Glasfaserausbau „Hunderte Genehmigungsverfahren hängen gleichzeitig in der Luft“

Glasfaserausbau auf dem Land. Quelle: Adobe Stock

Der Chef von Unsere Grüne Glasfaser, Jens Prautzsch, kann das Geld nicht so schnell für den Ausbau des schnellen Internets ausgeben, wie er will. Veraltete und uneinheitliche Prozesse in den Baubehörden bremsen ihn aus.

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WirtschaftsWoche: Herr Prautzsch, der Glasfaserausbau dauert vielen zu lange. Was klemmt?
Jens Prautzsch: Die Strukturdefizite in Deutschland sind das Nadelöhr. Die sind auch mit Milliardenversprechen an öffentlichen Geldern nicht zu lösen. Das Geld und die Baukapazität sind da, und dennoch gelingt es uns nicht, das schnell genug an die richtige Stelle zu bringen. Dabei sind wir willens und fähig, Glasfaser überall zu verlegen.

Was meinen Sie konkret?
Flaschenhals sind umständliche Genehmigungsprozesse, die sind von Bundesland zu Bundesland anders. Auch regionale Vorschriften divergieren. In den Bauämtern fehlen die Ressourcen. Die Verfahren sind de facto nicht digital, hier heben sich nur Rheinland-Pfalz und Hessen positiv hervor, wo zumindest Teilprozesse digitalisiert sind. Auch bei den Genehmigungen der Bahn mit den verschiedenen Vorschriften in den jeweiligen Ländern wird es schnell kompliziert.

Das erinnert an die Gesundheitsämter in der Coronakrise. Könnten sich nicht alle Beteiligten für ein gemeinsames digitales System entscheiden?
Gremien dafür gibt es, aber das ist nicht so einfach. Parteipolitik und individuelles Vorgehen einzelner Bundesländer erschweren einen schnellen, flächendeckenden Ausbau. Unsere Nachbarn im Norden Europas haben es vorgemacht: Die sind viel effizienter aufgestellt, weil die Politik eindeutige Regeln vorgibt. Das macht deren Infrastruktur attraktiv. Wir dagegen tun uns mit unserem föderalen System schwer, auch nur die Spielregeln zu definieren. Deshalb sind unsere Prozesse weder digital, noch schnell.

Jens Prautzsch

Was bedeutet das für Ihr Unternehmen im Alltag?
Die Genehmigungen sind unser Hauptthema. Hunderte von Genehmigungsverfahren hängen permanent gleichzeitig in der Luft. Die verfolgen wir Woche für Woche genau, immer startbereit, um zu wissen, wo wir als nächstes bauen können. Das bremst unser Ausbautempo aus.

Aber angesichts des Facharbeitermangels fehlen doch auch Bautrupps, die die Kabel verlegen.
Hier hilft unsere spanische Muttergesellschaft Telefónica: Wir können auf Kapazitäten aus Spanien zugreifen. Dabei handelt es sich um spanische Partner-Baufirmen, die uns ihre Trupps nach Deutschland schicken und die hier wiederum mit deutschen und anderen europäischen Subunternehmen zusammenarbeiten.

Geschäftsführer Jens Prautzsch. Quelle: Unsere Grüne Glasfaser

Liegt Ihr Problem dann nicht auch an der zusätzlichen sprachlichen und kulturellen Barriere, wenn spanische Baufirmen für Sie die Anträge bei Bauämtern stellen?
Die meisten unserer Subunternehmer kennen sich schon von früheren Einsätzen sehr gut in Deutschland aus. Außerdem unterstützen wir sie nach Kräften. Wir haben im Baubereich 80 bis 90 eigene Mitarbeiter. Es handelt sich um ein strukturelles und prozedurales Problem quer durch Deutschland – nicht um ein Problem bei unseren Subunternehmern. Und weil das Thema oft in Landesverantwortung liegt, kann auch die Gigabit-Strategie des Bundes keine vollständige Lösung liefern.

Setzen Sie das umstrittene Trenching, wo in die Straßenoberfläche nur ein Spalt für das Kabel geschlitzt wird, statt den Boden aufzugraben?
Bisher ist das eher die Ausnahme, wir verlegen die Kabel hauptsächlich im klassischen Tiefbau. Aber in vielen Bereichen würden wir lieber moderne Verlegetechniken wie das Trenching einsetzen – das ginge erheblich schneller und kosteneffizienter. Gemeinden stehen der Technologie aber defensiv gegenüber, weil unklar ist, wer bezahlt, falls es später Schäden gibt. Im Rahmen der Gigabit-Strategie des Bundes gibt es die Idee eines Fonds, der bei späteren Schäden aufkommen würde. Doch existiert dieser Fonds aktuell nur auf dem Papier.

Machen Sie sich angesichts der Milliarden, die Sie verbuddeln, keine Sorgen, dass Glasfaser angesichts des schnell realisierten Satelliten-Internets von Starlink und Anbindungen via 5G schnell obsolet wird?
Die beste Technologie, die uns zur Verfügung steht, ist die Glasfasertechnologie. Das wird sie auch die nächsten 50 Jahre und vermutlich sogar länger bleiben. Glasfaser sollte für jeden Haushalt zur essenziellen Grundversorgung dazugehören wie Strom und Wasser. Internet per Satellit ist nicht nur von der Übertragung schlechter, sondern kostet für den Endkunden auch mehr. Das kann, genau wie 5G-Lösungen, nur als eine Ergänzungslösung gesehen werden, wo sich Kabel nicht leicht verlegen lässt – auf einer Bergspitze zum Beispiel.

Glasfaser-Vermarktungsoffensiven in Kleinstädten finden nicht immer genügend Haushalte, die mitmachen. Hat die Bevölkerung am Thema Glasfaser weniger Interesse als Politik und Unternehmen?
Auf dem Land, wo wir ausbauen, ist die Begeisterung groß. Aber in Kleinstädten erkennt aktuell noch nicht jeder, dass Glasfaser das Medium der Zukunft ist. Die Qualität der heutigen Versorgung ist dort gerade noch gut genug. Aber versuchen Sie mal, über das Kupfernetz ins Internet zu gehen, wenn Sie mehr als ein paar hundert Meter vom Verteilerkasten entfernt wohnen. Da kommen selten 50-Mbit-Übertragungsrate an, Videokonferenzen laufen nicht. Für kleinere Gewerbetreibende ist das eine Katastrophe. Wir von der UGG investieren unabhängig von einer Vorvermarktung. Wir haben auch schon an Orten ausgebaut, wo die Vorvermarktung eines Konkurrenten gescheitert war.

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Wie kann sich das für Sie rechnen, wenn Ihre Konkurrenz den Ausbau für unrentabel erachtet?
Wir bewegen wir uns in Gegenden, die nur eine kurze Distanz vom Backbone des O2-Mobilfunknetzes und der Festnetzstandorte entfernt sind – die gehören auch zu unserem Gesellschafter Telefónica. So halten sich unsere Anschlusskosten im Rahmen. Wir bauen und betreiben das Netz. Über eine IT-Plattform schaltet jeder Dienstleister gegen eine monatliche Gebühr eigene Kunden auf die Leitung.

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