Der Beratungsmarkt hat sich spätestens seit der Finanzkrise 2008 deutlich verändert. Die großen Berger-Mitbewerber McKinsey, Boston Consulting Group (BCG) und Bain wollen das zwar nicht zugeben, aber „das Preisniveau in der Strategieberatung ist in den vergangenen fünf Jahren um gut 20 Prozent eingebrochen“, sagt Dietmar Fink, BWL-Professor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und Experte für den Beratungsmarkt. „Heute ist es immer seltener möglich, die früher bei strategischen Projekten üblichen Tagessätze von durchschnittlich gut 3000 Euro durchzusetzen.“ Lediglich die wesentlich höheren Sätze für Partner sind von diesem Preisverfall ausgenommen.
Der Grund: „Der Markt für Strategieberatung wächst zwar noch, aber nicht mehr zweistellig wie vor der Finanzkrise und mit viel stärkeren Schwankungen als früher“, sagt Fink. „Das gefährdet das Geschäftsmodell im Top-Beratungssegment.“
Die Beratungen müssen ihren Umsatz so steigern, dass genug Geld in die Kasse kommt, um den Alt-Partnern ihre gewohnt hohen Gewinne auszuzahlen, die besten Jungberater zu Partnern mit ebenfalls hohen Gewinnansprüchen zu befördern und noch Mittel übrig zu haben für den Ausbau des Geschäfts. Senior-Partner können mit einer jährlichen Ausschüttung von 1,25 Millionen Euro rechnen.
Harter Wettbewerb
Um die Umsätze zu halten, verlagern die Top-Berater immer mehr Geschäft in Projekte, bei denen es nicht um Strategien, sondern um die – schlechter bezahlte – Umsetzung von Konzepten oder Ablaufänderungen geht. Der Konkurrenzkampf zwischen den großen Beratungen ist so knüppelhart, dass in Krisenbranchen wie der Autoindustrie Projekte in Einzelfällen angeblich zum Nulltarif durchgezogen werden – um Konkurrenten aus dem Markt zu drängen oder den Fuß in der Tür zu haben, wenn es wieder besser läuft.
Große, global präsente Beratungen wie McKinsey und BCG können mit dieser Situation besser umgehen als die im weltweiten Vergleich zum Mittelfeld zählenden Wettbewerber wie A. T. Kearney, Booz, AlixPartners, Oliver Wyman – oder eben Roland Berger. Je größer ein Unternehmen, umso weniger fallen Allgemeinkosten ins Gewicht und umso günstiger die Einkaufskonditionen für Handys oder Dienstwagen.
Berger spielt zwar in Deutschland in einer Liga mit McKinsey und BCG, kann weltweit aber allenfalls in Asien halbwegs mithalten. In anderen wichtigen Märkten wie den USA fehlt Berger die flächendeckende Präsenz. Erschwerend hinzu kommt, dass etliche mittelgroße Beratungen hohe Schulden mit sich herumschleppen.
Wirtschaftsprüfer trifft Strukturwandel
Auch die „Big Four“ der Wirtschaftsprüfer, PricewaterhouseCoopers (PwC), Deloitte, KPMG und Ernst & Young (E&Y), kämpfen mit dem Strukturwandel. „Die großen, international interessanten Prüfmandate sind zwar lukrativ, aber mehr oder weniger verteilt“, sagt Experte Fink, „Neugeschäft kommt kaum dazu, der Markt stagniert.“
Die Big Four suchen also dringend nach Investitionsmöglichkeiten, die mehr Ertrag und Wachstum bringen. „Die sieben bis acht Prozent Wachstum, die das Beratungsgeschäft bietet, sind eine durchaus attraktive Perspektive“, sagt Fink.
Da liegt es nahe, wenn sich Prüfer und Berater zusammenzutun. „Prüfnahe Beratungsleistungen“, also etwa steuer- und wirtschaftsrechtliche Beratung, bieten die Prüfer ihren Kunden schon länger an, einige haben bereits eigene Strategieabteilungen, die sie ausbauen wollen.
Am einfachsten geht das, wenn sie bei Strategieberatern Teams abwerben oder sich ganze Beratungshäuser einverleiben. Deloitte hat sich nach dem missglückten Anlauf bei Berger die mittelgroße Strategieberatung Monitor gekauft, KPMG den Lieferkettenspezialisten Brainnet, Booz die Beratung Management Engineers.
Insider wissen, dass etliche andere Beratungen aus der mittleren Reihe zum Verkauf stehen oder selbst nach Fusionspartnern suchen, um auf eine kritische Größe zu kommen: A. T. Kearney und der Einkaufspezialist Kerkhoff Consulting sollen dazugehören. Und über Booz gibt es hartnäckige Gerüchte, Accenture sei an einer Übernahme interessiert.
Die Prüfer mit ihren engen Beziehungen zu langjährigen Großkunden können den Beratern Türen öffnen oder Kunden zuschanzen. Allerdings liegt bei „Professional Services“, zu denen auch Beratungsleistungen gehören, das Risiko, dass eine Fusion scheitert, bei 1:15, so eine Bain-Studie. „Die Kulturen von Prüfern und klassischen Beratungshäusern sind zu unterschiedlich, als dass sie unter einem Dach existieren könnten“, sagte Holger Otte, Deutschland-Chef des weltweit fünftgrößten Wirtschaftsprüfers BDO, kürzlich der WirtschaftsWoche (Heft 30/2013). Salopper formuliert es ein Insider, der beide Seiten gut kennt: „Berater sind Schnelldenker, Wirtschaftsprüfer eher schwerfällig, das gehört bei denen zur Unternehmenskultur.“