Harte Kante zeigt sie auch in der jahrelangen Auseinandersetzung mit dem Pressegroßhandel. Der ist organisiert in mittelständischen Unternehmen, die als Quasimonopolisten in festen Gebieten Verkaufsstellen mit Magazinen und Zeitungen beliefern. Statt mit dem Bundesverband zentral Vertriebskonditionen zu vereinbaren, will Bauer einzeln mit Grossisten verhandeln. Der Fall liegt beim Bundesgerichtshof, im Oktober wird verhandelt.
Deutlich mehr Beifall bekam Bauer, die mit dem TV-Produzenten Enno Koch verheiratet ist, fürs Aufräumen im Verlagsportfolio: Unter anderem vom Wiener Wiesenthal-Institut für Holocaust-Studien unter Druck gesetzt, warf sie im September 2013 nach jahrelangem Zögern das kriegsverherrlichende Heftchen „Landser“ aus dem Programm der Verlagstochter Pabel-Moewig. Auch das lange ertragreich geführte Erotikgeschäft, wo Bauer früh von gedruckten Schmuddeltiteln wie „Praline“ und „Coupé“ auf Online umgestiegen war, stieß sie im vergangenen November ab.
Der Schritt sollte auch das Image bei Anzeigenkunden und Mediaagenturen liften. Um die buhlt Bauer verschärft, seit der Konzern 2012 den Münchner Verlag MVG für geschätzte bis zu 40 Millionen Euro übernahm. Damit holte sich Bauer die stark werbefinanzierten Hochglanzblätter „Cosmopolitan“, „Joy“ und „Shape“ ins Haus – ein wichtiger Teil der neuen Strategie. Denn die Mediaagenturen, die im Auftrag von Werbekunden Milliarden in Reklame investieren, kaufen Anzeigenseiten nicht mehr Magazin für Magazin ein. Sie belegen pauschal und kostengünstiger die komplette Palette weniger ausgewählter Verlage.
"Ohne neue Titel hätte Bauer alt ausgesehen"
„Bauer musste sein Portfolio vergrößern, um relevant zu sein“, sagt Medienberater Wolfgang Schuldlos, der im bayrischen Kochel das Institut für Werbeerfolgs-Messung betreibt. „Ohne die neuen Titel hätte Bauer alt ausgesehen, weil sie die Verluste im Stammgeschäft nicht hätten kompensieren können“, sagt Mediaexperte Baron. „Die Umsatzentwicklung bei ihren alten Marken war extrem schwach.“
Einen ähnlichen Zweck erfüllen Käufe im Ausland: 2012 schluckte Bauer für nicht bestätigte 500 Millionen Dollar Australiens größten Magazin-Verlag ACP. Im Anschluss machte Yvonne Bauer Down Under erst noch Schönwetter, ehe die Hamburger ihr bewährtes Handwerkszeug aus pedantischem Mikromanagement und Sparmaßnahmen auspackten. „Wir agieren sehr wirtschaftlich“, nennt das Top-Manager Hausendorf, „auch wenn es wehtun mag, können wir uns von Titeln trennen.“
Auch die Australien-Titel sollen dem Verlag Zeit verschaffen, digitale Geschäftsmodelle auszubaldowern. Noch tragen diese erst knapp 100 Millionen Euro zum Umsatz bei. Dabei tendiert Bauer dazu – auch da Aldi-ähnlich –, erst die Konkurrenz zu beobachten und möglichst nur das zu übernehmen, was anderswo erfolgreich ist.
Inzwischen hat Bauer weltweit gut 400 Online-Angebote im Netz und probiert sich an Bezahlmodellen wie einer „Cosmo“-App, über die Leserinnen Texte auf dem Smartphone lesen, speichern und über soziale Medien weiterempfehlen können. Die alte Vorsicht legt Bauer jedoch nicht komplett ab. So hat die im März in Lizenz gestartete deutsche Ausgabe des US-Promiblatts „People“ noch keinen rechten Netzauftritt. In England und den USA dagegen versucht Bauer es bereits druckkostensparend mit reinen Online-Angeboten wie dem Frauenmagazin „The Debrief“ oder dem Jugendportal „J-14.com“.
Frauen, Gesundheit und Unterhaltung
Flankierend kauft Bauer zudem Portale für Kosmetik und Mode und verbindet sie wiederum mit seinen Printtiteln. Zudem hat der Verlag Mitte 2014 einen 100 Millionen Euro schweren Fonds für Investitionen in Start-ups aufgelegt, etwa in den polnischen Digitalvermarkter Sunrise Systems und Lifesum, eine Gesundheits- und Kalorienzähler-App aus Schweden.
Den Bauer-Strategen schwebt offenbar ein sich gegenseitig befruchtendes System vor. In England, wo Bauer seit Jahrzehnten Magazine verlegt und zweitgrößter Radiobetreiber ist, hat der Konzern schon erfolgreich getestet, wie sich seine Medien die Bälle zuspielen und füreinander Werbung machen können.
Stück für Stück bastelt Yvonne Bauer, die anders als ihr Vater nicht an der feinen Elbchaussee residiert, sondern im Altbau-Stadtteil Eppendorf, an ihrem internationalen Medien-Puzzle. Der Verlag exportiert das Michel-Prinzip und setzt voll auf die Massenthemen Frauen, Gesundheit und Unterhaltung.
Seit Kurzem investiert Bauer auch in Kleinanzeigen-Portale im Web, mit denen Springer bereits Millionen verdient. Wenn Yvonne Bauers Plan aufgehe, sagt daher Boris Schramm, Geschäftsführer bei der Mediaagentur Group M in Düsseldorf, „kann der Konzern in zehn Jahren Deutschlands wichtigstes Medienhaus sein“.