Hellofresh 120 Prozent mehr Umsatz – Dank Corona

Die Hellofresh-Bestellungen stiegen bei 19,49 Millionen Stück auf mehr als das Doppelte, was den Umsatz um 120 Prozent auf 970,2 Millionen Euro springen ließ, weil auch der Bestellwert etwas anstieg. Quelle: dpa

Lange zögerten die Verbraucher in Deutschland beim Einkauf von Lebensmitteln im Internet. Doch seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie boomt das Geschäft wie nicht erst die Zahlen von Kochboxenversender Hellofresh zeigen.

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Der Kochboxenversender Hellofresh hat im abgelaufenen Quartal dank des starken Wachstums in der Corona-Pandemie seinen Gewinn mehr als verdreifacht. Unter dem Strich erwirtschaftete das MDax-Unternehmen zwischen Juli und Ende September 74,4 Millionen Euro, wie Hellofresh am Dienstag mitteilte. Vor einem Jahr hatten die Berliner 22,8 Millionen Euro verdient. Hellofresh profitiert davon, dass Kunden verstärkt zu Hause bleiben und selbst kochen oder auch davon, dass die Gastronomie wie aktuell wieder geschlossen ist.

Das Unternehmen hatte bereits Eckdaten mitgeteilt. Die Bestellungen stiegen bei 19,49 Millionen Stück auf mehr als das Doppelte, was den Umsatz um 120 Prozent auf 970,2 Millionen Euro springen ließ, weil auch der Bestellwert etwas anstieg. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen vervielfachte sich im dritten Quartal von 15,5 auf 114,7 Millionen Euro. Die Mitte Oktober erhöhte Prognose bestätigte das Management.

Hellofresh keine Ausnahme bei Boom

„Es herrscht eine Goldgräberstimmung bei den Lebensmittelhändlern im Internet. Das Corona-Jahr ist wahrscheinlich das Jahr des Dammbruchs beim Thema E-Food“, sagt der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein. Ein anderer Branchenkenner meint: „Jeder versucht, sich in Stellung zu bringen.“



Fakt ist: Keine andere Branche hat im E-Commerce derzeit so hohe Wachstumsraten wie der Lebensmittelhandel. Im dritten Quartal lagen die Umsätze nach aktuellen Zahlen des Branchenverbandes bevh um mehr als 50 Prozent über dem Vorjahresniveau. Die Angst vor einer Ansteckung und der Siegeszug des Home-Office haben dem Einkauf von Fleisch, Obst und Gemüse via Internet einen unerwarteten Boom beschert. Und viele Händler wollen davon profitieren.

Das jüngste Beispiel ist der Oetker-Konzern. Bekannt ist Dr. Oetker vor allem für sein Backpulver und seine Tiefkühl-Pizzen. Doch hat das Familienunternehmen auch eine große Getränkesparte, zu der unter anderem Deutschlands größte Brauereigruppe Radeberger mit Marken wie Jever, Schöfferhofer oder Clausthaler, aber auch die Sektmarken Henkell und Freixenet gehören. Nun übernimmt Oetker auch noch den schnell wachsenden Online-Lieferdienst Flaschenpost.

Die Kaufverträge seien vor wenigen Tagen unterzeichnet worden, teilte das Bielefelder Familienunternehmen am Montag mit. Nach Informationen des Informationsdienstes „Deutsche Startups.de“ beträgt der Kaufpreis eine Milliarde Euro. Oetker selbst machte dazu keine Angaben. Das 2016 gegründete Start-up Flaschenpost liefert nach eigenen Angaben mittlerweile in 23 Städten Getränke innerhalb von 120 Minuten an die Kunden aus. Ein Firmensprecher betonte, Oetker sehe für Online-Lieferdienste eine sehr gute Zukunft und habe sich deshalb zum Kauf entschlossen. Die Übernahme muss noch vom Bundeskartellamt genehmigt werden.

Für den Handelsexperten Gerrit Heinemann macht der Schritt viel Sinn: „Oetker will die Chancen nutzen, die sich gerade jetzt bieten.“ Mit Oetker und der Radeberger Gruppe im Rücken werde Flaschenpost viel schneller expandieren können - und das nicht nur durch Ausweitung des Liefernetzes. „Flaschenpost könnte künftig auch die Gastronomie mit Getränken beliefern, oder neben Sprudel und Bier auch Lebensmittel in sein Angebot aufnehmen“, spekuliert Heinemann.

Auch Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka ist zurzeit dabei, sein E-Commerce-Standbein zu stärken. Schon vor einiger Zeit hat sich der Handelsriese an dem rasant wachsenden niederländischen Online-Lebensmittelhändler Picnic beteiligt und beliefert ihn mittlerweile auch über eine Tochtergesellschaft. Nun will der Konzern nach Informationen des Brachen-Fachblatts „Lebensmittel Zeitung“ seine Beteiligung an Picnic International noch einmal kräftig aufstocken.
Edeka schlägt dabei zwei Fliegen mit einer Klappe. Der Händler stärkt sein Online-Standbein und erschließt sich gleichzeitig neue Wachstumsmöglichkeiten im Ausland. Schließlich will Picnic bereits in Kürze auch in Frankreich, Großbritannien und Spanien an den Start gehen.

Doch nicht nur Händler, sondern auch immer mehr Markenhersteller suchen den direkten Draht zum Kunden. So hat beispielsweise der Danone-Konzern im Oktober einen eigenen Online-Shop für seine Baby-Nahrungsmarke Milupa gestartet. Bereits seit August gibt es ein ähnliches Angebot für die Danone-Marke Aptamil. „Wir sehen, dass für unsere Eltern ... digitale Angebote kontinuierlich wichtiger werden“, begründet ein Unternehmenssprecher den Schritt.
Immer mehr Händler sind offenbar angesichts der Pandemie bereit, auf einen Durchbruch beim Onlinehandel mit Lebensmitteln zu wetten. Doch gibt es auch Skeptiker. Kai Hudetz vom Institut für Handelsforschung (IFH) in Köln hat trotz des aktuellen

Nachfragebooms Zweifel an dem viel beschworenen Dammbruch: „Wir sollten uns davor hüten, die jetzige coronageprägte Sondersituation einfach fortzuschreiben. Die Frage ist, ob der Konsument auch nach der Krise bereit ist, für einen Lieferservice zu bezahlen. Da bin ich nach wie vor skeptisch. Die Verbraucher in Deutschland sind am Ende doch sehr sparsam.“

Mehr zum Thema: Der deutsche Essens-Liefermarkt ist in der Hand von Lieferando. Zwei neue Start-ups greifen den Monopolisten an. Haben sie eine Chance?

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