Harald Schmidt Dirty Harrys letzter Schuss

Das war's mit der Harald Schmidt-Show. Im September kommt der Grandseigneur der deutschen Late Night zwar zurück, sichtbar aber nur für Auserwählte.  Ein Abgesang.

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Die besten Sprüche von "Dirty Harry"
Harald Schmidt Quelle: dpa/picture-alliance
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Es war kein Abgang mit Pauken und Trompeten und kein Staraufgebot verabschiedete ihn: Ihn, der einst auszog, dem Zuschauer den Zynismus zu lehren. Statt dessen leise bis hämische Töne vom Master himself, Glückwünsche von Kollegen aus dem sogenannten Sendeumfeld. Akte-Moderator Ulrich Meyer wird seine Zuschauer nie wieder nach Köln zur Harald Schmidt-Show übergeben und Nathalie Licard wird nie wieder säuseln: "Aus dem Stüdiö 449 in Köln die Harald Schmidt Show. 'eute mit"

Jedenfalls bis auf Weiteres nie mehr sichtbar für den Otto-Normal-Zuschauer, der für Film und Fußball kein Abo abgeschlossen hat. Schmidt nannte den Wechsel zum Bezahlsender Sky im Vorfeld "den Himmel auf Erden." Drückt ihn doch ab September keine Quote mehr, dann spielen nur noch die Abozahlen eine Rolle. Und die Quote war es doch, wegen der Sat.1 ihn, den großen - und einzig erfolgreichen - deutschen Late Night-Talker vor die Tür setzte.

Seit 1995 war er bei uns - mal bei Sat.1, dann bei der ARD, wieder bei Sat 1 und immer wieder im Theater. Und wir sind ein bisschen müde geworden. Schon lange ist der Hype verflogen, lange hat niemand mehr aufgeregt gefragt: "Hast du gestern Harald Schmidt gesehen?" Nicht jedes zweite Gespräch in der Kaffeeküche dreht sich mehr um Dirty Harrys Sprüche, niemand verlässt mehr hektisch ein Restaurant oder seinen Dienstagsstammtisch, weil "gleich Schmidt kommt".

Mit dem unsäglichen Pocher-Experiment hat er sich Fans vergrault, der Wechsel zwischen ARD und Sat.1 kostete Anhänger, der Rest von Fernsehdeutschland scheint sich einfach satt gesehen zu haben. Aber mal ehrlich: Unabhängig von Sympathie oder Antipathie für Schmidt - wen gibt es denn außer ihm im deutschen Fernsehen, der derart bissig und geschliffen ver- und urteilt? Der das amerikanische Konzept des Late Night-Talks nicht kopiert, sondern sich zu eigen und anders macht? Zugegeben: Mittlerweile stößt sich niemand mehr an Polenwitzen oder dicken Landauer Kindern und auch das F-Wort ist im Fernsehen salonfähig geworden. Schmidt polarisiert nicht mehr. Aber denen, die die Früchte von Dirty Harrys Arbeit ernten, fehlt seine Ironie, sein Zynismus. Neben wenig bis gar nicht geistreichen Comedyformaten ist doch der einzig intelligente Hoffnungsschimmer am Humorhorizont das neue Format Stuckrad Late Night mit Benjamin von Stuckrad-Barre - gut versteckt bei ZDFNeo. Mal sehen, wie lang er durchhält.

Ein bisschen vom alten, bösen Schmidt

Harald Schmidt Quelle: obs

Engelke scheiterte mit ihrer Version des spätabendlichen Talks schon nach rund vier Monaten, Oliver Pocher schaffte es immerhin fast zwei Jahre. Beide kamen nie an die Quoten - geschweige denn den Witz - von Schmidt heran. Und nun ist er weg vom Bildschirm. Circa drei Millionen Haushalte können ihn jetzt via Sky Atlantic noch sehen, rund sieben Prozent Marktanteil hat der Bezahlsender in Deutschland.

Und Schmidt? Den scheint's zu freuen. Schmidts ehemaliger Sidekick Manuel Andrack hat mal über ihn gesagt, Schmidt sei immer dann besonders geil drauf, wenn er sich keine Mühe gibt.  Heute nennt Andrack ihn nur noch den "faulen Diktator". In den letzten Sendungen seit Bekanntgabe des Wechsels scheint Schmidt sich keine Mühe mehr gegeben zu haben. So gut drauf hat man ihn lange nicht erlebt. Durch das "Stüdiö 449" wehte ein Wind vom alten, bösen Schmidt, der seine Zuschauer vor allem zu Anfang oft mit der Frage "darf der das im Fernsehen sagen?" zurückließ.

Während seiner letzten für alle sichtbaren Sendeminuten hagelte es Seitenhiebe auf Sat.1 - wie einst vor dem Wechsel zur ARD. Akte-Moderator Meyer bot er an, ihn ins Family and friends-Programm aufzunehmen, damit er ihn weiter sehen könne und die von Schauspieler Olli "Ditsche" Dittrich zum Abschied dargebotene Hand belächelte er als Mitleidsgeste. Immerhin gab es kein Schild mit der Regieanweisung, sich zu verabschieden, diese Ehre wurde bloß Dittrich zu teil.

Kostümiert als die Sommerpause - "Ich bin die Sommerpause und bin gekommen, um dich zu holen" - zog er den winkenden Schmidt in einem Bollerwagen aus dem Studio in Köln Mülheim. Zuvor sagte Schmidt noch: "Moderatoren kommen und gehen, der Sender bleibt." Nur was bleibt von Sat.1, wenn Schmidt nicht mehr ist? Billige Comedy, scripted Reality, US-Krimiserien und natürlich der FilmFilmFilmFilmFilm am Samstag. Ein Schelm, dem bei dieser Aussicht das Wort Unterschichtenfernsehen einfällt.

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