Ignaz Walter "Ich habe die Macht der Banken unterschätzt"

Sein Baukonzern war sein Lebenswerk. Die Schuld an dessen Zusammenbruch gibt der ehemalige Bauriese Ignaz Walter der Deutschen Bank und anderen Instituten. Ein Interview über Verlust, Wut und Hass.

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Ignaz Walter Quelle: Rebecca Marshall für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr Walter, Sie haben über die Insolvenz Ihres Baukonzerns 2005 ein dreibändiges Werk geschrieben, das Sie im Internet zum Kauf anbieten. Warum kommen Sie erst jetzt mit Ihrer Sicht der Vorgänge?

Walter: Ich habe das Buch nicht geschrieben aus Rache oder Wichtigtuerei. Was man mir angetan hat, war schlimm! Andere werfen sich vor den Zug, ich nicht. Ich bin als armer Mensch auf die Welt gekommen. Mein Seelenheil ist meine Familie und mein Glaube. Mir geht es nur um die Wahrheit und um meine Ehre und Würde. Wenn ich mal nicht mehr bin, soll niemand sagen: Der Kerl hat Pleite gemacht, das muss wohl eine Mistfirma gewesen sein.

Im Zentrum Ihrer Kritik steht die Deutsche Bank. Das klingt, als würden Sie die Kritik an den Geldhäusern seit der Finanzkrise 2008 als willkommenen Anlass nehmen, um Ihr eigenes Scheitern Deutschlands größtem Geldhaus unterzujubeln.

Der Eindruck täuscht. Alles fing eigentlich ganz interessant an. Wir waren Ende der Achtzigerjahre unter den fünf ganz Großen am Bau in Deutschland. Eines Tages bekam ich einen Anruf, da bin ich fast vom Stuhl gefallen. Alfred Herrhausen wolle mich treffen...

...der damalige Chef der Deutschen Bank,

Ich kannte Herrhausen nur aus Zeitungen und Fernsehen, der machte einen tollen Eindruck. Da habe ich alle anderen Termine aus meinem Kalender rausgeschmissen und wir sind in München zum Käfer gegangen. Anfangs hat Herrhausen mich examiniert, ob ich der primitive Maurertyp bin, wie mich so mancher beschrieb, oder nicht. Er habe verfolgt, sagte er, was ich mache, und wolle wissen: ob ich ein Konzept habe und ob ich alles mit Fremdkapital finanziere oder ein Geldgeber hinter mir steht.

Zur Person

Herrhausen war damals Aufsichtsratsvorsitzender beim Baukonzern Holzmann, einem Wettbewerber, dem es allerdings nicht besonders ging.

Ja klar, er wusste, dass wir Holzmann Geschäft wegnehmen. Und ich sagte ihm auch, warum: Mein Unternehmen war straff organisiert, meine Mitarbeiter waren alle am Erfolg beteiligt – bis zum Kranführer und Hilfsarbeiter. Da musste ich nicht gucken, ob ein schlechter Maurer dabei war. Den haben die auf der Baustelle selbst aussortiert. Meine Leute haben teilweise das Doppelte verdient wie auf anderen Baustellen. Und trotzdem haben wir mehr verdient als jeder andere. Als Herrhausen darüber staunte, habe ich ihm versprochen, beim nächsten Treffen lege ich ihm mein Berichtswesen offen.

Dem Aufsichtsratschef eines Ihrer schärfsten Konkurrenten?

Der sollte sehen, der Walter haut nicht aufs Blech, das stimmt. Ich war damals schon recht selbstbewusst, vielleicht anmaßend frech. Ich habe Herrhausen gesagt: Noch sind wir kleiner als Holzmann, aber es wird nicht allzu lang dauern, da stehen wir auf Platz eins. Er hat mich nicht ausgelacht.

Wieso haben Sie einem Gegner Ihre Pläne verraten?

Ich bin Stratege und ein geradliniger Typ. Ich habe jedem erzählt, was ich vorhabe – die meisten haben es bloß nie geglaubt. Ich packte die Gelegenheit beim Schopf, so langsam schalten meine Synapsen ja nicht. Ich wusste: Ich bekomme 51 Prozent des damaligen Bauunternehmens Dywidag, an dem Holzmann seinerzeit beteiligt war. Ich habe Herrhausen gesagt: Bei Holzmann ergibt Dywidag keinen Sinn. Ich kaufe mir 51 Prozent, und dann kaufe ich Ihnen Ihre 25 Prozent auch noch ab.

Wegbegleiter und Gegenspieler

Wie hat er auf den Angriff reagiert?

Er hat geschmunzelt und gesagt: Sie brauchen sich mit den anderen Anteilseignern nicht so bemühen, ich besorge Ihnen 25 Prozent, und später bekommen Sie unsere 25 Prozent. Innerhalb eines halben Jahres hatte ich ruck, zuck die 25 Prozent und hatte dann über 50 Prozent. Herrhausen hat das gesteuert. Manche haben an ihn verkauft, manche auf seine Vermittlung direkt an mich.

Warum sollte Herrhausen sich derart auf Ihre Seite geschlagen haben?

Herrhausen wollte für Holzmann das Beste. Das dortige Management hielt er mehrheitlich für Blender. Er wollte Holzmann und Walter Bau zusammenführen. Damals hätte das für uns durchaus Sinn ergeben. Holzmann & Walter hätte der Konzern geheißen. Aber dazu ist es nicht mehr gekommen, nachdem Herrhausen 1989 ermordet wurde. Als dann später Carl von Boehm-Bezing im Vorstand der Deutschen Bank für Holzmann zuständig wurde und auf der Arroganzwelle dahergeschwommen kam, war das eine andere Welt. Bei mir wäre der nicht mal Abteilungsleiter geworden.

Was änderte sich mit Herrhausens Tod?

Etwa ein halbes Jahr nachdem Herrhausen ermordet worden war, veränderte sich in der Filiale München der Deutschen Bank vieles. Plötzlich reichte denen unser vorbildliches Berichtswesen nicht mehr aus. Erst später habe ich erkannt: Da wurde etwas vorbereitet.

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