Hermes-Chef Hanjo Schneider "Post versucht Hermes-Paketshops abzuwerben"

Der Chef des Paketzustellers Hermes spricht im Interview über Expansionspläne, den Wettbewerb im Paketgeschäft und warum die Deutsche Post kein Universaldienstleister mehr sein muss.

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Hermes-Chef Hanjo Schneider im interview mit WirtschaftsWoche. Quelle: Presse

WirtschaftsWoche: Herr Schneider, die große Koalition steht vor der Tür. Fürchten Sie Nachteile für den Wettbewerb in den Brief- und Paketmärkten?

Hanjo Schneider: Eindeutig ja. Die SPD hat in ihr Wahlprogramm geschrieben, dass 'die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Deutsche Post so gestaltet werden, dass die Gewährleistung des Universaldienstes und der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens gleichermaßen gesichert werden'. Wenn das so in den Koalitionsvertrag kommt, ist das nichts anderes als eine weitere Privilegierung der Deutschen Post. Der eh schon verzerrte - weil nicht konsequent liberalisierte - Markt würde dadurch völlig aus den Fugen geraten.

Die größten Logistikkonzerne der Welt
Platz 10: China Railway (China) Der Güterverkehr von China Railway macht über zwei Drittel des gesamten Verkehrsaufkommens aus. Hauptsächlich transportiert der Staatsbetrieb Kohle, Stahl, Erz und landwirtschaftliche Erzeugnisse. 2010 betrug der Logistik-Umsatz nach Angaben des Statistik-Portals Statista 14 Mrd. Euro. Daten für das Jahr 2011 sind noch nicht verfügbar.
Platz 9: CMA CGM (Frankreich) Auf Platz 9 des Rankings landet das größte französische Schifffahrtsunternehmen CMA CGM mit einem Logistik-Umsatz von 14,3 Mrd. Euro im Jahr 2010. Die Reederei wurde 1978 gegründet und ist an mehr als 650 Standorten in 150 Ländern vertreten. Auf dem Foto ist eines der größten Containerschiffe der Welt zu sehen, die CMA CGM Christoph Colomb, die bis zu 13.800 Standardcontainer transportieren kann. Quelle: dpa
Platz 8: Nippon Express (Japan) Der Konzern mit Sitz in Tokio wurde 1937 als halbstaatliches Transportunternehmen gegründet. Nippon Express verfügt über ein global gespanntes Transportnetz, dass mehr als 389 Orte in 37 Ländern miteinander verbindet. Spezialisiert ist das Unternehmen auf Dienstleistungen rund um den Transport von Waren, wie etwa IT-Technik, den Luft- und Seegüterverkehr sowie auf Spezialtransporte. 2010 betrug der Umsatz 15 Mrd. Euro.
Platz 7: Kühne + Nagel (Schweiz) 2010 war ein gutes Jahr für den Logistikdienstleister Kühne & Nagel aus der Schweiz. Der Frachtspezialist steigerte seinen Logistik-Umsatz auf 16,2 Mrd. Euro. Der Konzern will weiter wachsen: Kühne + Nagel plant das Transportgeschäft auf der Schiene auszubauen.
Platz 6: NYK Line (Japan) Die japanische NYK Line ist Teil des Mitsubishi-Konzerns und zählt zu den größten Reedereien der Welt. Seit 1968 ist das Unternehmen auch im Bereich der Containerschifffahrt etabliert - die einen Großteil des Gesamtgeschäfts ausmacht. Die Reederei betreibt auch den sogenannten Atlantic Express Shuttle (AES), das Waren zwischen Hamburg, Antwerpen und New York Waren verschiebt. 2010 erwirtschaftete der Konzern einen Logistik-Umsatz von 16,5 Mrd. Euro.
Platz 5: DB Schenker (Deutschland) Die Logistikgeschäfte der Deutschen Bahn, DB Schenker Logistics und DB Schenker Rail, sind unter dem Dach DB Schenker zusammengefasst. Das Unternehmen beschäftigt weltweit mehr als 91.000 Mitarbeiter an etwa 130 Standorten. 2010 erwirtschaftete die DB Schenker einen Logistikumsatz von 18,5 Mrd. Euro.
Platz 4: Maersk (Dänemark) Das Jahr 2010 hatte nicht gut begonnen für A.P. Moeller Maersk. Vor allem durch die von der Wirtschaftskrise gebeutelte Tochtergesellschaft Maersk, der größten Containerschiffsreederei der Welt, schrieb der dänische Mischkonzern erstmals in der Unternehmensgeschichte rote Zahlen. Doch dann zog die Konjunktur an und die Frachtraten für Containerschiffe legten kräftig zu. Das Ergebnis: 2010 lag der Logistik-Umsatz von Maersk bei 29, 1 Mrd. Euro - und das Unternehmen konnte einen Rekordgewinn, einen Nettoertrag von 3,8 Mrd. Euro, vermelden.

