Hans im Glück, Peter Pane, L'Osteria Corona-Folge: Gastroketten machen Lieferando Konkurrenz

Quelle: PeterPane/PeterBringt's

Einige Gastroketten sind erstaunlich gut durch das Corona-Jahr gekommen. Auch, weil sie im ersten Lockdown den Delivery-Service für sich entdeckt haben. Der hauseigene Bringdienst läuft so gut, dass er bei L’Osteria, Peter Pane und Hans im Glück ein fester Bestandteil geworden ist – schlecht für Lieferando.

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Der erste Lockdown im Frühjahr war hart – und lehrreich. Patrick Junge, Chef der Peter-Pane-Restaurants, machte rund 70 Prozent des normalen Umsatzes, weil seine Servicemitarbeiter Tablett gegen Fahrrad und Cocktailmixer gegen Auto tauschten. Sie lieferten den Kunden die Burger nach Hause statt an den Tisch. „Peter bringt’s“ heißt der Lieferservice, den er damals startete. „Er war aus der Not geboren, irgendwie weitermachen zu wollen“, berichtet der Gründer der Burgerkette, die deutschlandweit mittlerweile 40 Restaurants hat.

Als im März der erste Lockdown kam, beauftragte Junge die eigene IT-Abteilung damit, einen Online-Shop zu bauen, besorgte Fahrräder und schon am 19. März ging die Internetseite „Peter bringt’s“ live. Das war der Startschuss für den hauseigenen Lieferdienst. In einem Umkreis von fünf Kilometern um die – damals noch 35 – Restaurants wurde geliefert, gezahlt vorab digital.

Mit diesem Rezept gegen den Corona-Lockdown war Peter Pane nicht allein. Während Ketten wie die Burgerbraterei Burgerista oder Nordsee vorübergehend schlossen und auf Außer-Haus-Geschäfte verzichteten, bewarben auch der direkte Pane-Konkurrent Hans im Glück und die auf Pizza und Pasta spezialisierte Kette L’Osteria ihr Außer-Haus-Geschäft. Hans im Glück lieferte verstärkt über den Transportdienst Lieferando, L’Osteria startete am 6. April einen eigenen Online-Shop und setzte die eigenen Servicekräfte ein, die Pizza und Pasta mit Leihwagen auslieferten. Dazu kooperierte L’Osteria zeitweise mit dem Mietwagenanbieter Sixt.

Und das mit Erfolg. Natürlich war das Geschäft im Lockdown bei keinem der Restaurants vergleichbar mit einem normalen Quartal mit voll belegten Tischen, aber die Umsätze der Lieferdienste machten Hoffnung. Der Lieferdienst sei auch in der Zeit nach dem Lockdown ein „beeindruckend wachsender Vertriebsweg“ geworden, sagte Hans-im-Glück-Geschäftsführer Johannes Bühler der WirtschaftsWoche.

Inzwischen finden die Gastroketten gar Gefallen an ihrem hauseigenen Lieferservice. Sie wollen daran festhalten – und machen damit dem bisherigen Liefer-Monopolisten Lieferando Konkurrenz.

Sei es bei Pane, Hans oder L’Osteria – überall waren die Lieferdienst-Umsätze auch nach dem Ende des Corona-Lockdowns so solide, dass die Lieferungen den Sommer über zum festen Bestandteil der Angebote wurden – zusätzlich zum klassischen Inhouse-Geschäft. Peter Pane etwa machte laut Junge im Zeitraum zwischen Juli und Oktober rund 15 Prozent des Umsatzes mit dem Bestellservice. Infolgedessen stellte die Lübecker Gastrokette im Sommer 250 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Liefern ein. Bei L’Osteria entschied man sich zeitgleich dazu, statt auf eine Leihflotte auf eigene Autos zu setzen, um das Liefergeschäft weiter zu stärken.

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Die Coronakrise zeigte damit jenen Gastroketten, die auf das Erlebnis-Dinieren im stilistisch gut durchdachten Restaurantraum fokussiert waren, plötzlich unerwartete neue Geschäftsmöglichkeiten. Die Mitnahme oder das Liefern der Speisen wurde ein echtes Zusatzangebot, das Einnahmen generiert. Der Verlierer dieser Entwicklung könnte Lieferando sein, das deutsche Bestellportal des holländischen Konzern Just Eat Takeaway. Alle drei Gastroketten nutzten in der Vergangenheit einst ausschließlich das Full-Service-Angebot von Lieferando: mit orangenem Design im Internet und orangenen Fahrern mit Lieferando-Branding. Dafür zahlten sie eine nicht unerhebliche Provision an den Dienstleister. Diese Zeiten sind womöglich bald ganz vorbei.

