Von 19 Analysten deutscher und internationaler Banken, die Empfehlungen zur Vonovia-Aktie abgeben, raten aktuell 14 zum Kauf und einer zum Verkauf. Bei den Journalisten, die über Deutschlands größten Vermietungskonzern schreiben, dürfte die Einschätzung von Chancen und Risiken einer Geldanlage bei Vonovia eher umgekehrt sein: überwiegend kritisch.
Aber wer hat recht? Vielleicht beide.
Seit Rolf Buch vor ziemlich genau zehn Jahren Vorstandschef wurde, hat der bekennende Freund rasanter Autofahrten bei Vonovia permanent aufs Gaspedal gedrückt. Immer neue Akquisitionen und zuletzt 2021 im dritten Anlauf die Übernahme des Markt-Vize Deutsche Wohnen haben nicht nur Vonovias Wohnungsbestand auf zeitweise 550.000 Wohneinheiten gesteigert, sondern auch die Verbindlichkeiten auf ein riskantes Niveau erhöht. Dass steigende Zinsen Buchs Werk erschüttern könnten, war daher absehbar – wurde aber verdrängt, schien die Niedrigzinsphase doch nie enden zu wollen.
Sie endete dann aber doch – und aus Vonovias fiktiv scheinenden Risiken wurden reale Schwierigkeiten. „Das größte Problem von Vonovia ist aktuell die Refinanzierung“, sagt einer der eigentlich positiv gestimmten Analysten. Verkäufe von Portfolien wie im April an den US-Finanzinvestor Apollo und nun an einen Fonds der ebenfalls amerikanischen CBRE-Group bringen Vonovia zwar insgesamt 1,5 Milliarden Euro Cash und lindern die Zinslast – und sind damit logische Schritte, aber doch auch Notmaßnahmen. Was den Mietern immer als verlässliches, langfristiges und verantwortungsvolles Investment in den existenziellen Wert des Wohnens verkauft wurde, erweist sich nun als Spekulationsmasse. Wirklich nachhaltig war der Kurs des ewigen Tempo-Machens durch Buch offensichtlich nicht.
Das zeigen auch die Preisabschläge bei den beiden Verkäufen. Angesichts eines deutschlandweiten Mangels an Wohnraum unterhalb des Luxus-Levels müssten die Werte der eher schlichten Vonovia-Immobilien und die dort erzielbaren Mieten mittelfristig stabil sein oder steigen. Vonovia aber nimmt Abschläge gegenüber dem Buchwert und damit rund fünf Prozent Verlust hin. Zudem herrscht nun Skepsis: Sind minus fünf Prozent vielleicht nur der Abwertungsspielraum für die Perlen im Vonovia-Portfolio? Die Abschläge bei weiteren Verkäufen von womöglich weniger attraktiven Immobilienpaketen könnten noch höher ausfallen.
Die Entwicklung des Aktienkurses legt eine andere Sicht nahe: Der Börsenwert des Konzerns ist zuletzt kräftig gesunken, zugleich bleiben die Analysten optimistisch. Was bedeutet: Zumindest diese Marktbeobachter gehen offenbar davon aus, dass die Risiken nun überwiegend eingepreist sind.
Ob das tatsächlich so ist, hängt aber unter anderem von der weiteren Zinsentwicklung ab. Fest steht, nüchtern betrachtet, derzeit nur eines: In Bochum – sowohl beim von Vonovia unterstützten Fußballverein Vfl als auch im Buch-Konzern selber – geht derzeit die Abstiegsangst um. Und während bei den Kickern schon zum Saisonende in paar Wochen feststehen wird, wie begründet diese Angst war, müssen die Aktionäre und Mitarbeiter von Vonovia noch länger zittern.
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