
Der 1. April ist eigentlich ein ziemlich ungünstiges Datum für Reformen und Neuerungen jedweder Art. Zwangsläufig kommt der Verdacht auf – alles nur ein Aprilscherz. Dem neuen Rundfunkbeitrag, der vielen besser als „Zwangsabgabe“ geläufig ist, geht es da nicht anders. Denn zum 1. April sinkt der Beitrag zum ersten Mal in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Was dabei an einen Scherz denken lässt, ist allerdings vor allem die Höhe der Senkung.
Jeder Haushalt zahlt künftig 17,50 Euro und damit 48 Cent im Monat weniger für ARD und ZDF, Deutschlandradio und Dritte Programme. 48 Cent im Monat entsprechen 5,76 Euro im Jahr, dafür bekommt man zwar schon eine ganze Ausgabe der WirtschaftsWoche. Aber für ein Monatsabo der Online-Videothek Netflix reicht das schon nicht mehr.
Den Monats-Obolus wirklich spürbar zu senken und damit womöglich vielen Kritikern, die nicht einsehen, warum sie überhaupt zur Kasse gebeten werden, ein ganzes Stück weiter entgegenzukommen, wäre möglich gewesen. Das nötige Kleingeld dafür haben die Beitragszahler selbst schließlich längst gezahlt: Allein 2014 kamen Erträge in Höhe von 8,3 Milliarden Euro zusammen – das waren 643 Millionen Euro mehr als im Jahr zuvor. Für die gesamte vierjährige Beitragsperiode, die von 2013 bis 2016 dauert, haben Experten Mehreinnahmen von rund 1,5 Milliarden Euro errechnet.
Die wichtigsten Fragen zur neuen Rundfunkabgabe
Sie wird zunächst für jeden Haushalt und Betrieb fällig. Hartz-IV-Empfänger können einen Antrag auf Befreiung stellen. Menschen mit Behinderungen werden mit einem reduzierten Beitrag eingestuft. Bislang richtet sich der zu zahlende Betrag nach den vorhandenen Geräten.
Ab 1.1.2013 kostet die Haushaltsabgabe 17,98 Euro pro Monat. Somit wird es nicht teurer fernzusehen, Radio zu hören oder im Internet zu surfen - zumindest für diejenigen, die schon zahlen.
Ja. Die Gebühr betrifft alle. Verfassungsrechtler haben die Rechtmäßigkeit bereits mehrfach geprüft.
Wer Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II oder eine Ausbildungsförderung wie Bafög oder Ausbildungsgeld erhält, wird davon befreit - allerdings nur auf Antrag. Blinde oder stark Sehbehinderte, Gehörlose und schwer behinderte Menschen sind künftig nicht mehr grundsätzlich befreit. Sie sollen nunmehr einen ermäßigten Beitrag von einem Drittel der regulären Gebühr zahlen.
Der neue Rundfunkgebühren-Staatsvertrag soll am 1. Januar 2013 in Kraft treten. Es ändert sich für bereits zahlende Kunden nichts.
Wer seiner Anzeigepflicht nicht nachkommt oder den fälligen Rundfunkbeitrag länger als sechs Monate nicht oder nur teilweise zahlt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann.
Nein. Die Schnüffelei der GEZ ist nicht mehr nötig. Da jeder zahlen muss, ist es egal, ob jemand Geräte hat oder nicht.
Die Beiträge für Firmen werden künftig pro Betriebsstätte erhoben und nach der Zahl der Mitarbeiter gestaffelt.
Der Druck wächst
Und genau diese Fachleute haben auch vorgeschlagen, der Beitrag könnte eben wegen der Mehreinnahmen um immerhin 73 Cent sinken. Das fanden allerdings die Ministerpräsidenten der Länder, die in Sachen Rundfunk das Sagen haben, nicht so prickelnd. Sie wünschten sich finanziellen Spielraum mit dem Ziel, den Beitrag möglichst bis 2020 stabil halten zu können und ihn danach, wenn möglich, auch nicht weiter zu erhöhen.
Denn natürlich ist auch den Landespolitikern nicht verborgen geblieben, für wie viel Wut und Unmut der Beitrag sorgt. Sie wissen, dass angesichts immer neuer Medienangebote in Print, TV und vor allem im Internet immer mehr Mediennutzer komplett auf ARD und ZDF verzichten. Und dass damit auch der Druck wächst, Abgabe und TV-System auf lange Sicht zu legitimieren – oder es zu verändern.
Rundfunkgebühren seit 1970
883 Millionen Euro
Quelle: Statista
1,176 Milliarden Euro
2,787 Milliarden Euro
5,918 Milliarden Euro
7,55 Milliarden Euro
7,68 Milliarden Euro
Verzicht auf TV-Werbung?
Der Verzicht auf TV-Werbung, wie ihn etwa der Privatsenderverband VPRT schon seit Menschengedenken fordert, wäre zwar immerhin schon einmal ein Schritt auf dem Weg, die beiden TV-Blöcke – hier die öffentlich-rechtlichen, dort die werbefinanzierten Privatsender – sauber voneinander zu trennen. Doch einerseits hat auch dieser Vorschlag nicht nur Fans – werbungtreibende Unternehmen und die Lobbyorganisation Markenverband etwa sind längst auf den Barrikaden gegen das Werbe-Aus bei ARD und ZDF.
Sie wollen nicht allein gelassen werden im TV-Werbemarkt, wo sich dann nur noch die beiden großen Player RTL und ProSieben gegenüberstünden und die Spot-Preise festlegen können, ohne dass Werbekunden ausweichen könnten auf vergleichbar reichweitenstarke Konkurrenten. Ob daher ein Werbeverzicht kommt, ist längst noch nicht beschlossene Sache.
Der Verzicht auf Reklame allein würde allerdings den meisten Kritikern auch gar nicht reichen. Ihnen wäre es am liebsten, sie bräuchten entweder gar nichts zahlen für ARD und ZDF. Oder sie würden nur zur Kasse gebeten für Sendungen, die sie auch wirklich anschauen, eine Art öffentlich-rechtliches Pay-TV also.
Mancher träumt auch vom ganz großen Wurf, von radikalen Beschlüssen. Träumt von dem kompletten Aus für die Öffentlich-Rechtlichen. Oder zumindest dem Aus für einen von beiden Senderiesen. Wozu braucht es mit ARD und ZDF zwei Vollprogramme, reicht nicht ein bundesweites öffentlich-rechtliches Programm, um auch die Vorgaben zu erfüllen, die das Bundesverfassungsgericht in seinen zahlreichen Urteilen zur deutschen TV-Ordnung erlassen hat? Diese Lösung hat sehr viel für sich.