Güterbahnen erhöhen die Preise Preisschock auf der Schiene: Wie die Energiekrise den Güterbahnen schadet

Quelle: imago images

DB Cargo erhöht die Preise um bis zu 45 Prozent und andere Güterbahnen ziehen mit. Die Branche ächzt unter der gestiegenen Energiekosten und hofft auf staatliche Förderung. Fällt die aus, wäre der Lkw der Krisengewinner.

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Fast 3000 Tonnen Stahlschrott transportiert Sebastian Will jeden Monat zu den Gießereien und Stahlwerken der Republik. Tausende Kilometer an Fahrten – bislang nahezu alles mit dem Lastwagen. „Geplant war, mehr Volumen mit dem Zug zu transportieren, auch um CO2 einzusparen“, sagt der Schrotthändler der Firma Heinz Will aus Mainaschaff. Der klimafreundliche Bahnverkehr sei jedoch jetzt kein Thema mehr. In der vergangenen Woche bekam Will per Mail ein Schreiben von DB Cargo, der Unternehmenstochter der Deutschen Bahn. Betreff: „Anpassung der Standardtarife und weitere Bestimmungen“. Ab Januar verteuert sich der Zugtransport für Händler Will um 45 Prozent. „Das konterkariert sämtliche Klimabemühungen“, sagt Will.

Die Mails verschickt die DB Cargo seit Mitte November an alle ihre Kunden. Die Preiserhöhungen variieren dabei deutlich. Kunden ohne Rahmenverträge, die die Schiene nur gelegentlich nutzen, sollen einem Insider zufolge ab Januar auch schon mal bis zu 50 Prozent Aufpreis zahlen. Die ganz große Mehrheit trifft das weniger. Mehr als 99 Prozent der Güterbahnkunden haben individuell ausgehandelte Verträge abgeschlossen. Doch auch die Preise für Listen-Kunden mit langfristigen Rahmenverträgen steigen, wenn auch geringer: um geschätzt 20 bis 40 Prozent.

Die Kostenspirale auf der Schiene trifft nicht nur DB Cargo. Auch andere Güterbahnen sehen sich gezwungen, ihre Preise zu erhöhen. In der Branche ist allgemein von 20 bis 30 Prozent höheren Preisen die Rede. Der Schienensektor blickt daher besorgt in die Zukunft. Güterbahnen sehen sich als Treiber der Klima- und Verkehrswende und sollten doch eigentlich davon profitieren, dass sich Deutschland und Europa klimaneutral machen will. Doch der Energiepreisschock macht Bahnstrom teurer – und benachteiligt die Güterbahnen im Vergleich zum Lkw, der beim gestiegenen Diesel-Preis vergleichsweise geringer belastet wird. Fällt die Verlagerung der Transporte von der Straße auf die Schiene nun aus?

Wie viel ein Kunde im Schienentransport am Ende bezahlt, machen die Bahnen davon abhängig, welche Gütermengen sie über welche Distanzen transportieren und welchen Aufwand sie für den Transport betreiben. Müssen Waren zunächst mit Lastern an einen Bahnhof befördert und anschließend von einem größeren Team bearbeitet werden, wird es teuer.

In ihrem Kundenschreiben begründet DB Cargo die Mehrkosten vor allem mit „steigenden Erzeugerpreisen“, insbesondere für Energie. Der Strompreis habe sich innerhalb eines Jahres verachtfacht, während der Dieselpreis nur doppelt so teuer geworden ist. Allein bei DB Cargo werde 95 Prozent der Traktionsenergie „elektrisch erbracht.“

DB Cargo ist das Sorgenkind der Deutschen Bahn

Teurer wird nun der gesamte Leistungskatalog. So steigt etwa das Wiegen der Waggons von 67 auf 97 Euro, die Reinigung nach dem Verladen von Gütern kostet nun 50 Euro. Das Ziel bei DB Cargo sei mindestens, die „Mehrkosten zu decken“, vielleicht sogar die „Chance auf einen geringen Gewinn zu erhalten“, sagt ein Insider. Ob das gelingt, ist fraglich. DB Cargo gilt als das Sorgenkind des Unternehmens. Auch für dieses Jahr wird ein hoher Verlust erwartet.

