Imtech Eine Freundschaft endet im Gefängnis

Klaus Betz, Ex-Deutschland-Chef des Baukonzerns Imtech, soll für fast vier Jahre ins Gefängnis. Grund sind Freundschaftsdienste, die er seinem Vorgänger Jörg Schiele erwies. Sie kamen sein Unternehmen teuer zu stehen.

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Imtech war einmal ein großes Unternehmen. Quelle: dpa

Hamburg Früher saßen sie gemeinsam in der Chefetage, heute auf der Anklagebank. Mittwoch, der 22. Februar, Zimmer 398 des Strafgerichtshofs am Hamburger Oberlandesgericht. Schon 15 Minuten vor Beginn der Verhandlung ist den Angeklagten die Anspannung deutlich anzumerken. Still warten Klaus Betz und Jörg Schiele gemeinsam mit ihren Verteidigern vor der schweren Holztür zu dem Raum, in dem es für sie heute um viel gehen wird: ihre Freiheit.

Roter Linoleumboden, abgeblätterte Wandfarbe, unbequeme Holzbänke. Im schlichten Zweiteiler erscheint Betz. Der 62-Jährige kommt noch immer daher wie der mächtige Boss, der er einmal war. Weißes Hemd, dunkelblaue Krawatte, silberne Manschettenknöpfe, randlose Brille, teure Uhr. Als langjähriger Deutschlandchef des niederländischen Baukonzerns Imtech verdiente Betz Millionen. Er gab aber auch Millionen aus, die er nicht hätte ausgeben sollen. Deshalb ist er heute hier.

Schiele hingegen wirkt wie ein „gebrochener Mann“. Das sind die Worte, die seine eigene Strafverteidigerin für ihn findet. 2,8 Millionen Euro soll Schiele illegal von Klaus Betz genommen haben, seinem Nachfolger bei Imtech. Von Reichtum ist Schiele allerdings nichts anzumerken. Das grau melierte Haar ist zwar noch dicht, aber der Anzug zu weit. Keine Uhr, das Gesicht von Falten gezeichnet, die Mundwinkel zeigen nach unten. Nervös tippt Schiele mit den Fingern auf dem Papierstapel vor ihm herum. Der Mann ist 72. Der Staatsanwalt hat mehr als drei Jahre Haft für ihn gefordert.

Seit Oktober 2013 beschäftigen Betz und Schiele die Behörden in Hamburg. Ihr Fall ist ein Ausschnitt eines viel größeren Skandals. Imtech war einmal ein großes Unternehmen. Mehr als 150 Jahre Tradition, vier Milliarden Euro Jahresumsatz, 22.000 Mitarbeiter. Der Name Imtech stand für Prestige-Bauten in ganz Europa, ja der ganzen Welt. Wer Kraftwerke, Stadien, Flughäfen oder seine eigene Konzernzentrale bauen wollte, setzte für viele Ingenieursleistungen auf Imtech.

Dann, Anfang 2013, fiel das Unternehmen in die Krise. Betrug, Untreue, Bilanzfälschung. Die Staatsanwaltschaft Hamburg nahm die Arbeit auf. Das Handelsblatt begann mit intensiver Berichterstattung und fand noch viel mehr. Korruption, Bestechung, Kartellvergehen. Eine Staatsanwaltschaft nach der anderen wurde aktiv.

2015 ging Imtech unter und hinterließ Milliardenschäden. Die Gefälligkeiten, die Deutschlandchef Klaus Betz seinem Vorgänger Jörg Schiele erwies, wirkten da fast wie Peanuts. Doch wie sagt das Sprichwort? Vor Gericht und auf hoher See...

Die Peanuts führten geradewegs ins Gefängnis. Schon am ersten Verhandlungstag Anfang Februar waren beide Angeklagten, Betz und Schiele, geständig. Zu offensichtlich die Vergehen, zu groß das Risiko, durch Widerstand die Strafe noch zu erhöhen.

Es tue ihm aufrichtig Leid, sagte Schiele. Er habe sich nicht persönlich bereichern wollen mit dem Geld, das Betz ihm gab. Er habe Geschäfte getätigt und sei gescheitert. Betz klang ähnlich. Auch er bedauere, was geschehen sei. Er habe Schiele in seiner Not unterstützen wollen. Betz: „Er saß oft wie ein Häufchen Elend vor mir und bat mich, ihm aus der Klemme zu helfen. Und ich ließ mich immer wieder überreden. Ich war mehr als naiv.“

Doch das war am ersten Verhandlungstag. Am zweiten, als es schon um die Strafe für die beiden Männer ging, wurde der Ton ganz anders.

Es war der Ton von Hanns Feigen. Was Klaus Betz einmal für die deutsche Baubranche war, ist sein Anwalt noch immer für die deutsche Juristenszene. Forsch im Auftritt, dominant in seiner Rede. Feigen herrscht selbst Staatsanwälte und Richter an, wenn es ihm gefällt. Sein leidenschaftliches Plädoyer dauerte gut doppelt so lange wie das der Gegenseite.

