Innovative Weingüter Warum Unternehmer als Quereinsteiger die besseren Winzer sind

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Vom Schreibtisch in den Weinberg

Der Münchener Wirtschaftsprüfer Hans Kilger ist über die Viehzucht zum Weinbau gekommen. „Die Finanzkrise hat mich zu einem großen Pessimisten bezogen auf die Kreditwirtschaft gemacht“, sagt Kilger, dessen Großvater zwei Weltwirtschaftskrisen erlebt hat. „Niemals unter die Räder gekommen sind die Landwirte“, sagt Kilger. Er züchtete Bisons, Büffel, Rothirsche, Yaks oder Mufflons, die in Landgütern in Siebenbürgen und der Steiermark wie in freier Wildbahn leben.

Ein Besuch beim Weinmacher Manfred Tement in der Steiermark ließ Kilger die Idee des eigenen Weinguts entwickeln. „Ich hatte mir eingebildet, ich hätte dann schön ein Häuschen mit Weingut dazu“, sagt Kilger.

Doch der Unternehmer erkannte rasch, dass das so nicht geht. „Ich habe dann mit dem Winzer Christian Reiterer die Köpfe zusammengesteckt. Ich habe meine Vorstellung eingebracht, wo ich einen Markt sehe und wie der Vertrieb aufzubauen sei“, sagt Kilger. „Ich habe das einmal durchgerechnet. Ich kann da aus meiner Haut nicht raus. Wenn ich ein Business sehe, dann bildet sich ein Businessplan aus“, sagt Kilger, der seinen Weinmachern den Rücken frei halten will, damit die „Liquiditätsprobleme nur die beste Genussqualität im Blick“ haben, wie es auf der Homepage heißt.

Er verzichtete auf den üblichen Weg über ein wenig Verkauf ab Hof, einem Netz aus Händlern oder den Weg über den Lebensmittelhandel. Kilger verkauft seine Weine in seinen eigenen Läden und gastronomischen Betrieben. „Ich betrachte Weinbau betriebswirtschaftlich als Langfristproduktion. Wenn man den Anspruch durchführen will, dann muss man auch investieren. Liebhaberei, das passt nicht zu meinem Naturell“, sagt Kilger. Über seine „Distributions- und Dienstleistungsgesellschaft“ sind Kilgers Weine erhältlich – neben anderen Marken im Food und Drinks-Bereich.  

„Die Quereinsteiger sind am offensten für die Welt der Arbeitsteilung“, sagt Natascha Popp von der Beratung „die weinräte“. Wann mache es Sinn, Arbeit zu delegieren, welche Maschinen müssen selber angeschafft werden, wo lohnt sich Leihen. Je nach Region könnten sich die Unternehmer im Weinberg auf ausreichend Infrastruktur von Lohndienstleistern verlassen. „Der klassische Winzer hängt am Weinberg“, sagt Popp, „aber Abfüllen ist emotionslos.“

Die Gefühle spielten aber auch bei den nüchternsten Seiteneinsteigern eine Rolle. „Betriebswirtschaftlich mag es interessant sein, im Supermarkt zu stehen“, sagt Popp. Gerade erfolgreiche Geschäftsleute müssten oft lernen, dass in der Weinbranche andere Gesetze gelten und die Rezepte der eigenen Branche in der Weinproduktion nicht eins zu eins übertragen sind. Nicht jeder kann im Premiumsegment landen, schließlich muss ein gewisser Kapitaldienst erwirtschaftet werden. „Mit welchen Weinen möchte man identifiziert werden?“, sagt Popp.

Hans Kilger, Christoph Ziegler, Robert Wurm und Hans Maret haben sich entschieden und damit schon nach kurzer Zeit Spuren hinterlassen und Duftmarken setzen können.

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Hans Maret hat dafür, und auch um die für ihn kritische Betriebsgröße von gut 30 Hektar zu erreichen, neue Weinberge dazugekauft. „Das sind die besten Lagen, weil ich nur oben bin. Das war schon ein toller Coup, das Premiumstückchen an Land zu ziehen“, sagt Maret, der heute leidenschaftlich über die Besonderheiten der Saar-Weine referieren kann. Er habe jetzt „drei richtige Flagship-Weinberge“ und man hört die Freude über die seiner Ansicht nach großartigen Ausgangsvoraussetzungen für Top-Qualitäten. „Die Saar-Toplagen-Qualität decke ich ab“, schwärmt er für die Rebflächen, die dank der Höhe auch in einem heißen Jahr wie 2018 Marets Wünsche erfüllen. „Das war für uns dort ein Jahrhundertjahrgang“, sagt Maret und klingt dann exakt wie alle Winzer.

Transparenzhinweis: Dieser Artikel erschien erstmals im Jahr 2019 bei der WirtschaftsWoche. Wegen des Leserinteresses zeigen wir ihn erneut.

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