Ignaz Walter "Ich habe die Macht der Banken unterschätzt"

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Keine Aufträge mehr

Von Boehm-Bezing lehnt es auf Anfrage der WirtschaftsWoche ab, sich dazu zu äußern. Vermuten Sie hinter dem, was dann folgte, eine Racheaktion?

Es gab sicher auch persönliche Gründe. Aber aus der Sicht der Deutschen Bank und anderer Banken ergab es Sinn, Walter Bau aus dem Weg zu räumen. Die Deutsche Bank besaß ein großes Aktienpaket von Holzmann. Die Dresdner Bank hatte Aktien von Bilfinger, die Commerzbank viele Aktien von Hochtief. Wenn Walter Bau was passiert, steigt der Wert dieser Beteiligungen. Also könnten diese drei Banken schon mal an unserem Untergang interessiert sein. Auch hätte das zu den Plänen der Deutschen Bank gepasst, einen ganz großen deutschen Champion in der Baubranche zu schaffen.

Wieso konnten Sie die Insolvenz nicht verhindern?

Als die Deutsche und die anderen Banken uns die Bürgschaftslinien gekürzt und damit faktisch gekündigt hatten, konnten wir keine Angebote mehr abgeben. Die Banken garantieren mit Bürgschaften, dass Bauunternehmen tatsächlich Bau und Gewährleistungen erbringen, statt sich etwa mit Anzahlungen davonzustehlen. Weil die Kündigung der Bürgschaften in den Zeitungen stand, wollten Lieferanten und Subunternehmer plötzlich Vorkasse. Also mussten wir Bargeld hinterlegen und vorschießen. Dadurch waren nach zehn Monaten unsere liquiden Mittel von 1,3 Milliarden Euro weg. Nun konnten wir nicht mehr anbieten, bekamen keine Aufträge mehr.

Die deutschen Projekte der Alpine Bau
In Baden-Württemberg ist Alpine Bau am Bau von Stuttgart 21 beteiligt. Quelle: dpa
Die Alpine Bau Deutschland AG begann 1989 als Tochter der österreichischen Alpine Mayreder das operative Geschäft in Deutschland. Ein Vorzeigeobjekt: Das Münchner Fussballstadion Allianz Arena. Quelle: AP
Die Pinakothek der Moderne in München gehört auch zum Portfolio der Alpine Bau Deutschland AG. Quelle: dpa
Die Baugruppe errichtete in München ebenfalls die Nobeleinkaufspassage "Fünf Höfe ". Quelle: Creative Commons-Lizenz
Beim Bau der ICE-Strecke zwischen Frankfurt und Köln führte die Alpine Bau ein deutsch-österreichisches Konsortium an. Der Bau wurde an vier Konsortien vergeben. Quelle: dpa
Am Frankfurter Flughafen stellte die Alpine Bau 2008 die Arbeiten am Rohbau des "Airrail Center Frankfurt" ein. Es fehlten die notwendigen Baugenehmigungen, behauptete Alpine und stritt sich mit dem Bauherrn, ein Gemeinschaftsunternehmen der Bonner Immobilienaktiengesellschaft IVG und des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport. Diese behaupteten, dass der Vertragspartner Alpine sich vertragswidrig verhalten habe. Der Konkurrent Züblin übernahm den Bau. Quelle: dpa
In Berlin errichtete die Baugruppe das Hochhaus Zoofenster. Quelle: Creative Commons-Lizenz

Und dann?

Ich habe den Banken angeboten, Beteiligungen zu verkaufen, damit sie uns wieder Bürgschaften geben. Unsere unbelasteten Vermögenswerte beliefen sich seinerzeit umgerechnet auf rund drei Milliarden Euro. Vier Wochen hielt man uns hin, dann hieß es: Nein! Notfalls wollte ich sogar Züblin verkaufen. Wieder zweieinhalb Monate Scheinverhandlungen, wieder hieß es: Nein. Alle Werte waren ja von den Banken als Pfand genommen. Und immer Gribkowsky vorneweg. Am 1. Januar 2005 meldete der Vorstand der Walter Bau Insolvenz an. Im Februar 2005 hat man die Tochtergesellschaft DSI, die bei uns mit 86 Millionen in den Büchern stand, für 150 Millionen in eine Finanzgesellschaft der Banken überführt. Nach einer Schamfrist von neun Monaten ist das Unternehmen für 1,3 Milliarden Euro an eine schwedische Gruppe verkauft worden. Das war kein Verkauf, auch kein Verramschen. Das war Wirtschaftskriminalität.

