Michael Ellis erstaunte seine Zuhörer sehr. Der Amerikaner, der seit mehr als 20 Jahren in Frankreich lebt und als Chef des Inspektorenteams des Guide Michelins die letzte Instanz der Vergabe von Sternen ist, sprach Deutsch. Denn das ist, will man Ellis Glauben schenken, die Sprache der Stunde in der Gastronomie. Gleich nach Französisch natürlich.
Der Guide Michelin - und seine Köche
Die Michelin-Sterne werden in Frankreich seit 1926 vergeben, in Deutschland seit 1966. Ein Stern steht für ein sehr gutes Restaurant in seiner Kategorie, zwei für eine hervorragende Küche und drei für eine der besten Küchen, die eine Reise wert sind.
Bundesweit vergaben die Tester des "Guide Michelin" 37 neue Sterne. Mit nun insgesamt 255 Sterne-Adressen habe die deutsche Gastronomie-Landschaft eine "neue Rekordzahl" erreicht.
Allein drei der zehn deutschen 3-Sterne-Häuser befinden sich in Baden-Württemberg, zwei jeweils in Niedersachsen und im Saarland. Aber auch Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen können mit je einem Restaurant der Spitzenklasse aufwarten.
In der Spitzenkategorie der 3-Sterne-Restaurants erzielt Deutschland mit mittlerweile zehn Häusern einen neuen Höchststand. Die Tester des "Guide Michelin" nahmen das Lübecker Restaurant "La Belle Epoque" mit seinem erst 35 Jahre alten Küchenchef Kevin Fehling in den illustren Kreis auf. Europaweit hat den Angaben zufolge nur noch Frankreich mehr Adressen mit der höchsten gastronomischen Auszeichnung.
Sieben neue 2-Sterne-Häuser wurden in den "Guide 2013" aufgenommen. Erstmals in Deutschland ist mit Küchenchefin Douce Steiner von dem Restaurant "Hirschen" im baden-württembergischen Sulzburg eine Frau in dieser Kategorie ausgezeichnet worden. Außerdem neu: der Berliner Küchenchef Tim Raue und sein gleichnamiges Lokal, das bayerische Haus "Il Giardino" (Bad Griesbach) und die "Villa Merton" in Frankfurt am Main. Die Zahl der 2-Sterne-Restaurants liegt dem "Guide Michelin" zufolge nun bei 36 und hat sich damit seit 2010 verdoppelt.
Sogar 29 Küchenchefs haben es neu in die Kategorie der 1-Stern-Restaurants geschafft, die jetzt bei 209 Häusern liegt. Neun von ihnen liegen in Nordrhein-Westfalen, darunter das "Enzo im Schiffchen" in Düsseldorf und "Bembergs Häuschen" in Euskirchen. An zweiter Stelle mit acht neuen 1-Stern-Häusern liegt Baden-Württemberg. Hier wurden unter anderem das "Erbprinz" in Ettlingen und das "Yosh" in Stuttgart ausgezeichnet.
Von den 24 Restaurants, deren Sterne im neuen "Guide Michelin gestrichen wurden, haben 8 geschlossen beziehungsweise schließen zum Jahresende. Abgestuft wurden unter anderem das "Quadriga" in Berlin und das "Brenners Park-Restaurant" in Baden-Baden.
Ellis präsentierte am Mittwoch in Berlin den neuen Guide Michelin 2013 und - nach einer kurzen Vorrede auf Deutsch - erklärte, dass es zwischen Binz und Bodensee dieses Jahr im Prinzip nur aufwärts ginge. Die Dynamik sei nirgendwo so stark wie in Deutschland und das Land der Dichter, Denker und Ingenieure nun nach Frankreich auf Platz zwei der Nationenwertung. 255 Restaurants haben sich mindestens einen Michelin-Stern erkocht, so viel wie nie zuvor. In der höchsten Kategorie mit drei Sternen ist ein neuer Koch hinzugekommen, Kevin Fehling, vom Belle Epoque in Travemünde an der Ostsee.
Aufsteiger der 2-Sterne-Kategorie
Gleich sieben Köche dürfen sich über einen zweiten Stern freuen, darunter Tim Raue aus Berlin, Karl Heinz Hauser aus Hamburg oder Douce Steiner aus Sulzburg. Andere, die Gourmetkritiker wie Bernd Matthies aus Berlin vom Tagesspiegel auf dem Schirm hatten, bekamen keine höhere Weihe, wie zum Beispiel Michael Hoffmann vom Margaux in Berlin. Es gibt also auch weiterhin Grund für Debatten über die Kriterien der Inspektoren, die, wie Ellis betonte, stets bezahlten und international reisten, so das japanische Tester in Spanien und US-Amerikanische in Deutschland speisten und bewerteten.
Künftig ist auch der Gast Juror
Mitdiskutieren dürfen künftig alle Restaurantbesucher. Denn weit einschneidender als die Sternvergabe sind die Änderungen des Geschäftsmodells des Guide Michelin, der "roten Bibel", wie sie oft unter Köchen und Feinschmeckern genannt wird. Sämtliche Inhalte über Restaurants sind von Mittwoch 15.00 Uhr an im Internet unter www.restaurants.michelin.de nachzulesen. Dann wird die Datenbank freigeschaltet, die der Konzern bereits Anfang des Jahres für den französischen Markt vorstellte.
Nun kann jeder Gast sich beim Michelin anmelden und dort seine eigenen Eindrücke schildern und bis zu fünf Punkten vergeben. Diese haben keinen Einfluss auf die Bewertung der Sterne. Dafür müssen Nutzer Datum des Besuchs und ihre Emailadresse eingeben. Die Kommentare sollen, so der Michelin, alle vor Veröffentlichung von geschultem Personal gegengelesen werden.
Gastronomen wiederum können sich in die Datenbank kostenlos eintragen lassen, oder mit einem Premiumpaket für 69 Euro pro Monat weitere Möglichkeiten der Darstellung erwerben. Für das gedruckte Papier ist damit, ohne dass Ellis es so bestätigen wollte, die Daseinsberechtigung nahezu abhanden gekommen. Lediglich die Hoteltipps, die lange nicht den Einfluss in der Branche haben, wie die Restaurant-Bewertungen, werden nicht im Internet zur Verfügung stehen.
Die Führer stünden im Umbruch und noch gäbe es ähnlich wie bei Zeitungen keine endgültigen Antworten, wie das Geld künftig verdient werden könne. Doch der Wandel der Mediennutzung zwinge auch den Michelin dazu, sich den neuen Gewohnheiten der Gäste zuzuwenden. Neben dem Portal stehen auch für Mobiltelefone Apps zur Verfügung - für iPhone und Android. Wer hingegen ein Blackberry nutzt hat Pech. Oder kauft das Buch.