Heinrich Bauer Verlag So wird Europas größtes Zeitschriftenhaus umgebaut

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Altverleger mischt noch immer mit

Im achten Stock des nahe der Hamburger Speicherstadt gelegenen Verlagshauses schlucken weiche Teppiche jedes Geräusch, unwillkürlich senkt der Besucher die Stimme. Die Farben sind blass. Einzig die mannshohe Bronzeskulptur eines zeitunglesenden Affen, geschaffen von Jörg Immendorff, lässt ahnen, dass hier ein Medienkonzern residiert und keine Bank.

Aus dieser Stille heraus lenkt in fünfter Generation Yvonne Bauer die Geschicke des 1875 gegründeten Medienhauses. Mit 85 Prozent ist sie die größte Eignerin; ihre drei Schwestern halten je fünf Prozent. Sie agiert im Sinn ihres Vaters Heinz Heinrich, 75. Der hat sich aus der Leitung zurückgezogen, mischt nach Aussage von Bauer-Leuten aber im Hintergrund weiter mit.

Viele Anekdoten ranken sich um den praktisch unsichtbaren Vormann, die meisten um seine Sparsamkeit. So soll der Milliardär zeitweise nächtens durch den Verlag gegeistert sein, um stromsparend das Licht zu löschen.

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Vater wie Tochter sind unprätentiöse, handfeste Kaufleute, ohne erkennbaren publizistischen Ehrgeiz. Die Verlegerin erklärt die vermeintliche Schwäche gern zur Stärke: „Wir kennen die Bedürfnisse der unterschiedlichen Zielgruppen so gut wie kein anderer Verlag, und das möchte ich ausbauen.“ Christof Baron, Co-Europachef der Mediaagentur Mindshare in Frankfurt: „Das ist die Stärke von Bauer – sie zielen voll auf den deutschen Michel ab.“

Klatschblätter wie „People“, „Neue Post“, „Tina“ und „Closer“ bringen viel Geld: In deutschen Reichen-Listen landen die Bauers zuverlässig unter den Top 50. Das Magazin „Bilanz“ beziffert ihr Vermögen auf 3,2 Milliarden Euro, damit lägen sie hinter Friede Springer, aber deutlich vor Hubert Burda und Bertelsmann-Matriarchin Liz Mohn.

Harter Rationalisierungskurs

Statistisch gesehen konsumiert jeder zweite Deutsche Bauer-Medien. Zum Verlag gehören weltweit 600 Zeitschriften sowie Beteiligungen an 50 Radio- und TV-Sendern wie RTL2. In dem verschachtelten Imperium betreibt Bauer laut Bundesanzeiger 328 Einzelunternehmen mit knapp 11.000 Mitarbeitern in 16 Ländern.

Vor allem in Deutschland gelten die Bauers als Vorreiter eines beinharten Rationalisierungskurses. „Nur noch der kleinere Teil der Redakteure verdient überhaupt noch nach Tarif“, sagt Betriebsratschef Jörn Lade. „Die Leute arbeiten hier mehr und länger, verdienen im Schnitt 20 Prozent unter Tarif und haben nur noch 25 statt 30 Tage Urlaub im Jahr.“ Geschäftsführer Hausendorf hält dem entgegen, Bauer stünde heute nicht besser da als die Konkurrenz, „wenn wir nicht alle Bereiche strikt marktwirtschaftlich auf Effizienz ausgerichtet hätten“.

Ex-Betriebsratschefin Kersten Artus, langjährige Redakteurin der „Fernsehwoche“: „Bei Bauer herrscht Klassenkampf von oben. Das Wachstum des Hauses bezahlen die Mitarbeiter mit fortschreitender Prekarisierung.“ Unter Yvonne Bauer, sagt sie, habe sich der harte Kurs eher noch verschärft. Die Verlegerin setze verstärkt auf zentrale Redaktionseinheiten etwa für Mode-, Reise- oder Gesundheitsthemen, die kostensparend mehrere Blätter und zunehmend Online-Portale mit Artikeln beliefern.

Dass sie aus ähnlich hartem Holz geschnitzt ist wie ihr alter Herr, hat Yvonne Bauer früh bewiesen. Nach Germanistik-Studium in Bamberg und Volontariat beim Buchverlag Hoffmann und Campe war sie 2005 beim Familienkonzern eingestiegen. Dort leitete sie schnell eine interne Truppe, die eine Korruptionsaffäre um Drückerkolonnen aufklärte. Ein Dienstleister hatte Bauer-Mitarbeitern Bordellbesuche bezahlt und das Unternehmen mit gefälschten Abo-Verträgen um Millionen geschröpft.

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