WirtschaftsWoche: Herr Schneider, die große Koalition steht vor der Tür. Fürchten Sie Nachteile für den Wettbewerb in den Brief- und Paketmärkten?
Hanjo Schneider: Eindeutig ja. Die SPD hat in ihr Wahlprogramm geschrieben, dass 'die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Deutsche Post so gestaltet werden, dass die Gewährleistung des Universaldienstes und der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens gleichermaßen gesichert werden'. Wenn das so in den Koalitionsvertrag kommt, ist das nichts anderes als eine weitere Privilegierung der Deutschen Post. Der eh schon verzerrte - weil nicht konsequent liberalisierte - Markt würde dadurch völlig aus den Fugen geraten.
Halten Sie den Universaldienst, also die flächendeckende Versorgung des Landes mit Postdienstleistungen, nicht für schützenswert?
Nein. Denn es gibt keine Notwendigkeit mehr, den Universaldienst mit besonderen Regelungen abzusichern. De facto ist die Deutsche Post seit dem Wegfall der Exklusivlizenz zum 01.01.2008 auch gar nicht mehr verpflichtet, den Universaldienst zu erbringen. Vielmehr erfolgt dies im Zusammenspiel mit weiteren Postdienstleistern. Wettbewerber der Deutschen Post stellen heute längst flächendeckend zu – sowohl im Paket- als auch im Briefbereich. Unsere Hermes-Boten beispielsweise fahren Pakete selbstverständlich zu jeder Alm. Die Vorgaben zum Universaldienst sollte die neue Bundesregierung daher abschaffen und den Empfehlungen der Monopolkommission folgen. Und die fordert eine Novellierung des Postgesetzes, mehr Aufsicht durch die Bundesnetzagentur und eine Stärkung der Wettbewerber.
Aber wer garantiert, dass wirklich jedes abgelegene Haus auch dauerhaft mit hoher Qualität beliefert wird?
Der Wettbewerb im Markt! Unsere Unternehmenskunden fordern doch längst, dass wir für die Paketzustellung überall hin fahren. Denken Sie doch nur mal an die vielen Internet-Händler! Würden wir das also nicht zuverlässig und mit hoher Qualität tun, würden wir Aufträge verlieren. Und dann sorgt der Gesetzgeber noch dafür, dass die Deutsche Post bei privaten Briefen und Paketen weiterhin keine Umsatzsteuer zahlen muss. Das ist nicht nachzuvollziehen.
Warum strebt Hermes dann nicht an, ebenfalls von der Mehrwertsteuer befreit zu werden, indem es die Maßgaben erfüllt?
Die Bedingungen sind praktisch nicht umsetzbar. Das Gesetz verlangt etwa, in allen Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern eine Annahmestelle aufzubauen, zum Beispiel in Kiosken oder Supermärkten. Der einzige geeignete Laden wird aber dort meist schon von der Post genutzt. Wir müssten dort einen ganz neuen Paketshop aufbauen. Das ist unwirtschaftlich.
"Außerhalb Deutschlands wollen wir noch wachsen"
Sie könnten den Inhaber überreden, zu Hermes zu wechseln.
Vereinzelt wäre das möglich, flächendeckend aber nicht. Stattdessen versucht die Deutsche Post gerade im großen Stil, unsere Hermes-Paketshop-Betreiber zu einem Wechsel zu überreden, um ihr Stationsnetz um 20.000 Shops zu erweitern.
Inwiefern?
Wir wissen von rund 1.500 gezielten Abwerbungsversuchen, die Dunkelziffer mag noch höher sein. Das finde ich äußerst bedenklich. Wäre die Post hier erfolgreich, würde sie ihre Marktmacht noch weiter ausbauen. Dieses Vorgehen ist nichts anderes als eine Marktverschließung, denn Paketdienstleister benötigen funktionsstarke PaketShop-Netze im Geschäft mit Privatkunden. Wenn die Post diesen Marktbereich jetzt praktisch durch ihre geplante Omnipräsenz abschottet, ist das eine massive Bedrohung für alle Wettbewerber. Die Bundesnetzagentur sollte hier eingreifen.
Wie erfolgreich war die Deutsche Post?
45 Hermes-Paketshop-Betreiber haben wir verloren. Das ist also wenig und spricht für die Zufriedenheit unserer Partner.
Werden Sie Ihre Anzahl von 14.000 Hermes-Paketshops in Deutschland erhöhen?
Vereinzelt werden wir immer mal wieder Standorte eröffnen. Aber unser Netz ist schon sehr dicht und entsprechend kundenfreundlich. Aber außerhalb Deutschlands wollen wir noch wachsen. In Großbritannien werden wir Ende dieses Jahres 4.000 Paketshops aufgebaut haben und im kommenden Jahr weiter expandieren. Auch in Frankreich und Russland bauen wir unser Paketshop-Netz aus.
Der Online-Handel boomt. Mit welchem Umsatzplus rechnen Sie in diesem Jahr?
Das Jahr hat sich sehr erfreulich entwickelt. 2012 haben die Hermes-Paketgesellschaften 1,9 Milliarden Euro umgesetzt. Wir werden dieses Jahr die zwei Milliarden knacken. Ich rechne mit einem zweistelligen Umsatzwachstum.