Hapag-Lloyd und seine Konkurrenten Wettstreit auf den Weltmeeren

Im achten Jahr der Schifffahrtskrise ist Größe wichtiger als je zuvor. Eine Übernahmewelle überrollt die Branche, neue Reederei-Riesen entstehen. Das setzt Deutschlands größte Reederei Hapag-Lloyd unter Druck.

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Hapag-Lloyd Containerschiff auf der Elbe in Hamburg. Quelle: dpa Picture-Alliance

Als Michael Behrendt sein Amt als Chef von Hapag-Lloyd vor beinahe zwei Jahren an seinen Nachfolger Rolf Habben Jansen abtrat, gab er diesem einen guten Rat: »Size matters«, sagte er. Größe zählt.

Seitdem hat Habben Jansen bei Hapag-Lloyd vieles richtig gemacht: Unter seiner Leitung ist die Hamburger Reederei mit dem chilenischen Konkurrenten CSAV fusioniert. Im November haben die Hamburger endlich ihren Börsengang geschafft, trotz aller Schwierigkeiten.

Die größten Reedereien der Welt
Platz 10Mit einer einer Transportkapazität von knapp 600.000 TEU und einem Marktanteil von 2,8 Prozent hat es die taiwanesische Yang Ming Marine Transport Corp. in die Top 10 der weltweit größten Reedereien geschafft. Yang Ming ist mit 172 Niederlassungen in 73 Ländern vertreten und gehört damit zu den größten Transportunternehmen weltweit.Quelle: Alphaliner, Stand: Juni 2016 Quelle: dpa
Platz 10Die Orient Overseas Container Line, kurz OOCL, kann mehr als 570.000 Standardcontainer transportieren, ergibt eine Auswertung des Branchendienstes Alphaliner von Februar 2016. Das sind drei Prozent Weltmarktanteil. Damit landet das börsennotierte Unternehmen mit Sitz in Hongkong auf dem zehnten Platz der größten Reedereien der Welt.Quelle: Alphaliner, Stand: Februar 2016 Quelle: dpa
Platz 8Mit einem Transportvolumen von rund 625.000 geht die Reederei Hanjin Shipping auf dem achten Platz vor Anker. Das Unternehmen sitzt in Seoul und gehört mit weiteren Unternehmen wie der Fluggesellschaft Korean Air zur Hanjin Group. Die Schiffe von Hanjin fahren hauptsächlich zwischen Ostasien, Europa und der Westküste der USA. Mittlerweile ist Hanjin Shipping pleite. Quelle: AP
Platz 8Auf Rang Acht landet die Deutsche Reederei Hamburg Süd mit einer Kapazität von knapp 650.000 Standardcontainern. Das Unternehmen wurde 1871 von elf Hamburger Handelshäusern gegründet. Heute ist es im Besitz der Oetker-Gruppe. Quelle: dpa
Platz 5Auf Position fünf des Rankings: Die Reederei Hapag-Lloyd mit Sitz in Hamburg besitzt am 22. Februar 2016 dem Branchendienst Alphaliner zufolge eine Kapazität von 920.559 Standardcontainern. Das sind fast sechs Prozent Weltmarktanteil. Die tief gefallenen Ölpreise sorgten auch bei der größten Reederei Deutschlands für Probleme: Eine Gewinnwarnung des Weltmarktführers Møller-Maersk hatte im vergangenen Jahr den Börsengang erschwert. Die Hamburger mussten ihre Aktien billiger anbieten, um Investoren zu finden. Darunter litten auch die Großaktionäre - Tui, die Stadt Hamburg, und der Großspediteur Klaus Michael-Kühne. Quelle: AP
Platz 4Mit 927.428 Containern Kapazität schafft es Evergreen Line aus China auf Position vier. Damit hat Evergreen Hapag-Lloyd eingeholt. Die Schiffe der Flotte tragen übrigens alle auch den Zusatz „Ever“ im Namen. Quelle: REUTERS
Platz 4Durch die Fusion der China Ocean Shipping Company (COSCO) mit der China Shipping Container Lines (CSCL) ist Anfang des Jahres der Anbieter mit der weltweit größten hauseigenen Flotte im Reich der Mitte entstanden. Mit einem Transportvolumen von 1.573.498 und einem Marktanteil von 7,6% hat sich der neue chinesische Container-Riese auf Platz vier katapultiert. Quelle: dpa


