Gescheiterte Sanierung Was Sie über die Rickmers-Insolvenz wissen müssen

Die Nachricht, dass die HSH dem Sanierungskonzept der Reederei Rickmers nicht zustimmt, schlug ein wie eine Bombe. Die wichtigsten Fragen und Antworten, wie es jetzt weiter geht, was die Insolvenz für Anleger bedeutet.

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Bertram Rickmers, Chef der Rickmers Reederei. Quelle: dpa

Die Nachricht kam unerwartet, für Gläubiger, für die Mitarbeiter, wahrscheinlich sogar für den Reeder Bertram Rickmers selbst: Die HSH will dem Sanierungskonzept der Reederei Rickmers nicht zustimmen. Das teilte sie am Mittwochabend mit, einen Tag bevor die Gläubiger einer 275 Millionen Euro schweren Anleihe über den Rettungsplan hätten abstimmen sollen. Der Vorstand der Reederei hatte gewarnt: Sollte einer der Beteiligten abspringen, muss die Reederei Insolvenz anmelden. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie geht es weiter?
Nach eigenen Angaben hat der Vorstand der Reederei am Donnerstagmorgen den entsprechenden Insolvenzantrag gestellt. "Der Vorstand der Rickmers Holding AG strebt dabei eine Sanierung in Eigenverwaltung unter Fortsetzung des Geschäfts- und Schiffsbetriebs an", teilte die Reederei schon am Vorabend mit. Der Schiffsbetrieb soll weiter laufen. Eigentümer Bertram Rickmers möchte also möglichst viel von seinem Unternehmen retten und dabei versuchen, die Schulden an Banken und Anleihegläubiger zurückzuzahlen. Ob die Insolvenz tatsächlich in Eigenverantwortung stattfinden kann – oder ob ein Insolvenzverwalter bestellt wird – muss allerdings das Insolvenzgericht entscheiden. Wann diese Entscheidung zu erwarten ist, steht noch nicht fest, teilte eine Sprecherin von Rickmers mit.

von Saskia Littmann, Jacqueline Goebel, Henryk Hielscher

Warum findet die Gläubigerversammlung trotz Insolvenz statt?
Eigentlich hätten die Anleihegläubiger am Donnerstag über den Sanierungsplan beraten sollen. Die Entscheidung der HSH macht diesen jedoch zunichte. Nun sollen die Gläubiger zumindest noch einen gemeinsamen Vertreter wählen. Der muss im Insolvenzverfahren die Interessen der Anleihekäufer verteidigen und versuchen, einen Teil ihrer Gelder zurückzubekommen. Doch es stehen mehrere Kandidaten zur Wahl – und die Entscheidung könnte knapp werden.

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Wieso gibt es Streit darum, wer die Interessen der Anleihegläubiger vertreten soll?
Schon in seinen Sanierungsplänen hat Rickmers einen eigenen Vorschlag für einen gemeinsamen Vertreter gemacht: Christian Heiser von der Kanzlei Raschke von Knobelsdorff Heiser. Dass ausgerechnet der Schuldner seinen Gläubigern einen Vertreter empfiehlt, ist aber äußerst ungewöhnlich. Heiser soll schon früh in die Sanierungspläne einbezogen worden sein, viele Gläubiger bezweifeln deshalb, dass Heiser unparteiisch ist.
Eine Aktionärsgruppe rund um den Investor Delta wollen einen Gegenkandidaten aufstellen, Felix Schaefer von der Kanzlei Houley Lokey. Außerdem kandidiert Frank Günther von One Square Advisors. Das ist ebenfalls ungewöhnlich, da One Square Advisors Rickmers bereits bei den Sanierungsplänen beraten hat.
Wer es auch wird, der gemeinsame Vertreter wird es nicht einfach haben, für die Anleihen-Inhaber noch Geld von Rickmers zurückzufordern.

Was ist Rickmers jetzt noch wert?

Was ist Rickmers jetzt noch wert?
Die Frage ist schwierig zu beantworten. Unklar ist, welche Summen die HSH nun noch von Rickmers fordert – und welche Schiffe die Reederei verkaufen muss, um ihren Kreditpflichten nachzukommen. Die Kanzlei Brinkmann und Partner hat im Auftrag von Rickmers ein Liquidationsgutachten für die Gläubiger erarbeitet. Demnach könnten die Anleihegläubiger nur noch mit Rückzahlungen von 2,8 bis 6,7 Prozent ihrer Investitionen rechnen.

