HKX-Chef Henry Posner "Ich bin ein geduldiger Investor"

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„Das ist kein Job, sondern eine Berufung“

Und das fehlt in Europa?
Ja. Der Hauptwettbewerber ist der Straßenverkehr. Die Eisenbahnunternehmen in Europa müssten enger miteinander kooperieren. Das ist bislang nicht geschehen. Die Staatsbahnen haben einen hohen Marktanteil in ihren Heimatländern, aber europaweit spielt der Gütertransport nicht die Rolle, die er spielen könnte. Im Personenverkehr ist das ähnlich. Deshalb suchen wir beim HKX nun Möglichkeiten, mit anderen Bahnunternehmen stärker zu kooperieren. Es gibt darüber hinaus noch einen kulturellen Unterschied zwischen den USA und Europa.

Mehr Wettbewerb auf der Schiene in Europa
GroßbritannienTrotz aller Qualitätsmängel: Großbritannien gilt in Sachen Wettbewerb inzwischen als Vorbild für Europa. Kaum ein Eisenbahnland ist so liberalisiert. Allerdings wird der Fernverkehr auf der Insel meist über so genannte Franchises ausgeschrieben. Unternehmen können sich für den Betrieb der insgesamt 19 Konzessionen bewerben. Wer den Zuschlag erhält, bekommt staatliche Subventionen. So betreibt DB Arriva, eine Tochter der Deutschen Bahn, beispielsweise die Linie CrossCountry von Aberdeen im Norden nach Birmingham. Das System ähnelt dem deutschen Nahverkehrsmodell. Parallel dazu ist auch eine Trassenvergabe möglich, die die Bahnen dann eigenwirtschaftlich betreiben. Allerdings wird dies bislang nur auf zwei Strecken genutzt: von London nach Hull im Nordosten und von London nach Bradford/Sunderland im Norden. Bislang gibt es in Großbritannien nur eine einzige Hochgeschwindigkeitsstrecke. Die „Highspeed 1“ führt von dem Eurotunnel nach London und erlaubt Geschwindigkeiten bis 300 km/h. Quelle: Christian Schröder
ItalienIn keinem anderen Land ist der Wettbewerb auf der Schiene im Fernverkehr so intensiv wie in Italien. Vor einem Jahr machte sich eine Gruppe von Unternehmern auf, die Staatsbahn Trenitalia auf der Rennstrecke von der Industriezone um die Stadt Mailand bis ins politische Zentrum Rom zu attackieren. Die bis zu 300 km/h schnellen "Italo"-Züge des Unternehmens NTV verbinden die Städte in unter drei Stunden - weiter geht es im Norden nach Turin und im Süden nach Neapel. NTV beförderte in den ersten rund acht Monaten seit Betriebsaufnahme mehr als zwei Millionen Passagiere. Der Marktstart gilt als Erfolg. Die Tickets sind für Frühbucher auf unter 30 Euro gefallen. Quelle: dapd
TschechienSeit September 2011 bietet das tschechische Verkehrsunternehmen Student Agency unter der Marke RegioJet Konkurrenzzüge zur tschechischen Staatsbahn CZ. Die Züge des Herstellers Bombardier pendeln zwischen Prag und Ostreva. Teilweise setzt Regiojet modernisierte Gebrauchtzüge der SBB aus der Schweiz ein. RegioJet hat sich zum Ziel gesetzt, Züge nicht nur in Tschechien, sondern auf mitteleuropäischen Strecken anzubieten. Im März 2012 startete RegioJet etwa in der südlichen Slowakei mit dem Betrieb von Zügen auf der 100 km langen Eisenbahnstrecke von der regionalen slowakisch-ungarischen Grenze zur Hauptstadt Bratislava. Student Agency ist seit zwei Jahren auch Kooperationspartner der Deutschen Bahn bei der Busverbindung zwischen Nürnberg und Prag. Quelle: Harold
FrankreichDie französische Staatsbahn SNCF ist Monopolist – und hat sich quasi selbst Konkurrenz geschaffen. Im April dieses Jahres hat das Unternehmen den Billig-TGV („iDTGV “) eingeführt. Insgesamt 62 Hochgeschwindigkeitszüge mit einfachem Komfort und hoher Passagierdichte fahren zwischen den Bahnhöfen Marne-la-Vallée (beim Vergnügungspark Euro Disney nahe Paris) sowie Marseille, Lyon und Montpellier. Die Preise für die rund dreieinhalb Stunden lange Fahrt ans Mittelmeer beginnen für Erwachsene bei 19 Euro je Einfachticket. SNCF will damit vor allem preissensible Studenten und junge Familien überzeugen. Die Bahn verhindert somit auch, dass potenzielle Wettbewerber mit Billigangeboten die TGV-Züge der SNCF angreifen. Quelle: Reuters
ÖsterreichSeit Dezember 2011 gibt es eine Alternative zu den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB): Die Westbahn verbindet die Städte Wien und Salzburg zwölf Mal am Tag. Die Züge benötigen für die 317 Kilometer lange Strecke 2:32 Stunden - nur zehn Minuten länger als Züge der ÖBB. Dafür bietet die Westbahn kostenloses Wlan und Gratiszeitungen in der Businessclass. Die Preise liegen mit 25 Euro um rund die Hälfte niedriger als bei der ÖBB ohne Ermäßigung. Der Einstieg der Westbahn hat teilweise zu einem harten und ruinösen Preiswettbewerb geführt. An der Westbahn ist die französische Staatsbahn SNCF mit 26 Prozent beteiligt.  