Es half nichts. Als alle Worte gesprochen waren, stand für Klaus Betz eine Strafe von drei Jahren und elf Monaten unter dem Strich. Schiele erhielt drei Jahre aufgebrummt. Beide Strafen sind ohne Bewährung.


Für Feigen ist der Fall noch nicht vorbei

Der Vorsitzende Richter blieb freundlich. Er dankte den Prozessbeteiligten für die Kooperation. Dadurch sei das Verfahren in der für das Ausmaß ungewöhnlich kurzen Zeit durchzuführen gewesen. Auf den Hinweis, dass gegen das Urteil Revision eingelegt werden kann, reagierte Feigen mit betont kräftigem Nicken. Für ihn ist der Fall noch nicht vorbei.

Ob er in der nächsten Instanz ein besseres Ergebnis herausholen kann, darf nach den Worten am Mittwoch in Zimmer 398 jedoch bezweifelt werden. Ein gewerbsmäßiges Handeln wollten zwar weder Staatsanwaltschaft noch Richter bei Betz und Schiele feststellen. Zwar hätten zwischen 2009 und 2011 insgesamt 46 einzelne Zahlungen stattgefunden, elf davon in Höhe von mehr als 50.000 Euro. Zwar lägen für gewerbsmäßige Untreue Indizien vor. Diese reichten aber nicht aus, sagte der Staatsanwalt.

Dem stimmte auch Schieles Verteidigerin zu. Es habe sich jeweils um Einzelentscheidungen aus der Situation heraus gehandelt und nicht um eine zusammenhängende Tat, aus der der Angeklagte Schiele eine dauerhafte Einnahmequelle erzielen wollte. Doch so sehr sie mit der Analyse der Tat einverstanden war, so entschieden war sie gegen das Ergebnis. Ihr Mandant sei mit 72 in einem „fortgeschrittenen Alter“, sagte die Anwältin vor der Urteilsverkündung. Eine Haftstrafe wäre daher „unsäglich“.

Das Plädoyer von Betz' Verteidiger Feigen zielte in erster Linie auf die Motivation seines Mandanten. Betz habe ohne Eigennutz gehandelt und stets auf die Rückzahlung der Gelder vertraut. Durch die freundschaftliche Beziehung zu seinem Amtsvorgänger habe sich Betz dazu hinreißen lassen, Schiele aus der Not zu helfen. Betz habe wie schon häufig während seiner Karriere für andere den Kopf hingehalten.

Eine Darstellung, die in der Bauszene Erstaunen auslösen dürfte. Sein eigenes Unternehmen hat schwerste Vorwürfe gegen Betz erhoben. Das Landgericht Cottbus verurteilte Betz im Oktober 2016 bereits wegen Bestechung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und elf Monaten.

Insider in Hamburg unterhielten sich zudem über noch ganz andere Schäden im Zusammenhang mit Schiele. 2,8 Millionen Euro waren schließlich nur Summe der Zahlungen, welche die Staatsanwaltschaft ohne jeden Zweifel als illegal nachweisen konnte. Im Imtech-eigenen Untersuchungsbericht aus dem Jahr 2013 wurden weitaus höhere Summen genannt. Ein ganzes Geflecht von seltsamen Leistungen, Scheinrechnungen liege vor, hieß es in dem Papier. In Summe: „29,7 Millionen Euro, für die keine legitime geschäftliche Rechtfertigung festgestellt werden konnte.“

Laut Imtech war es sogar noch ärger. Hinweise auf Kickbacks – also Zahlungen, die erst illegal aus Imtech abflossen und dann teilweise an einzelne Manager wieder zurück, seien gefunden worden. Auch hier ging es um Millionen. Und schließlich fanden die internen Ermittler noch mehr: Ein Gestrüpp von Verpflichtungen, welche Imtech für die Firmen einging, mit denen Schiele verbandelt war. Übernahme von Schulden, Sicherung von Kreditlinien, Bankbürgschaften – wieder ging es um zweistellige Millionenbeträge. Da Imtech jedoch selbst Insolvenz anmelden musste, verloren sich diese Spuren irgendwann.

Die Staatsanwaltschaft in Hamburg blieb deshalb freundlich, aber nüchtern. Zwar akzeptierte sie in ihrem Plädoyer das Wort „Freundschaftsdienst“ für die Millionen, die Betz für seinen Vorgänger Schiele auftrieb. Doch dieser Dienst sei schon sehr erheblich gewesen: 2,8 Millionen Euro eben.

Die Schwere der Tat lasse eine Bewährungsstrafe nicht zu, erklärte der Staatsanwalt. Die Umleitung eines Teils des Geldes über eine Düsseldorfer Firma sei überdies als Verschleierungsversuch zu werten. Prozessbeobachter fragten zudem, warum Betz einen Freundschaftsdienst ausgerechnet mit dem Geld seiner Firma leisten musste. Doch die Frage, wie echt die Freundschaft dieser beiden Männer war, wurde nicht abschließend behandelt. Vielleicht unterhalten sich die beiden darüber hinter Gittern.

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