Allerdings setzt DB Cargo wie kaum eine andere Güterbahn auf volkswirtschtlich wichtige Sondertransporte. Die meisten Güterbahnen fahren Ganzzüge für Großkunden von A nach B. Dieses Geschäft betreibt auch DB Cargo. Die Deutsche-Bahn-Tochter setzt aber zusätzlich auf den sehr teuren Einzelwagenverkehr: Einzelne Güterwaggons werden auf hochkomplexen Zugbildungsanlagen zu einem Zug zusammengekuppelt. Die Produktion ist personalintensiv – und sorgt jedes Jahr für hohe Verluste. Stahlhersteller und vor allem Chemieunternehmen drängen darauf, dass der Einzelwagenverkehr auch in Zukunft eine Zukunft hat. Die Bundesregierung will den Einzelwagenverkehr staatlich fördern. Auch die Trassenpreisförderung geht in die Verlängerung.

Das allein wird die Nöte der Güterbahnen nicht eliminieren, aber immerhin lindern. Der Kostendruck in der Branche ist immens. Um die Kosten zu decken, erhöhte etwa DB Cargo in der Vergangenheit die Preise jährlich mal um drei, mal um sechs Prozent. Im Sommer soll das Unternehmen die Teuerung für Energie von umgerechnet fast zehn Prozent mittels bestimmter Klauseln an die Kunden weitergereicht haben. Am Ende waren die sogenannten Indexkosten für die Energie wohl trotzdem zu hoch. Über die Jahresfrist sollen sie sich nach Informationen der WirtschaftsWoche verdreifacht haben – zu viel für das energieintensive Geschäft von DB Cargo, bei der der Strom allein 20 Prozent der Produktion ausmacht.

Vor allem: Das Schlimmste steht möglicherweise erst bevor. Bahnstromverträge laufen in der Regel langfristig. Bahnstromanbieter wie DB Energie, ebenfalls eine Tochter der Deutschen Bahn, hedgen den Einkauf von Strom langfristig. Das heißt: Die größte Kostenbelastung dürfte erst in 2023 und Folgejahren auf die Güterbahnen zukommen.

„Dass Preiserhöhungen kommen, war klar. Doch der Umfang ist heftig“, heißt es beim Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE), deren Mitglieder zu einem Drittel die Schiene nutzen, um Waren zu transportieren. Eine solche Preispolitik sei absolut indiskutabel und sende ein völlig falsches Signal in den Markt, findet BVSE-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock. Ähnlich klingt das beim Bundesverband der Deutschen Industrie: Höhere Preise bremsten die zum Erreichen der Klimaziele dringend benötigte Stärkung der Schiene und förderten eine Rückverlagerung auf die Straße.

Ob in dieser Situation der Staat als der Haupteigentümer der Deutschen Bahn dem Unternehmen zu Hilfe eilt, ist bislang unklar. Laut Unternehmenskreisen wird über eine Strompreisbremse für die Güterbahnen zumindest spekuliert. Sollte die Politik sie tatsächlich beschließen, wäre das eine Millionenspritze auch für all die Unternehmen, die mehr Waren auf die Schiene schaffen wollen.

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Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) glaubt sogar, an diesem Punkt schon einen Haken machen zu können. Die gerade beschlossene Strompreisbremse für die Industrie sei auch auf Bahnunternehmen anwendbar. Zumindest „scheint dies der Fall zu sein“, heißt es in einem Brief des VDV an das Bundeswirtschaftsministerium, der der WirtschaftsWoche vorliegt. Für die Branche wäre das eine gute Nachricht – vielleicht sogar auch für die Stahlschrotthändler.

Lesen Sie auch: Die leise Trennung der Spedition DB Schenker vom Bahn-Konzern

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