Immobilienkrise Doppelt so viele Immobilienpleiten wie im Vorjahr

Mehrfamilienhäuser mit tausenden Wohnungen werden im Neubaugebiet Kronsrode gebaut. Quelle: dpa

Nach dem jahrelangen Boom des Immobilienmarktes geht’s jetzt in die andere Richtung: abwärts. Selbst große Player müssen kämpfen – und auch die Zahl der Insolvenzen steigt.

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In seinen Youtube-Videos wirkt Hubert Schulte-Kemper ein bisschen wie der Schrank, der im Hintergrund steht: groß, gediegen – und, nun ja, recht hölzern. Typ: Eiche rustikal. Trotzdem gab der Gründer und langjährige Vorstandschef der Essener Fakt AG gern den Welterklärer vor der Kamera, informierte seine Zuschauer über Themen wie den Brexit, die Zinsentwicklung und die goldene Zukunft des Immobilienmarkts. Inzwischen wäre eigentlich längst das nächste Video des Immobilienveterans fällig: Zur Pleite seiner Fakt AG. Im November 2022 hat das Unternehmen Insolvenz angemeldet, Kredite im Volumen von rund 285 Millionen Euro stehen im Feuer – und der Fall ist womöglich ein Menetekel, für das, was vielen Immobilienunternehmen in den kommenden Monaten droht. 

Die Branche kämpft mit einem perfekten Sturm. Die Europäische Zentralbank (EZB) erhöhte innerhalb des vergangenen Jahres den Leitzins auf 3,5 Prozent von Minus 0,5 Prozent, um die Inflation zu bekämpfen. Damit stiegen nicht nur die Finanzierungskosten für Bauvorhaben, sondern auch die Refinanzierung bestehender Immobilien. Gewerbeimmobilien leiden zudem an der weiterhin schwachen Auslastung von Büros und dem Rückzug wichtiger Mieter etwa aus dem Einzelhandel. Auch die Baukosten steigen. Kurzum, nach dem jahrelangen Boom des Immobilienmarktes geht’s jetzt in die andere Richtung: abwärts. 

In den vergangenen Monaten ist die Zahl der Immobilienpleiten in Deutschland bereits deutlich gestiegen. Zwischen Januar und März 2023 meldeten insgesamt 63 Personen- und Kapitalgesellschaften aus dem Grundstücks- und Wohnungswesen Insolvenz an. Das zeigen Daten des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung (IWH) mit Sitz in Halle. „Zwar hat sich die Zahl der vorläufigen Insolvenzanmeldungen im Vergleich zum ersten Quartal des Vorjahres fast verdoppelt.“, sagt Steffen Müller, Leiter der IWH-Abteilung Strukturwandel und Produktivität und der dort angesiedelten Insolvenzforschung. „Allerdings waren davon eher kleine Unternehmen betroffen und somit sank die Zahl der betroffenen Jobs“, so Müller.

Probleme bei Adler, Corestate & Co

Das könnte sich in den kommenden Monaten allerdings ändern. Selbst große Player müssen kämpfen. Branchenprimus Vonovia, aber auch Wettbewerber wie LEG Immobilien und TAG Immobilien werden an der Börse mit starken Abschlägen zum Buchwert ihrer Immobilien gehandelt, die sie bislang nur in geringem Umfang abgewertet haben. Alle planen umfangreiche Verkäufe, um ihre Schulden zu reduzieren. Noch brisanter war die Lage zuletzt beim angeschlagenen Immobilien-Investor Adler Group. Man habe bereits mehrfach die Insolvenz abwenden können, betonte jüngst Verwaltungsratschef Stefan Kirsten. Der Konzern befinde sich aber weiter in „rauer See“. Das Jahr 2022 hatte Adler erneut mit einem Milliarden-Verlust abgeschlossen. Nach einer Abwertung des Immobilienvermögens und Wertberichtigungen auf Forderungen lag der Nettoverlust bei 1,67 Milliarden Euro.

Mit den Gläubigern hatte sich die Adler Group im November auf eine finanzielle Sanierung geeinigt, ein Londoner Gericht hatte den Plan bestätigt. Nun lehnte es eine Berufung gegen die Entscheidung ab. Die Kläger, die Bonds mit einer Laufzeit bis 2029 halten und eine Benachteiligung gegenüber anderen Gläubigern beklagen, könnten aber versuchen, vor einem anderen Gericht gegen die Entscheidung vorzugehen, entschied der zuständiger Richter am Londoner High Court. 

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Auch der Immobilieninvestor Corestate bemüht sich derzeit im Rahmen einer Umschuldung um günstigere Konditionen für die bestehenden Schulden, um sich Zeit für den Verkauf von Vermögenswerten und die Rückzahlung an die Gläubiger zu verschaffen. Das Unternehmen will seine Anleihen bis Ende 2026 durch Erlöse aus Veräußerungen zurückzahlen. Für das Geschäftsjahr 2022 war das Unternehmen allerdings noch nicht in der Lage, einen Wirtschaftsprüfer zu bestellen.

Der Zusammenbruch Fakt AG zeigt indes, dass nicht in jedem Fall eine Rettung gelingt. Fakt-Frontmann Schulte-Kemper hatte in den vergangenen Jahren unter anderem frühere Konzernzentralen im Ruhrgebiet erworben. Zu Konditionen, die es in sich hatten: Mit Fonds und vermögenden Privatpersonen hat die Fakt AG bis zu 24 Prozent Zinsen für kurzlaufende Nachrangdarlehen vereinbart. „Zu den Gläubigern gehören Kreditinstitute und Privatpersonen, aber auch Gewerbeimmobilienfonds, die hochverzinste Darlehen an einzelne Gesellschaften der Fakt-Gruppe vergeben haben“, sagte Insolvenzverwalter Gregor Bräuer der WirtschaftsWoche. 

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Der erfahrene Verwalter versucht nun zu retten, was zu retten ist. „Wir werden die Immobilien zunächst weiter betreiben und sie nach und nach verkaufen, um das bestmögliche Ergebnis für die Gläubiger zu erzielen“, so Bräuer. „Inwieweit die Wertansätze für Immobilien realistisch waren, prüfen wir gerade.“ Klar sei aber, dass „die Zins- und Finanzierungslast für die meisten Immobilien sehr sportlich war.“

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