




Mit Problemen wie dem noch nicht ausgeräumten Piloten-Tarifstreit geht die Lufthansa am Dienstag (29. April) in Hamburg in ihre Hauptversammlung. Im Mittelpunkt wird aber zweifellos der Chefwechsel von Christoph Franz hin zu Carsten Spohr stehen. Nach nur 40 Monaten an der Spitze verlässt Franz den größten Luftverkehrskonzern Europas, um künftig den Schweizer Pharma-Riesen Roche zu führen.
Carsten Spohr: Pilot und Lufthansa-Kenner
Charismatisch, flugbegeistert und erfahren: Mit Carsten Spohr hat sich die Lufthansa für einen Favoriten auf den Chefposen entschieden. Seine steile Karriere bei der Airline findet so ihre Krönung.
Carsten Spohr wurde 1966 in Wanne-Eickel im nördlichen Ruhrgebiet geboren. Nach seinem Studium zum Wirtschaftsingenieur an der Universität Karlsruhe erwarb er die Verkehrspiloten-Lizenz an der Fliegerschule der Lufthansa. Danach absolvierte er das Trainee-Programm bei der Deutschen Aerospace AG.
Mit 27 Jahren kehrte Spohr zu der Airline zurück und schlug dort eine steile Karriere ein: Zunächst übernahm er die Leitung des zentralen Personalmarketings, später arbeitete er sich über verschiedene Funktionen zur Koordination der Regionaltöchter und dem Airline-Bündnis Star Alliance in die Spitze der Kerngesellschaft Lufthansa Passage empor. Zeitweise war er Assistent von Lufthansa-Legende Jürgen Weber.
Als Chef der Frachttochter Lufthansa Cargo lieferte Spohr bis zur Finanzkrise blendende Ergebnisse und zog schließlich 2011 gemeinsam mit dem scheidenden Lufthansa-Chef Christoph Franz in den Konzernvorstand ein. Gemeinsam setzten sie das harte Sparprogramm „Score“ durch.
Anfang Februar 2014 hat die lange Suche nach einem Nachfolger für Christoph Franz ein Ende: Lufthansa will Carsten Spohr zum neuen Vorstandschef machen. Der 47-Jährige galt im Vorfeld schon als Favorit.
Auch wenn seine Beliebtheit in der Belegschaft während der Sanierung abgenommen haben dürfte, gilt der begeisterte Flieger Spohr als charismatischer Gegenpol zu Franz. Dessen kühle, analytische Art verprellte viele Lufthanseaten. Spohr ist verheiratet und hat zwei Töchter.
Von seinem Nachfolger, dem 47 Jahre alten bisherigen Passage-Chef Spohr, erwarten die Aktionäre schlüssige Antworten auf die vielfältigen Herausforderungen, vor denen die Lufthansa steht. Gefragt sind vor allem Ideen, wie man der ständigen Herausforderung durch Billigflieger und arabischen Staatsairlines begegnen will, die mit jüngeren Flotten und günstigeren Kostenstrukturen punkten.
Die Sparprogramme der Lufthansa
Nach dem Golfkrieg Anfang der neunziger Jahre brach der Luftverkehr ein und die Lufthansa rutschte wegen zu hoher Kosten und Überkapazitäten an den Rand der Pleite. So startete der 1991 zum Vorstandschef gewählte Jürgen Webers sein erstes Sparprogramm, bei dem er mit Zustimmung der Gewerkschaften 8000 Stellen abbaute. Das Programm war ein Erfolg, nicht zuletzt, weil es die Lufthansa zur Schicksalsgemeinschaft machte und die Arbeit im Sparteam die späteren Konzernchefs Wolfgang Mayrhuber und Christoph Franz zu engen Vertrauten machte.
Trotz der Erfolge der Sanierung knickte der Lufthansa-Gewinn 1996 wieder ein. Die nach wie vor zu hohen Kosten sollte das Programm 15 drücken, von 17 Pfennigen um einen Passagier einen Kilometer weit zu transportieren auf höchstens 15, was einer Einsparung von einer Milliarde Mark oder fünf Prozent des Umsatzes entsprach. Das Programm erreichte das Sparziel eine Milliarde, doch am Ende scheiterte es, weil andere Kosten die Lufthansa wieder zu einem der teuersten Anbieter der Branche machte.
Trotz boomender Wirtschaft sanken Ende der neunziger Jahre die Lufthansa-Gewinne, nicht zuletzt wegen der wachsenden Konkurrenz durch Billigflieger. Darum sollte Operational Excellence nicht nur die Kosten senken, sondern auch die Qualität und besonders die Pünktlichkeit steigern, damit die Lufthansa ihre höheren Preise rechtfertigen konnte. In Sachen Pünktlichkeit half das Programm. Doch zum Qualitätsführer machte es Lufthansa nicht, nicht zuletzt, weil der Bordservice trotz hoher Investitionen unter dem Branchenstandard blieb.
