Immobilienkonzern in Schieflage „Das ist ähnlich wie bei einem Schneeballsystem“

Düstere Aussichten für den Immobiliensektor – ebenso wie für Investoren der Adler Group Quelle: imago images/Dirk Sattler

Der Analyst Marc Meili von der Schweizer Gesellschaft Independent Credit View AG hat seine Kunden frühzeitig vor Investments in Adler gewarnt. Warum er sah, was andere lange nicht sehen wollten und wie er die Zukunft börsennotierter Immobilienfirmen einschätzt, verrät Meili im Interview.

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WirtschaftsWoche: Herr Meili, Sie haben Ihren Kunden bereits vor Jahren von Investments in die Adler Real Estate AG abgeraten. Warum?
Marc Meili: Wir haben uns erstmals 2014 mit Adler beschäftigt. Damals hat das Unternehmen ein Portfolio gekauft und suchte Finanzierungspartner. Es gab eine besicherte Anleihe, die war sehr attraktiv. Adler zahlte damals vier Prozent Zinsen und das bei einer soliden Bilanz. Das Verhältnis der Nettofinanzverbindlichkeiten zum Immobilienvermögen, das man Loan-to-Value oder kurz LTV nennt, lag bei unter 60 Prozent. Das war in Ordnung. 

Ab wann war es dann nicht mehr in Ordnung?
Später kamen dann weitere Transaktionen, die nicht mehr so attraktiv waren. Adler zahlte weniger Zinsen, gleichzeitig stieg der LTV und die Qualität der Immobilien, also der Sicherheiten, verschlechterte sich. Hinzu kam, dass wir gewisse Vorbehalte bei der Corporate Governance hatten und die nachfolgenden Strukturen immer aggressiver finanziert wurden. Ab da haben wir den Kunden abgeraten.

Sie spielen vermutlich auf Cevdet Caner an. Er war Gründer der Gesellschaft Level One, die wegen ihrer hohen Schulden pleite ging. Später spielte Caner dann bei Adler eine wichtige Rolle, was in der Branche ein offenes Geheimnis war, obwohl er nie ein offizielles Amt inne hatte. 
Davon haben wir auch gehört. Bei der Kreditanalyse achten wir nicht nur auf die Zahlen, sondern auch darauf, welche Personen involviert sind und wie sich das auf die Finanz- und Geschäftspolitik auswirkt. Wir haben bei Adler dann ähnliche Muster wahrgenommen wie schon bei Level One. Es wurden Immobilien gekauft, deren Werte hoch angesetzt waren. Darauf wurden dann neue Schulden aufgenommen und damit neue Portfolien gekauft. Das ist ähnlich wie bei einem Schneeballsystem.

Nochmal langsam. Eine Firma kauft also ein Gebäude beispielsweise für eine Million Euro. Dann kommt ein Gutachter und sagt, das Haus ist eigentlich zwei Millionen Euro wert. Dann hat die Firma eine Million Euro Gewinn gemacht. Der Gewinn existiert aber nur auf dem Papier, so lange die Firma das Gebäude nicht verkauft. Was kann sie jetzt damit machen? 
Sie kann diesen Gewinn zum Beispiel in ihre Kapitalrücklage buchen. Dann steigt ihre Eigenkapitalquote, auch wenn dieses Eigenkapital nur fiktiv ist, weil es ja niemand eingezahlt hat, sondern nur durch den Wertzuwachs des Immobilienportfolios zustande gekommen ist. Die Schuldenquote ist hierdurch aber deutlich gesunken, so dass das Unternehmen problemlos neue Schulden aufnehmen und damit neue Häuser kaufen kann. Das ist grundsätzlich nichts ungewöhnliches.

Nehmen wir an, Sie kaufen Aktien oder Anleihen und die Bank ist bereit, ihnen zum Beispiel 20 Prozent des Depotwerts als Kredit zu geben. Steigen nun die Kurse der Wertpapiere in ihrem Depot, bekommen sie mehr Kredit und können davon wieder neue Wertpapiere kaufen. Sie kaufen also weitere Aktien oder Anleihen ohne eigenes Geld in die Hand zu nehmen. 

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Das funktioniert aber nur, so lange die Aktienkurse oder die Immobilienpreise steigen. Was passiert wenn die Werte sinken?
Wenn die Aktienkurse sinken, wird die Bank verlangen, dass Sie Sicherheiten nachschießen. Wenn Sie das nicht können, wird die Bank ihre Aktien verwerten. Bei einer Immobiliengesellschaft ist irgendwann das Eigenkapital weg. Dann kommt neues Eigenkapital oder der Konkurs beziehungsweise die Verwertung der Einheiten.

Besteht dieses Risiko bei Adler aktuell?
Adler hat viele Immobilien schon verkauft, weitere stehen zum Verkauf. Es kommt natürlich sehr darauf an, welche Preise das Unternehmen jetzt erzielt. Aber noch sind die Immobilienpreise hoch. Wenn es dem Unternehmen gelingt, viele Objekte nahe den Buchwerten zu verkaufen, dann besteht die Möglichkeit die Insolvenz abzuwenden. Der Verkauf ist auch daher nötig, da die Mietrenditen der Wohneinheiten unter den Refinanzierungskosten von Adler liegen.

Zur Person

Der Wert einer Immobilie hängt nicht nur davon ab, wie hoch die Miete oder der Leerstand ist, sondern auch vom Kapitalisierungszinssatz. Was bedeutet das genau?
Die börsennotierten Immobiliengesellschaften bewerten ihre Objekte meist nach der sogenannten Discounted-Cashflow-Methode. Dabei werden die künftigen Einnahmen, also vor allem Mieten, geschätzt. Im nächsten Schritt werden die Kosten, zum Beispiel für Instandhaltung, abgezogen. Was dann übrig bleibt wird abdiskontiert. 

Und da wird dann die Höhe der Zinsen relevant.
Genau. Um welchen Faktor die Beträge diskontiert werden, hängt unter anderem vom sogenannten risikolosen Zinssatz, also letztlich dem Marktzins, ab. Auf diesen risikolosen Zinssatz wird noch eine Risikozulage draufgesetzt, die sich zum Beispiel an der Lage oder dem Zustand der Objekte orientiert, aber auch das Leerstandsrisiko abbildet. Ganz allgemein gesagt: Wenn die Zinsen sinken, sinkt in der Regel der Diskontierungssatz und der Immobilienwert steigt oder umgekehrt. 

In diesem Jahr sind die Zinsen erstmals seit langer Zeit wieder gestiegen. Adler hat den Wert seines Immobilienportfolios aber nicht gesenkt sondern weiter erhöht. Wie passt das zusammen?
Bei der Bewertung wird nicht der aktuelle Zinssatz zugrunde gelegt, sondern ein historischer Durchschnittszinssatz. Weil der in den vergangenen zehn Jahre sehr niedrig war, ist der Diskontierungssatz weiter sehr niedrig. Er reagiert nicht kurzfristig sondern langfristig auf steigende Zinsen.

Wann macht sich das dann in den Bilanzen der Immobiliengesellschaften bemerkbar? 
Das wird sicher noch ein bis zwei Jahre dauern und ist abhängig davon wie stark die Zinsen steigen.

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