Warum hat die HSH das Konzept abgelehnt?
Das ist weiter unklar. Die Bank musste abwiegen, welches Szenario für sie besser ist – der Sanierungsplan oder die Insolvenz. Dem Sanierungsplan zuzustimmen hätte für sie nur Sinn ergeben, wenn die Bank an den Erfolg geglaubt hätte. Die HSH Nordbank erklärt dazu auf Anfrage der WirtschaftsWoche, sie habe das Konzept "sorgfältig geprüft", es sei aber "betriebswirtschaftlich nicht tragfähig" gewesen. Die Einschätzung überrascht jedoch. Schließlich hatte die Bank über einen Monat lang Zeit, das Konzept zu prüfen und schien bisher den Plan zu unterstützen. Die Entscheidung gegen die Sanierung soll nun der Vorstand persönlich getroffen haben.

Die zum Verkauf stehende Landesbank sei selber aber auf die Situation gut vorbereitet, heißt es. Die HSH, die bis Februar 2018 einen neuen Eigentümer finden muss, hat allein im vergangenen Jahr zwei Milliarden an zusätzlicher Risikovorsorge aufgebaut. Aus dem Umfeld der Bank heißt es, zusätzliche Risikovorsorge für den Fall Rickmers sei wohl nicht zu erwarten.

Wie sah Rickmers' Konzept aus?
Alleineigentümer Rickmers wollte 75,1 Prozent seiner Anteile auf eine Luxemburger Tochtergesellschaft namens LuxCo übertragen und diese anschließend an Banken und Anleihebesitzer abtreten.

Binnen drei Jahren sollte die LuxCo dann verkauft werden, um mit dem Erlös die Gläubiger zumindest zum Teil auszahlen zu können. Rickmers selbst hätte sich künftig mit 24,9 Prozent an seinem Unternehmen begnügt. An der LuxCo sollte neben den Anleihegläubigern auch die HSH Nordbank als größte Gläubigerbank beteiligt werden. Bei Verkauf der LuxCo hätten die Anleihegläubiger 62 Prozent der Erlöse erhalten, die HSH Nordbank bekommt die verbleibenden 38 Prozent.

Welchen Beitrag leistet Bertram Rickmers?
Der Beitrag von Rickmers im Insolvenzfall ist nicht bekannt. Wäre es zum Sanierungskonzept gekommen, wäre er zu Einlagen über 30 Millionen Euro verpflichtet gewesen. Unter anderem soll davon ein Werftkredit abgelöst werden.

Welche Tücken und Unsicherheiten gab es es noch?
Wie die WirtschaftsWoche im April berichtete, hat Bertram Rickmers kurz vor bekanntwerden seines Sanierungsplans bei einer außerordentlichen Hauptversammlung seine Satzung geändert.

In exakt drei Minuten legte der Reeder fest, dass für wichtige Entscheidungen in der Holding künftig eine Mehrheit von 80 statt der gesetzlich vorgeschriebenen 75 Prozent erforderlich sein soll. Damit wäre auch künftig kaum etwas gegen den Willen des bisherigen Eigentümers zu machen, er hätte eine sogenannte Sperrminorität. Auf Anfrage der WirtschaftsWoche zu dem Thema erklärte Rickmers inzwischen, die beschlossene Satzungsänderung sei "überholt".

Die Satzung werde an den Sanierungsplan angepasst, Rickmers will auf die Sperrminorität verzichten. Das Problem: Nach aktuellem Stand (31.05.2017) hat Rickmers die Satzung nicht wieder angepasst, laut Handelsregister ist die jüngste Veränderung weiterhin die Satzungsänderung mit der Sperrminorität.

Was passiert mit den Schiffsfonds?

Für Anleger, die sich an Schiffsfonds mit Rickmers' Schiffen beteiligt haben, hat die Insolvenz zunächst keine direkten Konsequenzen. Die Fonds wurden in der Regel als einzelne GmbH und Co. KG aufgelegt, das Geld oft in ein einzelnes Schiff investiert. Konsequenzen für die Anleger ergeben sich also erst, wenn ein Schiff, in das ihr Geld investiert wurde, Insolvenz anmelden muss. Im Fall Rickmers haben einige der noch bestehenden Fonds laut Anwälten gute Konditionen. Bei einer Insolvenz in Eigenverwaltung, bei der der Geschäftsbetrieb aufrecht erhalten wird, können Anleger also zunächst darauf hoffen, dass ihre Schiffe weiter über die Weltmeere kreuzen werden.

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