Heinrich Bauer Verlag So wird Europas größtes Zeitschriftenhaus umgebaut

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Erotikgeschäft abgestoßen

Harte Kante zeigt sie auch in der jahrelangen Auseinandersetzung mit dem Pressegroßhandel. Der ist organisiert in mittelständischen Unternehmen, die als Quasimonopolisten in festen Gebieten Verkaufsstellen mit Magazinen und Zeitungen beliefern. Statt mit dem Bundesverband zentral Vertriebskonditionen zu vereinbaren, will Bauer einzeln mit Grossisten verhandeln. Der Fall liegt beim Bundesgerichtshof, im Oktober wird verhandelt.

Deutlich mehr Beifall bekam Bauer, die mit dem TV-Produzenten Enno Koch verheiratet ist, fürs Aufräumen im Verlagsportfolio: Unter anderem vom Wiener Wiesenthal-Institut für Holocaust-Studien unter Druck gesetzt, warf sie im September 2013 nach jahrelangem Zögern das kriegsverherrlichende Heftchen „Landser“ aus dem Programm der Verlagstochter Pabel-Moewig. Auch das lange ertragreich geführte Erotikgeschäft, wo Bauer früh von gedruckten Schmuddeltiteln wie „Praline“ und „Coupé“ auf Online umgestiegen war, stieß sie im vergangenen November ab.

Das sind die Giganten der Medienwelt
Fernsehsender, Zeitungen, Kinostudios: Medien sind ein Milliardengeschäft – im Bild eine Szene aus dem aktuellen Film „Spider-Man“. Auf Basis der Erlöse des Jahres 2013 hat Lutz Hachmeister, Direktor des Berliner Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik, ein Ranking der 50 größten Medienunternehmen der Welt erstellt. Wir zeigen die Top 10. Quelle: AP
Platz 10: Cox EnterprisesMit fast 12 Milliarden Euro Umsatz zählt Cox Enterprises zu den zehn größten Unternehmen der Branche. Das Hauptquartier liegt in Atlanta (Georgia). Der Konzern gehört fast vollständig der Familie Cox beziehungsweise Kennedy und beherbergt unter anderem 17 Tages- und 25 Wochenzeitungen sowie 15 regionale Fernsehsender. Quelle: Handelsblatt Online
Platz 9: BertelsmannBertelsmann ist der größte deutsche Medienkonzern, auch dank der RTL-Gruppe mit ihren Fernsehsendern. Weltweit rangiert der Konzern auf Rang 9, mit einem Umsatz von 16,4 Milliarden Euro. Vorstandschef Thomas Rabe will die Erlöse bis 2016, spätestens aber bis 2017 auf 20 Milliarden Euro steigern. Quelle: dpa
Platz 8: Sony Entertainment Der japanische Elektronikkonzern befindet sich weiterhin in der Krise. Der Umsatz stieg zwar zuletzt um 14,3 Prozent auf 7,77 Billionen Yen (54,8 Mrd. Euro am Stichtag 31. März), das Plus resultierte aber größtenteils aus Währungseffekten: Bei konstanten Kursen wäre der Erlös um zwei Prozent gesunken. Der operative Gewinn sank um fast 90 Prozent auf 26,5 Milliarden Yen (187 Millionen Euro), unterm Strich steht ein Verlust von 128,4 Milliarden Yen (903 Millionen Euro) – der sechste in sieben Jahren. Quelle: AP
Platz 8: Sony Entertainment Der japanische Elektronikkonzern Sony ist in vielen Sparten aktiv: Er hat ein Filmstudio, baut Fernseher und Audiogeräte, hat aber auch die Spielkonsole Playstation im Angebot – im Bild eine Brille, die Spiele in einer virtuellen Realität ermöglicht. Allerdings tut sich das Traditionsunternehmen schwer. Der Umsatz stieg zwar zuletzt um 14,3 Prozent auf 7,77 Billionen Yen (54,8 Mrd. Euro am Stichtag 31. März), das Plus resultierte aber größtenteils aus Währungseffekten, bei konstanten Kursen wäre der Erlös um zwei Prozent gesunken. Der operative Gewinn sank um fast 90 Prozent auf 26,5 Milliarden Yen (187 Millionen Euro), unterm Strich steht ein Verlust von 128,4 Milliarden Yen (903 Millionen Euro) – der sechste in sieben Jahren. Quelle: AP
Platz 7: Viacom CBSDer US-Medienkonzern Viacom CBS, Mutter der Fernsehsender MTV, Nickelodeon und des Hollywood-Filmstudios Paramount, verbuchte im vergangenen Jahr einen Umsatz 21,894 Milliarden Euro – Rang sieben. Der Hauptsitz ist der Broadway in New York City. Quelle: AP
Platz 6: Time WarnerUnter dem Dach von Time Warner sind diverse Medienunternehmen versammelt – etwa der Bezahlsender HBO, der derzeit mit der Serie „Game of Thrones“ für Furore sorgt. Auch das Verlagshaus Time Inc., die Filmproduktionen New Line Cinema und Warner Bros. Entertainment sowie die TV-Kette Turner zählen zum früheren Branchenprimus. 2009 gliederte das Unternehmen den Kabelnetzbetreiber Time Warner Cable Inc. aus und zog zudem einen Schlussstrich unter die erfolglose Fusion mit AOL. Der Umsatz betrug im vergangenen Jahr umgerechnet 22,4 Milliarden Euro. Quelle: AP