Habben Jansen hat neue Kooperationen geschlossen. Er hat die Kosten reduziert. Wenn Hapag-Lloyd am Dienstag seine vorläufigen Jahreszahlen veröffentlicht, soll zumindest das operative Ergebnis endlich wieder positiv sein.

Doch auf den Weltmeeren bleibt die Situation für Hapag-Lloyd schwierig. In Deutschland ist Hapag-Lloyd schon lange die größte Reederei. International rutscht das Unternehmen in der Rangliste weiter nach unten. Vor einem Jahr kam Hapag-Lloyd auf Platz vier. Heute ist sie nur sechstgrößte Reederei der Welt. Rolf Habben Jansen muss die Frage beantworten, ob Hapag-Lloyd noch die kritische Masse hat, um beim Kräftemessen auf den Weltmeeren mithalten zu können.

Acht Jahre in der Krise

Im achten Jahr der Schifffahrtskrise ist die See rau wie nie. Es gibt zu viele Schiffe für zu wenig Containern auf den Meeren. Die Transportpreise sind im Keller. Mittlerweile ist die Not so groß, dass viele Reedereien ihre Schiffe an asiatischen Inseln oder norwegischen Fjorden abstellen, statt mit ihnen von Hafen zu Hafen zu pendeln.

Zwischen Asien und Europa, der wichtigsten Schifffahrtsroute, ist die Transportmenge im vergangenen Jahr um vier Prozent gesunken, ermittelte der Analysedienst Container Trades Statistik. Viele Reedereien schreiben Rekordverluste. Der Branchendienst Drewry prognostiziert, dass die Branche in diesem Jahr einen Verlust von fünf Milliarden Dollar anhäuft.

Die Unternehmen suchen deshalb nach Partnern, um sicher durch die schwierigen Zeiten kommen. Eine Übernahmewelle rollt über die Weltmeere. Und Hapag-Lloyd droht immer weiter zurückzufallen.

Neue Riesen-Reedereien entstehen

Gerade erst fusionierten die beiden größten Chinesischen Reedereien. Aus Cosco und China Shipping wird China Cosco Shipping Cooperation (Coscocs). An den Marktanteilen gemessen, belegt das neue Unternehmen auf Rang vier der größten Reedereien.


Wenige Wochen vorher gab die französische Reederei CMA CGM bekannt, dass sie für umgerechnet 2,2 Milliarden Euro die kriselnde Neptune Orient Lines (NOL) übernehmen werde.

»Größe ist wichtiger denn je«, erklärte Rodolphe Saadé, die Nummer zwei bei der französischen CMA CGM. Damit stärken die Franzosen ihre Position als Dritter in der Weltrangliste.

Für Hapag-Lloyd ist das schon deshalb ärgerlich, weil die Hamburger eine Vergangenheit mit der singapurischen NOL haben. 2008, im ersten Jahr der Krise, wollten die Asiaten den deutschen Konkurrenten aufkaufen. Die Stadt Hamburg und der Großspediteur Klaus-Michael Kühne verhinderten das, weil sie sich selbst für Milliardenbeträge bei Hapag-Lloyd einkauften.

Einflussreiche Großaktionäre


Zumindest Klaus-Michael Kühne hätte es den Asiaten gerne heimgezahlt und die nun kriselnde NOL selbst gekauft. Doch damit kam Kühne bei den anderen Aktionären nicht durch. Die Übernahme hätte eine erhebliche finanzielle Belastung dargestellt - vor allem nach der gerade erst erfolgten Übernahme der chilenischen CSAV.

