvollziehbar. Wenn die Behörde kein Problem sieht, dann muss auch die Fluglinie nicht unbedingt nachlegen. Doch am Ende hat die Linie zumindest in Teilen merkwürdig reagiert. Sie hat zwar den Flieger nach dem Vorfall gecheckt und einen Bericht an die Aufsichtsbehörde geschickt. Doch der liest sich wesentlich weniger dramatisch als die Berichte der Piloten. Da wurde aus dem Beinahe-Zusammenbruch ein "starkes Unwohlsein" und eine "Beeinträchtigung der Wahrnehmung".

Dass beide Piloten deutlich zu wenig Sauerstoff im Blut hatten, alarmierte offenbar ebenso wenig, wie die Tatsache, dass der außergewöhnliche Geruch im Cockpit auch 15 Minuten nach der Landung trotz geöffneter Fenster noch deutlich wahrnehmbar war. Und auch heute sieht die Linie merkwürdigerweise noch "keine Einschränkung der Flugtauglichkeit". Da bleibt die Frage: Hat der Pilot damals gegenüber seinem Arbeitsgeber die Sache nicht ganz richtig dargestellt – oder später gegenüber der Behörde.

Reaktion der BFU ist fragwürdig

Aber auch bei der BFU bleiben Fragen offen. Zwar hat sie sich Nachfragen bereits vorab durch die Mitteilung entzogen, "aufgrund des Umfangs des Zwischenberichts werden keine ergänzenden Erläuterungen ... abgegeben."  Doch ein paar Antworten wären sicher nicht schlecht gewesen. Denn ihr hätte aus Sicht von Experten auffallen können: Ein "Geruch elektrisch verbrannt" – so die Unfallmeldung  der Fluglinie – passt nicht so recht zu der Erklärung, es sei nur etwas Enteisungsmittel ins Triebwerk geraten. Stattdessen hat sich die BFU quasi die Sichtweise Germanwings' zu Eigen gemacht und abgehakt.

Späte Untersuchung

Die Bonusprogramme der Airlines
Miles&More: Das Bonusprogramm der Lufthansa Quelle: dpa
topbonus: Das Vielfliegerprogramm von Air Berlin Quelle: dpa
Flying Blue: Das Bonusprogramm der Air France Quelle: AP
Avios: Das neue Bonusprogramm von British Airways Quelle: REUTERS
AAdvantage ist das älteste Bonusprogramm der Welt. Quelle: REUTERS

Aber nicht für ewig. Denn ein Jahr nach dem Vorfall hat die Behörde dann doch eine Untersuchung gestartet. Hier wäre es doch interessant zu wissen, warum? Hat der Behörde da jemand Beine gemacht und ein paar Befunde nachgereicht? Etwa, dass einer der Piloten ein halbes Jahr lang krankgeschrieben war?

Nun ist die Sache schwer zu klären. Denn die Aufzeichnungen, die jedes Flugzeug von seinem Betrieb und den Gesprächen der Piloten macht, wurden bereits beim nächsten Flug überschrieben, weil sie keiner aufgehoben hat. Sicher, das hätte für Germanwings einen gewissen Aufwand bedeutet. Denn die Piloten mögen es in der Regel nicht, wenn ihre Flugdaten aufgehoben werden. Aber nach diesem fast schon Nahtod-Erlebnis, hätten die Flugzeugführer sicher wenig einzuwenden gehabt.

Keine Beweise für die Ursache

So bleibt die Frage, wie ein ähnlicher Vorfall künftig verhindert werden kann. Der erste Verdacht fällt nun darauf, dass eben nicht das Enteisungsmittel, ein Art Alkohol, ins Triebwerk geraten ist, sondern Öl, das mit giftigen Rückständen verdampft. Aber dafür gibt es ebenso wenig einen Beweis wie dafür, dass es diese Gifte nicht waren.

An diesem Problem arbeitet sich die Branche schon seit Jahren ab. Auch einige Gewerkschaften und Politiker wie der grüne Bundestagsabgeordnete Markus Tressel weisen seit Jahren auf das Problem hin. Doch obwohl es bereits mehrere verdächtige Vorfälle mit diesen Giften gab, waren die Vorfälle im Einzelnen bislang kaum zu reproduzieren. Zudem gibt es bislang offenbar auch keine echte Gegenmaßnahme, weil während des Flugs die Luft für die Kabinen mit Hilfe der Triebwerke von den lebensfeindlichen bis zu minus 60 Grad auf angenehmere Werte erhitzt wird.

Aber vielleicht entschließen sich nun Politik und Hersteller allmählich doch, dem Problem etwas mehr Bedeutung beizumessen.

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