Und wie kamen große Teile von Walter Bau an Strabag?

Ich kann nur auf Folgendes verweisen: Gribkowsky war zunächst Sprecher des Bankenpools, danach war er im Gläubigerausschuss ein wichtiger Mann. Unsere 60-prozentige Beteiligung an Züblin stand bei uns mit rund 600 Millionen in den Büchern. Die hätten wir für weit über eine Milliarde an Spanier verkaufen können. Meines Wissens ging Züblin mit Zustimmung des Gläubigerausschusses, also auch der Banken, für unter 100 Millionen Euro an Strabag. Heute ist Züblin garantiert mehr als 1,5 Milliarden Euro wert. Unsere hoch rentable tschechische Straßenbaugesellschaft, unser profitabler Tunnel- und Ingenieurbau und weitere Spezialgesellschaften gingen nahezu alle an Strabag, und dies alles zu absoluten Schleuderpreisen.

Diese Firmen halten Deutschland zusammen
huGO-BildID: 17296386 ARCHIV - Zementsaecke der Firma HeidelbergCement liegen am 7. August 2007 im Werk in Leimen bei Heidelberg. Die Baustoffhersteller Heidelberg Cement hat im Rezessionsjahr 2009 einen massiven Gewinn- und Umsatzrueckgang verzeichnet. Wie das Unternehmen am Donnerstag, 18. Maerz 2010, mitteilte, brach der Jahresueberschuss um 91,3 Prozent auf 168 Millionen Euro ein. (AP Photo/Daniel Roland) --- FILE - Cement bags of HeidelbergCement are seen at the company's factory in Leimen near Heidelberg, southwestern Germany, on Tuesday, Aug. 7, 2007. (AP Photo/Daniel Roland) Quelle: AP
huGO-BildID: 23964073 Baden-Wuerttemberg/ ARCHIV: Cement bags of HeidelbergCement are seen at the company's factory in Leimen near Heidelberg, southwestern Germany (Foto vom 07.08.07). Der Baustoffhersteller HeidelbergCement hat im dritten Quartal trotz steigender Energiekosten sein Ergebnis stabil gehalten. Der Umsatz stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 6,6 Prozent auf 3,62 Milliarden Euro, wie das Unternehmen am Donnerstag (03.11.11) mitteilte. (zu dapd-Text) Foto: Daniel Roland/AP/dapd Quelle: dapd
huGO-BildID: 5193818 Ein Lkw des Zementherstellers Dyckerhoff auf dem Werksgelände in Wiesbaden-Biebrich (Archivfoto vom 13.04.2005). Der Wiesbadener Baustoffkonzern Dyckerhoff hat im ersten Halbjahr Umsatz und Gewinn gesteigert, der Absatz in Deutschland bleibt aber schwach. Vor allem dank der Zuwächse in den USA und Osteuropa wuchs der Umsatz um 7 Prozent auf 588 Millionen Euro, wie der Konzern am Montag (08.08.2005) mitteilte. Der Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) stieg um 18 auf 119 Millionen Euro. Für das Gesamtjahr rechnet das Unternehmen weiterhin mit einem Umsatzanstieg um 5 Prozent auf knapp 1,3 Milliarden Euro. Foto: Frank May dpa/lhe +++(c) dpa - Bildfunk+++ Quelle: dpa/dpaweb
huGO-BildID: 5033562 Im Bad Freienwalder Werk der Wienerberger Ziegelindustrie überprüft der Mitarbeiter Jürgen Presser einen gerade gepressten so genanten Hintermauerziegel (Foto vom 28.06.2005). Das Ostbrandenburger Tochterunternehmen gehört zur weltweit agierenden Wienerberger AG mit Sitz in Wien (Österreich). In Bad Freienwalde sind 31 Mitarbeiter angestellt. Hier werden in etwa 50 verschiedenen Größen und Formen Hintermauerziegel hergestellt. Die Ziegel kommen vorwiegend beim Haus-Rohbau zum Einsatz. Im Vergleich zu herkömmlichen Blockziegeln erfordern die Planziegel einen geringeren Aufwand beim Mauern. Der Grundstoff für die Ziegelherstellung Ton, wird in einer Grube direkt hinter dem Werk gefördert. Foto: Patrick Pleul dpa/lbn +++(c) dpa - Bildfunk+++ Quelle: dpa/dpaweb
huGO-BildID: 26119340 Das Firmenlogo leuchtet vor der Hauptverwaltung des Baustoffherstellers Xella in Duisburg (Foto vom 22.04.2012). Am Freitag (27.04.2012) legt die Xella-Gruppe in Duisburg ihre Bilanzzahlen vor. Foto: Martin Gerten dpa/lnw +++(c) dpa - Bildfunk+++ Quelle: dpa