Der Zeitpunkt stimmte nicht. Doch der Druck, sich weiter zu vergrößern, bleibt. »Es wäre für uns hilfreich, noch größer zu sein«, sagte Habben Jansen selbst bei einem Journalisten-Gespräch im Januar. »Wir sind offen für Möglichkeiten.«
Er weiß, in der Schifffahrt gilt: Die Größten haben die größten Vorteile. Die Branchenriesen haben Skalenvorteile beim Spriteinkauf, bei der Wartungen und dem Einsatz ihrer Schiffe. Während sie ihre Flotten weltweit flexibel einsetzen können, müssen Reedereien mit weniger Schiffen genauer überlegen, welches sie wohin schicken.

Chaos um Reeder-Allianzen

Auch deshalb haben sich die Reedereien in den vergangenen Jahren zu Allianzen zusammengeschlossen, in denen sie ihre Schiffe und Routen gemeinsam planen und verteilen. Diese Konstrukte geraten durch die Fusionen ins Wanken.

Die Allianzen der Reedereien

Hapag-Lloyd bildet mit fünf weiteren Reedereien die Allianz G6, zu der bisher NOL gehörte. Mit der Übernahme durch CMA CGM scheidet NOL wohl bald aus der Kooperation aus.

Schon kursieren Gerüchte, dass die Franzosen von CMA CGM gerne eine völlig neue Kooperation gründen würde, die in ihren Ausmaßen alle anderen Kooperationen übertreffen soll. Dazu wolle sich CMA CGM mit der neuen chinesischen Coscocs und deren Landsmännern Evergreen und OOCL zusammentun, berichtet der Branchendienst Alphaliner. Die neue Allianz wäre damit noch größer als die Kooperation 2M der Branchenführer Maersk und MSC.

Wetteifern um Rang 5

Vor allem würde dadurch auch die Reederei Evergreen gestärkt, mit der Hapag-Lloyd nun schon seit Jahren um den fünften Rang in der Weltrangliste wetteifern muss. Kurzzeitig konnte Hapag-Lloyd Evergreen durch die Fusion mit CSAV überholen.

Mittlerweile haben die Chinesen wieder mehr Marktanteile und ein wesentlich volleres Orderbuch. Mehr 40 neue Schiffe haben die Chinesen nach Daten des Analysedienstes Alphaliner bestellt, darunter elf Schiffe der höchsten Größenklasse mit einer Kapazität von mehr als 20.000 Standardcontainern.

Hapag-Lloyd hingegen hat seine Überlegungen, in den Markt der Mega-Containterschiffe einzusteigen, aufgegeben. Stattdessen haben die Hamburger gerade verkündet, dass sie zwei neue Schiffe für den Südamerika-Verkehr gekauft haben. Mit einer Kapazität von 3500 Standardcontainern zählen die eher zu den Zwergen der Branche.

Immerhin ist das Geschäft mit den Warenströmen innerhalb Südamerikas wesentlich profitabler als das Wettrennen auf den großen Weltmeeren. Damit »stärken wir auch unsere Position in einem attraktiven Nischenmarkt«, sagte Hapag-Lloyd-Vorstand Anthony Firmin.

Fokus auf die Nischen statt Wettstreit um die Rennstrecken: Habben Jansen scheint das für die kommenden Jahre als richtige Strategie für Hapag-Lloyd zu sehen. Er bleibt optimistisch.

2016 soll Hapag-Lloyd die Wende ganz geschafft haben, dann will Habben Jansen auch unter dem Strich endlich wieder schwarze Zahlen schreiben - und den Aktionären vielleicht sogar endlich ihre langersehnte Dividende zahlen. Auch, wenn das heißt, auf der Weltrangliste womöglich noch weiter zurückzufallen.

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