Nämlich?
Ganz vereinfacht ausgedrückt leben die Unternehmen im nordamerikanischen Eisenbahnsektor einen Optimismus vor, der beispiellos ist. Die europäischen Unternehmen hingegen sind geprägt von einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Ich habe diese Zustandsbeschreibung schon häufig vor Branchenvertretern benutzt und selten Widerspruch geerntet.

Railroad Development Corporation investiert in Eisenbahnprojekte weltweit: etwa in Estland, Frankreich und Guatemala. Eine Strategie ist nicht erkennbar. Wie gehen Sie vor?
Wir haben keinen geografischen Schwerpunkt. Bei unseren Investitionsentscheidungen lassen wir uns durch vier Testfragen leiten: Ist das Land seriös? Gibt es dort gute Partner? Ist der Wettbewerb rational? Und findet sich unter diesen Umständen ein Geschäftsmodell, das Erfolg verspricht? Der Einstieg in Deutschland war für uns darüber hinaus eine Gelegenheit, Geschäft in Europa aufzubauen.

Das klingt danach, dass Sie noch viel vorhaben. Was ist Ihre Vision?
Wir haben keine Vision, denn Visionen, die zu groß sind, lenken nur vom Wesentlichen ab. Wir bauen unser existierendes Geschäft sukzessive aus und räumen Probleme, die sich uns stellen, aus dem Weg. Wer in der Bahnbranche arbeitet, braucht einen langen Atem. Aber wer sich dort engagiert, tut dies auch aus Leidenschaft. Das ist kein Job, sondern eine Berufung.

Gehen Sie anders vor als andere Unternehmer?
Ich bin ein geduldiger Investor, aber ein ungeduldiger Manager. Unsere Entscheidungen führen nicht immer zu Erfolgen, sondern auch zu Misserfolgen. Wenn jede Entscheidung richtig wäre, macht man als Unternehmer irgendetwas falsch. Misserfolg gehört dazu. Außerdem hat mir mein Vater, der früher ebenfalls Unternehmer war, ein paar Weisheiten mit auf den Weg gegeben.

Zum Beispiel?
Mache lieber ein schlechtes Geschäft mit einem guten Partner als ein gutes Geschäft mit einem schlechten Partner. Denn nur mit einem guten Partner gelingt es, ein Geschäft langfristig und nachhaltig erfolgreich zu machen. Auch deshalb bin ich zuversichtlich, in Deutschland langfristig Erfolg zuhaben.

Haben Sie noch ein Beispiel?
Mache niemals einen Deal, mit dem Du zu viel Geld verdienst. Denn dann kommt Dein Vertragspartner auf die Idee, dass er möglicherweise Geld verloren haben könnte. Er wird versuchen, das Geld wieder rein zu holen. Ein fairer Deal ist der beste Deal.

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