Halten Sie den Universaldienst, also die flächendeckende Versorgung des Landes mit Postdienstleistungen, nicht für schützenswert?

Nein. Denn es gibt keine Notwendigkeit mehr, den Universaldienst mit besonderen Regelungen abzusichern. De facto ist die Deutsche Post seit dem Wegfall der Exklusivlizenz zum 01.01.2008 auch gar nicht mehr verpflichtet, den Universaldienst zu erbringen. Vielmehr erfolgt dies im Zusammenspiel mit weiteren Postdienstleistern. Wettbewerber der Deutschen Post stellen heute längst flächendeckend zu – sowohl im Paket- als auch im Briefbereich. Unsere Hermes-Boten beispielsweise fahren Pakete selbstverständlich zu jeder Alm. Die Vorgaben zum Universaldienst sollte die neue Bundesregierung daher abschaffen und den Empfehlungen der Monopolkommission folgen. Und die fordert eine Novellierung des Postgesetzes, mehr Aufsicht durch die Bundesnetzagentur und eine Stärkung der Wettbewerber.

Aber wer garantiert, dass wirklich jedes abgelegene Haus auch dauerhaft mit hoher Qualität beliefert wird?

Der Wettbewerb im Markt! Unsere Unternehmenskunden fordern doch längst, dass wir für die Paketzustellung überall hin fahren. Denken Sie doch nur mal an die vielen Internet-Händler! Würden wir das also nicht zuverlässig und mit hoher Qualität tun, würden wir Aufträge verlieren. Und dann sorgt der Gesetzgeber noch dafür, dass die Deutsche Post bei privaten Briefen und Paketen weiterhin keine Umsatzsteuer zahlen muss. Das ist nicht nachzuvollziehen.

Warum strebt Hermes dann nicht an, ebenfalls von der Mehrwertsteuer befreit zu werden, indem es die Maßgaben erfüllt?

Die Bedingungen sind praktisch nicht umsetzbar. Das Gesetz verlangt etwa, in allen Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern eine Annahmestelle aufzubauen, zum Beispiel in Kiosken oder Supermärkten. Der einzige geeignete Laden wird aber dort meist schon von der Post genutzt. Wir müssten dort einen ganz neuen Paketshop aufbauen. Das ist unwirtschaftlich.

"Außerhalb Deutschlands wollen wir noch wachsen"

Paketzusteller im Visier
Wallraff als GLS-Mitarbeiter Quelle: dpa
Hermes Quelle: dapd
DPD Quelle: Pressebild
DHL Quelle: dpa
UPS Quelle: dapd

Sie könnten den Inhaber überreden, zu Hermes zu wechseln.

Vereinzelt wäre das möglich, flächendeckend aber nicht. Stattdessen versucht die Deutsche Post gerade im großen Stil, unsere Hermes-Paketshop-Betreiber zu einem Wechsel zu überreden, um ihr Stationsnetz um 20.000 Shops zu erweitern.

Inwiefern?

Wir wissen von rund 1.500 gezielten Abwerbungsversuchen, die Dunkelziffer mag noch höher sein. Das finde ich äußerst  bedenklich. Wäre die Post hier erfolgreich, würde sie ihre Marktmacht noch weiter ausbauen. Dieses Vorgehen ist nichts anderes als eine Marktverschließung, denn Paketdienstleister benötigen funktionsstarke PaketShop-Netze im Geschäft mit Privatkunden. Wenn die Post diesen Marktbereich jetzt praktisch durch ihre geplante Omnipräsenz abschottet, ist das eine massive Bedrohung für alle Wettbewerber. Die Bundesnetzagentur sollte hier eingreifen.

Wie erfolgreich war die Deutsche Post?

45 Hermes-Paketshop-Betreiber haben wir verloren. Das ist also wenig und spricht für die Zufriedenheit unserer Partner.

Werden Sie Ihre Anzahl von 14.000 Hermes-Paketshops in Deutschland erhöhen?

Vereinzelt werden wir immer mal wieder Standorte eröffnen. Aber unser Netz ist schon sehr dicht und entsprechend kundenfreundlich. Aber außerhalb Deutschlands wollen wir noch wachsen. In Großbritannien werden wir Ende dieses Jahres 4.000 Paketshops aufgebaut haben und im kommenden Jahr weiter expandieren. Auch in Frankreich und Russland bauen wir unser Paketshop-Netz aus.

Der Online-Handel boomt. Mit welchem Umsatzplus rechnen Sie in diesem Jahr?

Das Jahr hat sich sehr erfreulich entwickelt. 2012 haben die Hermes-Paketgesellschaften 1,9 Milliarden Euro umgesetzt. Wir werden dieses Jahr die zwei Milliarden knacken. Ich rechne mit einem zweistelligen Umsatzwachstum.

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