Guillaume Cerutti Wie der neue Chef Christie's umbaut

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Das Quasiduopol im Kunstmarktgeschäft

Alle Zeichen stehen also auf Boom im Kunstmarkt – wieder einmal? Was die wachsende Anzahl kaufkräftiger Kunden anbetrifft, mag das sein. Etwas ganz anderes sind die Beschaffung hochwertigen Nachschubs und Geschäftsergebnisse. Christie’s, das führende Kunsthandelsunternehmen weltweit, 1766 von James Christie gegründet, heute im Besitz des französischen Unternehmers und Kunstmäzens François Pinault, dominiert zusammen mit dem Konkurrenten Sotheby’s als Quasiduopol das Kunstgeschäft im Höchstpreissegment.

Und doch schrumpfte im Jubiläumsjahr 2016 der Absatz um 16 Prozent auf vier Milliarden Pfund. Cerutti hofft, nur eine kleine Delle, nichts weiter. Potenzielle Einlieferer seien mit Blick auf die weltpolitische Lage verunsichert gewesen. Schon aber wende sich das Blatt erneut. Der Markt, angetrieben vom Kaufinteresse neuer Sammler, belebe sich. Starke Auktionen in London für Impressionisten und Gegenwartskunst, Rekordverkäufe bei der Asia Week New York und positive Signale im Vorfeld der großen Mai-Auktionen in New York: „Die Lage ist im Moment dramatisch anders als 2016.“

Der Frage allerdings, ob Christie’s die Erholung mit Garantien für Einlieferer künstlich erzeuge, weicht Cerutti aus: „2016 war es deutlich weniger als 2015 ... Im Februar war es nur eine Handvoll ... Im Moment kann ich noch nicht sagen, wie es in New York aussehen wird ...“ Dabei weiß man, dass das Auktionsgeschäft durch Garantien – die Zusicherung einer Mindestsumme, oft durch dritte Parteien finanziert – abgesichert wird: Das Auktionshaus riskiert einen Verlust, wenn sich das Los nicht verkauft. Oder aber seine Marge sinkt, weil externe Garanten am Auktionsgewinn mitverdienen. Angeblich sollen dieses Jahr bei den Londoner Versteigerungen von Sotheby’s 15 und von Christie’s 10 Lose garantiert worden sein. Im „Art Market 2017“-Report heißt es sogar, dass immer noch die Hälfte der Lose mit Garantien ausgestattet sei.

Künftige Gewinne erhofft sich Cerutti von der Digitalisierung des Kunstmarktes: „Das Internet ist ein fantastischer Kanal, um neue Käufer zu rekrutieren und Objekte von relativ niedrigem Wert zu verkaufen.“ Vor allem jüngere Interessenten fänden übers Netz leicht Zugang zu Auktionen. 2016 verdoppelte sich die Zahl der reinen Onlineauktionen bei Christie’s auf 118; ein Drittel der Neukunden kommt übers Internet. Bisher machen die Onlineumsätze gerade mal ein Prozent des Gesamtgeschäftes aus, aber Cerutti beobachtet, dass die „Kunden zunehmend bereit sind, auch höherwertige Ware im Internet zu kaufen“. Hinzu kommt, dass die Kunden vermehrt mit Kunstwerken auch deren Geschichte einkaufen wollten: die Geschichte des Kunstwerkes selbst und auch die seiner Vorbesitzer. Der Wissensvermittlung und Kunsterziehung komme daher eine ganz neue Bedeutung zu, sagt Cerutti.

Foto und Design - die Vorlieben des Chefs

Und wie sieht es mit seinen eigenen Vorlieben aus? Cerutti hat eine beeindruckende Karriere in der Kunstwelt hingelegt. Er war bereits mit 30 Jahren Geschäftsführer des Pariser Centre Pompidou, wechselte 2007 als Geschäftsführer Frankreich zu Sotheby’s, stieg zum stellvertretenden Chairman in Europa auf und wechselte 2016 zu Christie’s, wo man ihn kurz darauf ganz nach oben beförderte. Guillaume Cerutti befasst sich seit einem Vierteljahrhundert beruflich mit Kunst. Doch wenn es um seine private Sammlerleidenschaft geht, wird er schmallippig. Was hängt bei ihm zu Hause an der Wand? „Ich will keine Namen nennen.“ Er kaufe Fotokunst, so viel immerhin lässt er sich dann doch noch entlocken, und er schätze den dänischen Möbeldesigner Verner Panton. Foto und Design? Wenn das mal keine Trendsignale sind.

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