Noch vor dem Ende des New Economy-Booms sackte 2000 der Lufthansa-Gewinn. Weil bisherige Sparprogramme kaum langfristig wirkten, wollte Konzernchef-Jürgen Weber mit D-Check – benannt nach der Generalüberholung eines Flugzeugs – die Arbeitsweise des Unternehmen verändern und die Kosten nachhaltig um eine Milliarde Euro senken. Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 kam D-Check akut und wurde dank Streckenstreichungen und Lohnzugeständnissen von gut 200 Millionen Euro mit fast 1,5 Milliarden Euro Ersparnis das einzige erfolgreiche Sparprogramm des Jahrzehnts.
Kaum im Amt musste der neue Konzernchef Wolfgang Mayrhuber nach Krisen wie dem Nachfrageeinbruch durch die Lungenseuche Sars in China für das Jahr 2003 einen erneuten Gewinneinbruch verkünden und wollte mit dem Aktionsplan die Kosten um 1,2 Milliarden Euro senken. Parallel dazu versuchte die Lufthansa ihren Europaverkehr im Rahmen von „Zukunft Kont“ neu und effizienter zu organisieren. Am Ende fehlte dem Programm die klare Linie und weil Flughäfen und anderen Lieferanten kaum Sparbeiträge lieferten, blieb es unter den Erwartungen.
Nach dem wenig erfolgreichen Aktionsplan rückte die Lufthansa in der nächsten Effizienzrunde wieder die Qualitätsverbesserung nach vorne. Doch das komplette „Upgrade to Industrie Leadership“ genannte Programm verpuffte, nicht zuletzt, weil in der 2008 beginnenden Finanzkrise den Kunden und besonders Geschäftsreisenden Qualität weniger wichtig war als ein guter Preis. Darunter litt besonders die Lufthansa, deren Service besonders im Vergleich zu Wettbewerbern wie Emirates eher dürftig ausfällt.
Nach dem Misserfolg des Qualitätsprogramm Upgrade startete Christoph Franz seine Zeit als Chef das Fluggeschäfts mit einem klassischen Sparprogramm. Auch weil es erstmals Entlassungen androhte und einen – Hochverrats verdächtigen - Umbau der Europaflüge in Richtung der Billigflieger vorschlug, musste Franz zurück rudern. Doch weil der Spardruck bleib und der Versuch den Einkauf im Konzern zu zentralisieren, grandios scheiterte, bleib am Ende eine magere Ersparnis von gut 600 Millionen - und an der unzeitgemäß aufwändigen Arbeitsweise änderte sich nichts.
Kaum Konzernchef, kündigte Christoph Franz den in drei wirkungslosen Sparrunden vermiedenen Komplettumbau an: mit zuvor unvorstellbaren Dingen wie Entlassungen, Entmachtung der Konzerntöchter zu Gunsten der Zentrale und dem Übergang der tiefroten Europafliegerei zur Billigtochter Germanwings. Die Aussichten sind gut, weil Franz Erfolge vorsichtig feiert, die Führung durch konzernfremde Manager ergänzte, der ganze Vorstand in Workshops für das Programm wirbt - und Franz beim Umbau der Tochter Austrian zeigte, dass er noch radikalere Dinge wie ein Ausflaggen nicht fürchtet.
Die Lufthansa steckt noch mitten in dem von Franz angeschobenen Sparprozess „Score“, der erst in den kommenden Jahren reiche Früchte tragen soll. 2013 blieb von einem 30 Milliarden Euro schweren Umsatz nur ein kleiner Gewinn von 313 Millionen Euro übrig. Gewaltige Investitionen vor allem in die Flotte stehen an. Gleichwohl sollen die Anteilseigner nach der Nullrunde im Vorjahr für 2013 wieder eine Dividende von diesmal 45 Cent pro Anteil erhalten. Die Ausschüttung beträgt damit 207 Millionen Euro. Der zuletzt gestiegene Aktienkurs dürfte zudem für gute Stimmung im Hamburger Congresszentrum sorgen.
Ungelöst ist der Tarifkonflikt mit den Piloten, die vor Ostern für ihre Übergangsrenten drei volle Tage lang gestreikt und dem Unternehmen einen zweistelligen Millionenschaden zugefügt haben. Die Position der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) ist stark und trotz wiederaufgenommener Gespräche zeichnet sich bislang noch keine Lösung ab, die auch die Kasse des Unternehmens schont.
Weitere Themen der Hauptversammlung sind die Ausgliederung des Kundenbindungsprogramms „Miles&More“ in eine eigenständige Gesellschaft und die Wahl eines neuen Mitglieds im 20-köpfigen Aufsichtsrat. Dem Kontrollgremium gehören bislang nur sechs Frauen an, von denen wiederum mit Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller nur eine die Kapitalseite vertritt. Ihr zur Seite soll nun die Schweizer Managerin Monika Ribar (54) stehen, die das Mandat von BASF-Chef Jürgen Hambrecht übernehmen soll.