Der Insolvenzverwalter von Walter Bau, Werner Schneider, stand damals doch unter riesigem Zeitdruck, wollte er Ihre einigermaßen gesunden Töchter nicht auch noch ins Grab stoßen.

Herr Schneider und Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner sind, da bin ich mal ganz vorsichtig, gute Bekannte. Herr Schneider stand zuvor schon einmal im Verdacht, mit Strabag etwas ausgemauschelt zu haben. Bei der Insolvenz soll er 60 Millionen Euro verdient haben. Haselsteiner hat bei dem ganzen Deal in ganz anderen Dimensionen verdient. Und da soll Gribkowksy als Dankeschön nur den Job als Freigänger bekommen haben?

Wie hoch schätzen Sie den gesamten Wert Ihrer Gruppe, als es ihr noch gut ging?

Als uns die Bürgschaftslinien gekündigt wurden, hatte die Gruppe ein Anlagevermögen von rund 1,5 Milliarden Euro, stille Reserven von 1,5 Milliarden und liquide Mittel von 1,3 Milliarden. Dazu käme noch die Bewertung des Geschäfts und des Gewinns.

Die größten Baukonzerne Europas
Bauarbeiter arbeiten auf einem Gerüst Quelle: AP
Bauarbeiter arbeiten auf einer Baustelle des Konzerns Strabag Quelle: dpa
Platz 8: COLAS SADer französische Konzern hat sich auf Straßen- und Schienenbau spezialisiert. Der Name des Konzerns, für den 73.600 Menschen arbeiten, setzt sich aus den englischen Wörtern "cold" und "asphalt" zusammen.Umsatz 2012: 13 Milliarden Euro Quelle: dpa
Baukräne unter grauem Himmel Quelle: AP
Ein Bauarbeiter erhitzt auf einer Baustelle Rohre Quelle: APN
Bauarbeiter in einem neu gebauten U-Bahn-Schacht Quelle: dpa/dpaweb
Ein Arbeiter des Bauunternehmens Hochtief weist einen Container ein Quelle: dpa

Wie viel hat Ihre Gruppe den Gläubigern gebracht?

Was die Gläubiger bekommen haben, jenseits der gesicherten Werte der Banken, das weiß ich nicht.

Hatten Sie gar keine Fürsprecher?

Alle unsere Aufsichtsräte hatten sich bemüht. Auch der IG-Bau-Vorsitzende Klaus Wiesehügel hat sich für uns engagiert. Der hatte sich mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder schon kurzgeschaltet, noch bevor ich diesen angerufen hatte. Ich habe mich mit Schröder getroffen, der hat Mittelsleute eingeschaltet, die mit der Deutschen Bank verhandelten. In Bayern war Wirtschaftsminister Otto Wiesheu zunächst voll auf meiner Seite, bis ihn Gribkowsky umgedreht hat.

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