Grüner Punkt Wie sich die Müll-Branche selbst zerfleischt

Seite 3/4

Novelle hat den Wert des Unternehmens gesteigert

Vor allem DSD prangerte diese Entwicklung an. Als Marktführer litt das Unternehmen besonders unter den schwindenden Lizenzeinnahmen. Große Kunden sprangen ab und wechselten zur Konkurrenz, die auch dank Schlupflöchern wesentlich billigere Angebote machen konnten. „Die Praxis hat den Markt ruiniert“, schimpft DSD-Geschäftsführer Stefan Schreiter.

Zwischenzeitlich haben die Schummeleien ein Loch von hochgerechnet 100 Millionen Euro in das System gerissen. So viel Geld mussten die Dualen Systeme in diesem Jahr zusätzlich aufbringen, um die Entsorger weiterhin bezahlen zu können. Erst Mitte vergangener Woche konnten sich die Kontrahenten über weite Strecken einigen, wer welchen Anteil dieser Kosten trägt. Offen blieb ein Betrag von rund 21 Millionen Euro, den DSD und Interseroh übernehmen müssten. Die beiden Unternehmen haben jedoch Schwierigkeiten, das Geld aufzubringen.

270.000 Tonnen Plastikmüll treiben auf den Weltmeeren
Fast 270.000 Tonnen Plastikmüll treiben einer neuen Studie zufolge auf den Ozeanen der Erde. Das sei so viel Abfall, wie nicht einmal in 38 500 Müllwagen passen würde, schätzt eine am Mittwoch in dem Fachjournal „Plos One“ veröffentlichte Studie. Es handele sich dabei um mehr als fünf Billionen Einzelteile, heißt es in der Untersuchung. Um zu den Zahlen zu kommen, hatten Forscher zu See mit einem Maschennetz kleine Abfallteilchen gesammelt. Beobachter auf Booten zählten größere Gegenstände auf dem Wasser. Mit Computermodellen wurde für nicht untersuchte Gebiete hochgerechnet, wie viel Müll auch dort schwimmt. Die Studie bezieht sich lediglich auf Plastikabfall an der Wasseroberfläche. Wieviel Material auf dem Meeresboden liegt, erforschten die Wissenschaftler nicht.Foto: NOAA/PIFSC Quelle: Presse
Im Meer vor Griechenland treiben Plastiksäcke. Das Bild stammt aus dem Jahr 2008.Foto: Gavin Parson/Marine Photobank Quelle: Presse
Plastikmüll als Habitat für Meeresbewohner im Pazifik.Foto: Lindsey Hoshaw Quelle: Presse
Angeschwemmter Plastikmüll vor der Küste von Tromsø in Norwegen.Foto: Bo Eide Quelle: Presse
Angeschwemmter Plastikmüll vor der Küste von Kanapou in den USA.Foto: NOAA/Marine Debris Program Quelle: Presse
Vor der Küste von Hawaii sind etliche Netze angeschwemmt worden.Foto: Chris Pincetich/Marine Photobank Quelle: Presse
Kein seltener Bild: Eine Robbe hat sich in einem Treibnetz verfangen, USA, 2009.Foto: Kanna Jones/Marine Photobank Quelle: Presse

Die Konkurrenz wirft dem Marktführer DSD hinter vorgehaltener Hand vor, die ruinöse Abwärtsspirale durch die Schummeleien provoziert zu haben, auch um die Verabschiedung der Novelle zu beschleunigen. „Mit der Novelle hat DSD den Wert seines Unternehmens enorm gesteigert“, sagt ein Branchenkenner.

Als Indiz für ihre These betrachten die Kritiker die plötzliche Kündigung der Verträge mit der gemeinsamen Clearingstelle durch DSD im Februar. Denn damit sprengte der Marktführer die Regeln zur Berechnung der Marktanteile. Stattdessen mussten die Wettbewerber nun ihre Anteile aushandeln. Und das ging nur mit der Zustimmung des Marktführers. „Durch die Kündigung der Clearingverträge hat DSD den Markt erpresst“, sagt ein Wettbewerber.

Aus für Drei bis Vier Anbieter

Der Marktführer wehrt sich gegen die Vorwürfe und sieht sich sogar als Opfer von Manipulationen durch die Konkurrenz. „Wir haben bereits in den Jahren 2009 bis 2013 überproportional Kosten und damit Verantwortung übernommen und letztlich die Stabilität des Systems garantiert“, sagt Geschäftsführer Schreiter. DSD habe viele große Kunden verloren, trotzdem sei der Marktanteil nicht zurückgegangen. Allein im ersten Quartal dieses Jahres sei für DSD deshalb ein Schaden von 26 bis 30 Millionen Euro entstanden. Das Unternehmen habe im Frühjahr die Gesellschafter um eine Kapitalerhöhung bitten müssen.

Das Argument lässt die Konkurrenz allerdings nicht gelten. „Die Kündigung der Verträge hat einen Prozess in Gang gesetzt, der von DSD durchaus erwünscht war“, behauptet ein Wettbewerber. Denn zur gleichen Zeit arbeitete das Umweltministerium an Änderungen der Verpackungsordnung, weil das System in die wirtschaftliche Schieflage schlitterte.

Handel und Hersteller müssen deshalb künftig mehr bezahlen. Alle angeblich selbst zurückgenommenen Verpackungen müssen nun teuer lizenziert werden. Branchenexperten rechnen damit, dass durch erhöhte bürokratische Auflagen außerdem 60 bis 90 Prozent der Branchenlösungen wegfallen. „Die Hersteller werden für Verpackungen zahlen, die sie am Ende über die Eigenrücknahme oder Branchenlösung selbst entsorgen“, sagt Thomas Mehl, Geschäftsführer von BellandVision im bayrischen Pegnitz, Deutschlands zweitgrößtem Dualem System hinter DSD. Hermann Hüwels, Experte des deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) in Berlin, schätzt die Mehrkosten für die Wirtschaft auf mindestens 100 Millionen Euro.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%