ICE 4 der Deutschen Bahn „Der Zug geht ab wie Schmitz' Katze“

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Fahrrad-Stellplätze müssen reserviert werden

Neu ist auch, dass die Bahn im ICE 4 die Mitnahme von bis zu acht Fahrrädern erlaubt – je nach Zuglänge. Den Stellplatz müssen die Passagiere extra reservieren. Derzeit kostet die Fahrradmitnahme sechs Euro für Bahncard-Kunden und neun Euro für alle anderen. Die Bahn-Manager wollen damit vielen Kundenwünschen entgegen kommen. Aber sie wissen auch um das Risiko. Wenn an einem Bahnhof eine komplett Radfahrer-Gruppe mit acht Rädern aussteigt und eine ebenso große Truppe einsteigt, könnte das die Abfahrt verzögern.  Denn die Türen sind keine Zentimeter breiter. "Wir erwarten aber keine strukturellen Probleme", sagt Huber.

Die Achillesferse des neuen Konzepts könnten die neuen Sitze sein. Die Bahn ist stolz auf sie, weil sie Platz sparen. In der Grundposition sitzen Fahrgäste aufrecht. In der Komfortstellung rutschen Sitzfläche waagerecht und die Rückenlehne schräg nach vorne. Die Kopfstützen und Sitzschalen bleiben fix. Das spart Platz im Zug.

Die Ergonomie des Sitzes soll dem Fahrgast das Gefühl vermitteln, als würde er die Rückenlehne nach hinten schieben. Ob der Kunde das auch so wahrnimmt, dürfte eine der kniffligsten Fragen sein. Denn. Im Test wirkte die Komfortstellung noch gewöhnungsbedürftig.

Die Bahn weiß um mögliche Schwächen. Und sie kann immer noch korrigieren. Denn der Konzern testet den Zug zunächst ab Spätherbst auf der Strecke von Hamburg über Kassel und Nürnberg nach München im Echtbetrieb, sobald die Zulassung des Eisenbahnbundesamtes vorliegt. Die Pilotphase dauert bis Ende 2017.

Dann geht die Produktion der Zuges in Serie. Siemens baut dann mehr als 50 Züge pro Jahr. Im Jahr 2023 soll der letzte ausgeliefert werden. Die Bahn könnte noch eine Option über weitere 90 Züge ziehen. Das würde zusätzliche zwei Milliarden Euro kosten.

Schnelle Beschleunigung statt Geschwindigkeitsrekorde

Das Besondere am Zug ist die Flexibilität. Jeder Zug wird über mehrere so genannte Powercars angetrieben, sprich: kleine Lokomotiven. Die Züge könnten dadurch fünf bis 14 Wagen lang sein. Die Deutsche Bahn hat zwei Varianten bestellt: Einen Sieben-Teiler mit 456 Sitzplätzen und einer Spitzengeschwindigkeit von 230 Kilometer pro Stunde. Und einen Zwölf-Teiler mit Platz für 830 Passagiere und einer Höchstgeschwindigkeit von 250 Kilometer pro Stunde.

Neue Züge der Deutschen Bahn

Das relativ bescheidene Tempo zeigt: Die Züge sind ein Produkt für Deutschland. Während andere Länder weite Strecken überbrücken müssen, um Metropolen zu verbinden, braucht die Bahn Züge, die zügig beschleunigen und nicht mit Geschwindigkeitsrekorden protzen. Siemens glaubt daher kaum einen Exporterfolg des ICE4. Auf der in wenigen Tagen startenden Bahnmesse Innotrans in Berlin wird der ICE4 nicht ausgestellt.

Der ICE 4 leitet damit auch das Ende der Höchstgeschwindigkeit in Deutschland ein. Ende 2017 wird zwar zwischen Erfurt und Nürnberg ein letztes Teilstück eröffnet, auf dem Züge bis zu 300 Kilometer pro Stunde fahren können. Doch für die Verbindungen zwischen Berlin und München ist das irrelevant. Siemens-Berechnungen haben ergeben, dass der ICE4 auf dieser Strecke ganze drei Minuten gewinnen würde, wenn er schneller als 250 km/h fahren könnte. Mit Ausnahme der wenigen Sprinter-Züge pro Tag, die die Städte nonstop verbinden, verkehrt der ICE4 vor allem im „Stop and Go“.

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