
Der Todespilot des Germanwings -Jets war nach Angaben der Staatsanwaltschaft Düsseldorf in der Vergangenheit wegen Selbstmord-Gefahr in psychotherapeutischer Behandlung. Dies betreffe aber einen längeren Zeitraum bevor Andreas L. seinen Pilotenschein gemacht habe, teilten die Ermittler am Montag in Düsseldorf mit. In jüngster Zeit hätten Ärzte bei dem 27-Jährigen jedoch weder eine Selbstmordgefahr noch ein Risiko für Angriffe auf andere Personen festgestellt. "Im Folgezeitraum und bis zuletzt haben weitere Arztbesuche bei Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie mit Krankschreibungen stattgefunden, ohne dass Suizidalität oder Fremdaggressivität attestiert worden ist", erklärte die Staatsanwaltschaft. Ärztliche Dokumente über eine organische Erkrankung seien nicht gefunden worden. Dies gelte auch für die angeblichen Augenprobleme, über die Medien berichtet hatten.
Der Co-Pilot steht unter Verdacht, am Dienstag vor einer Woche einen Airbus in den französischen Alpen zum Absturz gebracht und 149 Menschen mit in den Tod gerissen zu haben. Unter den Toten sind 75 Deutsche.
Bei den Ermittlungen fanden die Staatsanwälte nach eigenen Angaben bislang weder im persönlichen und familiären Umfeld von Andreas L. noch an seinem Arbeitsplatz Hinweise auf ein Motiv. Auch fehle weiter eine Ankündigung für die Tat oder ein Bekennerschreiben. Die Behörde spielte damit offenbar auf entsprechende Medienberichte der vergangenen Tage an.
Bei der Düsseldorfer Polizei bemüht sich unterdessen die "Sonderkommission Alpen" weiter mit Hochdruck um die Aufklärung des Flugzeugabsturzes. Etwa 100 Beamte seien derzeit ausschließlich mit der Identifizierung der Opfer und den weiteren Ermittlungen in dem Fall beschäftigt, teilte die Behörde mit. Gemeinsam mit Seelsorgern besuchten sie die Wohnungen der Opfer in Nordrhein-Westfalen, um DNA-Spuren und Fingerabdrücke sicherzustellen.
Schrecklicher Verdacht: Co-Pilot flog absichtlich in den Tod
Suizide in der Luftfahrt sind selten, aber sie kommen vor. Im November 2013 kostete der Absturz einer Embraer-Maschine der Fluglinie Linhas Aéreas de Moçambique 33 Menschen das Leben. Laut der zuständigen Behörde in Namibia hatte der Co-Pilot das Cockpit kurz vor dem Unglück verlassen, um zur Toilette zu gehen. Der Pilot verriegelte daraufhin die Tür und steuerte das Flugzeug in Richtung Boden. Eine Boeing 767 der EgyptAir stürzt im Oktober 1999 US-Staat Massachusetts. Nach einer Untersuchung der US-Flugsicherheitsbehörde schaltete der Co-Pilot von Flug 990 den Autopiloten aus und leitete den Sinkflug ein. 1997 ließ der Pilot eines SilkAir-Flugs von Jakarta nach Singapur seine Boeing 737 absichtlich in einen Fluss stürzen - 104 Menschen starben. Auch bei der seit einem Jahr verschollenen Malaysia-Airlines-Maschine gilt die Selbsttötung eines der Piloten als eine der plausibelsten Unglücksursachen.
Laut einem offiziellen Report der US-Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration (FAA) aus dem vergangenen Jahr sind Selbsttötungen, die mit einem Flugzeug ausgeführt werden, „selten und ungewöhnlich“. Untersucht wurden 2758 tödliche Flugzeugunglücke auch kleinerer Maschinen in den USA, die sich zwischen 2003 und 2012 ereigneten. In acht Fällen gilt die Selbsttötung des Flugzeugkapitäns als Ursache. Sieben der Piloten waren bei dem Unglück allein an Bord.
Alle Piloten, die ihre Maschinen abstürzen ließen, waren männlich und zwischen 21 und 68 Jahren alt. Als mögliche Motive für die Taten identifiziert der FAA-Bericht unter anderem Depressionen, Beziehungsprobleme und finanzielle Schwierigkeiten. Vier der Piloten wurden positiv auf Alkohol getestet. Zwei nahmen offenbar Antidepressiva.
Die französischen Behörden bemühten sich unterdessen mit schwerem Gerät, eine Straße in die Nähe der abgelegenen Absturzstelle in den Alpen zu bauen. So soll die Bergung der Leichenteile beschleunigt werden. Die Arbeiten würden vermutlich bis Dienstag oder Mittwoch abgeschlossen sein, sagte der Sprecher der Gendarmerie, Xavier Vialenc. "Damit werden wir Zeit sparen", erklärte er. Bisher seien DNA-Spuren von 78 Opfern entdeckt worden.
Bisher müssen die Bergungshelfer von der Gendarmerie mit Hubschraubern zur Absturzstelle gebracht werden. Die Hänge dort sind so steil, dass sie nur angeseilt arbeiten können. Schlechtes Wetter schränkt die Helikopterflüge ein. Die Helfer suchen außerdem nach dem zweiten Flugschreiber, der die technischen Daten des Fluges aufzeichnet. Die bisherigen Ermittlungsergebnisse beziehen sich auf die Auswertung des Stimmenrekorders aus dem Cockpit.
Als Konsequenz aus dem Absturz wurden in der Politik Forderungen nach einer Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht laut. Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank-Ulrich Montgomery, warnte jedoch davor. Die Schweigepflicht sei ein hohes Gut und ein Menschenrecht, sagte er. Montgomery verwies ebenso wie eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums darauf, dass ein Arzt schon heute zur Offenlegung von Informationen berechtigt sei, wenn es Anhaltspunkte für die Gefährdung anderer Menschen gebe. Die ärztliche Schweigepflicht gilt auch über den Tod eines Patienten hinaus.