Peter Pane und L’Osteria haben mit ihren eigenen Online-Shops und Fahrern bereits den Schritt in die Unabhängigkeit vom Lieferdienst-Monopolisten gewagt – und scheinen bislang zufrieden mit dieser Entscheidung zu sein. Nun bauen sie ihre eigenen Systeme weiter aus.

Geld scheint dabei derweil nicht die alles entscheidende Rolle zu spielen. Peter-Pane-Geschäftsführer Junge nennt auch Geschwindigkeit, Qualität und Zuverlässigkeit als Gründe, die in seinen Augen für einen eigenen Dienst sprechen. Schon vor Corona habe man sich im Hause Pane immer wieder darüber geärgert, dass nicht genug Lieferando-Fahrer verfügbar waren, obwohl es mehr Kunden und auch genügend Kapazitäten in der Küche gegeben hätte. Auch an der Pünktlichkeit und der Schnelligkeit habe es immer wieder gehapert. „Und gerade bei unseren Gerichten kommt es darauf an, dass die Produkte schnell und heiß zugestellt werden – sonst leidet die Qualität enorm“, so Junge. Das kann sich jeder vorstellen: Frische, heiße Pommes werden in Plastik verpackt mit jeder Minute matschiger.

Passender Look, passendes Rad: Peter Pane hat seinen Lieferdienst der Marke entsprechend gebrandet. Quelle: PeterPane/PeterBringt's

Die Unzuverlässigkeit sei ein weiterer Grund dafür gewesen, es mit einem eigenen Shop zu probieren. „Für uns war es dann im Lockdown einfach überlebenswichtig, dass wir so viel wie möglich liefern können – und nicht nur so viel, wie wir Lieferando-Fahrer bekommen“, sagt Junge. Die Provision von 25 Prozent, die im Falle von Peter Pane sonst an Lieferando geflossen wäre, steckt die Gastrokette nun in gebrandete Fahrräder, Kleidung und das Festgehalt der Fahrerinnen und Fahrer. Weniger Ausgaben, schätzt Junge, habe die Kette deshalb nicht für den Lieferdienst – aber eben auch in der Hand, dass der Service qualitativ hochwertig ist und zur eigenen Marke passt.

Letzteres ist für die Restaurants, die gegenüber anderen Anbietern eben deshalb hervorstechen, weil sie besonders mit ihrem Image und dem „Erlebnis Essen gehen“ spielen, ein entscheidender Faktor. Wo man „1 Pfund Fritten“ bestellen kann (Peter Pane) oder einen Salat namens „Krautknolle“ (Hans im Glück), da bringt das Unternehmen das besondere Erlebnis aus dem Restaurant natürlich besser nach Hause, wenn auf der Jacke des Lieferanten „Peter bringt’s“ steht oder „Mit Liebe gemacht – zum Genießen gebracht“ – der Slogan von L’Osteria.

Diese Gedanken hat man sich mittlerweile auch im Hause Hans im Glück gemacht. Setzte das Münchner Unternehmen bislang weiter ausschließlich auf die Partnerschaft mit Lieferando, wird auch dort das Image nun bald lieferseitig gepflegt: „Glücksbringer“ soll die hauseigene Lieferando-Alternative dort heißen. „Mein neues Baby“, nennt Chef Bühler das Projekt augenzwinkernd.

Noch sind die Abtrünnigen für Lieferando kein Problem. Die Plattform bietet nicht nur den Full-Service an, sondern zum Beispiel auch nur die eigene Verkaufsfläche. Restaurants, die selbst liefern wollen, bekommen ihren Platz auf der Lieferando-Seite zu einer vergünstigten Provision. Viele Gastroketten nutzen daher bislang eine Doppelstrategie.


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Die Frage ist, wie lange noch. Bei Ketten wie L’Osteria, Peter Pane und Hans im Glück könnten der Lieferübermacht Lieferando mittelfristig umsatzstarke Partner und Kunden dauerhaft wegbrechen. Wer erst einmal auf den Geschmack gekommen ist, dass Selbermachen viel besser funktioniert – warum sollte der noch auf Unterstützung von Dritten setzen, bei denen man als Einer unter Vielen gelistet wird?

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