Der Schritt sollte auch das Image bei Anzeigenkunden und Mediaagenturen liften. Um die buhlt Bauer verschärft, seit der Konzern 2012 den Münchner Verlag MVG für geschätzte bis zu 40 Millionen Euro übernahm. Damit holte sich Bauer die stark werbefinanzierten Hochglanzblätter „Cosmopolitan“, „Joy“ und „Shape“ ins Haus – ein wichtiger Teil der neuen Strategie. Denn die Mediaagenturen, die im Auftrag von Werbekunden Milliarden in Reklame investieren, kaufen Anzeigenseiten nicht mehr Magazin für Magazin ein. Sie belegen pauschal und kostengünstiger die komplette Palette weniger ausgewählter Verlage.

"Ohne neue Titel hätte Bauer alt ausgesehen"

„Bauer musste sein Portfolio vergrößern, um relevant zu sein“, sagt Medienberater Wolfgang Schuldlos, der im bayrischen Kochel das Institut für Werbeerfolgs-Messung betreibt. „Ohne die neuen Titel hätte Bauer alt ausgesehen, weil sie die Verluste im Stammgeschäft nicht hätten kompensieren können“, sagt Mediaexperte Baron. „Die Umsatzentwicklung bei ihren alten Marken war extrem schwach.“

Einen ähnlichen Zweck erfüllen Käufe im Ausland: 2012 schluckte Bauer für nicht bestätigte 500 Millionen Dollar Australiens größten Magazin-Verlag ACP. Im Anschluss machte Yvonne Bauer Down Under erst noch Schönwetter, ehe die Hamburger ihr bewährtes Handwerkszeug aus pedantischem Mikromanagement und Sparmaßnahmen auspackten. „Wir agieren sehr wirtschaftlich“, nennt das Top-Manager Hausendorf, „auch wenn es wehtun mag, können wir uns von Titeln trennen.“

Auch die Australien-Titel sollen dem Verlag Zeit verschaffen, digitale Geschäftsmodelle auszubaldowern. Noch tragen diese erst knapp 100 Millionen Euro zum Umsatz bei. Dabei tendiert Bauer dazu – auch da Aldi-ähnlich –, erst die Konkurrenz zu beobachten und möglichst nur das zu übernehmen, was anderswo erfolgreich ist.

Inzwischen hat Bauer weltweit gut 400 Online-Angebote im Netz und probiert sich an Bezahlmodellen wie einer „Cosmo“-App, über die Leserinnen Texte auf dem Smartphone lesen, speichern und über soziale Medien weiterempfehlen können. Die alte Vorsicht legt Bauer jedoch nicht komplett ab. So hat die im März in Lizenz gestartete deutsche Ausgabe des US-Promiblatts „People“ noch keinen rechten Netzauftritt. In England und den USA dagegen versucht Bauer es bereits druckkostensparend mit reinen Online-Angeboten wie dem Frauenmagazin „The Debrief“ oder dem Jugendportal „J-14.com“.

Frauen, Gesundheit und Unterhaltung

Flankierend kauft Bauer zudem Portale für Kosmetik und Mode und verbindet sie wiederum mit seinen Printtiteln. Zudem hat der Verlag Mitte 2014 einen 100 Millionen Euro schweren Fonds für Investitionen in Start-ups aufgelegt, etwa in den polnischen Digitalvermarkter Sunrise Systems und Lifesum, eine Gesundheits- und Kalorienzähler-App aus Schweden.

Den Bauer-Strategen schwebt offenbar ein sich gegenseitig befruchtendes System vor. In England, wo Bauer seit Jahrzehnten Magazine verlegt und zweitgrößter Radiobetreiber ist, hat der Konzern schon erfolgreich getestet, wie sich seine Medien die Bälle zuspielen und füreinander Werbung machen können.

Stück für Stück bastelt Yvonne Bauer, die anders als ihr Vater nicht an der feinen Elbchaussee residiert, sondern im Altbau-Stadtteil Eppendorf, an ihrem internationalen Medien-Puzzle. Der Verlag exportiert das Michel-Prinzip und setzt voll auf die Massenthemen Frauen, Gesundheit und Unterhaltung.

Seit Kurzem investiert Bauer auch in Kleinanzeigen-Portale im Web, mit denen Springer bereits Millionen verdient. Wenn Yvonne Bauers Plan aufgehe, sagt daher Boris Schramm, Geschäftsführer bei der Mediaagentur Group M in Düsseldorf, „kann der Konzern in zehn Jahren Deutschlands wichtigstes Medienhaus sein“.

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