Die vergangenen Jahre hatten etwas von einem kräftezehrenden Langstreckenlauf – zumindest für Insolvenzverwalter. Niedrigzinsen und robuste Konjunktur sorgten für reichlich Gegenwind, die Zahl der Unternehmenspleiten sackte immer weiter ab. Das Gros der Branche quälte sich denn auch die Strecke entlang, sammelte am Wegesrand Klein- und Kleinstverfahren ein – und hoffte auf ein möglichst rasches Ende des Laufs. Allein, es ging immer weiter. Abwärts.
Doch nun, so scheint es, naht tatsächlich die Ziellinie. Darauf deutet eine Analyse des Karlsruher Informations- und Datenspezialisten STP Portal für die WirtschaftsWoche hin. „Die Insolvenzzahlen stabilisieren sich“, sagt STP-Experte Jens Décieux. „Im ersten Halbjahr sehen wir erstmals seit langer Zeit wieder einen Anstieg der Verfahrenszahlen bei den Unternehmensinsolvenzen.“ Den Daten zufolge wurden zwischen Januar und Juni 2018 insgesamt 4071 Unternehmensinsolvenzverfahren eröffnet, im Vorjahreszeitraum waren es 4055 eröffnete Verfahren über Kapital- und Personengesellschaften.
Für die WirtschaftsWoche haben Décieux und sein Team die Fälle näher untersucht, nach lokalen Schwerpunkten und Verfahrensarten gerastert und sind dabei auf zwei bemerkenswerte Entwicklungen gestoßen. Zum einen hat sich der Trend zu mehr Eigenverwaltungsverfahren beschleunigt. „Bis zum 30. Juni dieses Jahres gab es von diesen Verfahren bereits mehr als im Gesamtjahr 2016“, sagt Décieux. Zum anderen ist die regionale Verteilung erstaunlich. „Insbesondere in wirtschaftlich starken Bundesländern wie Baden-Württemberg, Bayern, aber auch Sachsen und Thüringen zeigen die Daten einen Anstieg der eröffneten Unternehmensinsolvenzen“, sagt der Experte.
Doch wer gehört zum Spitzenfeld der Laufgemeinschaft? Auf Basis der Daten haben die STP-Experten jene 30 Kanzleien herausgefiltert, die im ersten Halbjahr die meisten Verfahren bearbeitet haben. „Erstmals haben wir auch analysiert, wer die Top-10-Verwalter nach der Summe der Umsätze der betreuten Unternehmen sind“, sagt Décieux. „Damit liefert die Auswertung neben den reinen Verfahrenszahlen auch Anhaltspunkte zur Verteilung der wirtschaftlich relevanten Verfahren.“
Direkte Rückschlüsse auf den wirtschaftlichen Erfolg einzelner Player lassen sich zwar nicht ziehen. Gleichwohl taugt das Ranking als Konditions- und Fitnessbarometer der Insolvenzliga.
Insolvenzverwalter-Ranking 2018 (erstes Halbjahr): Kanzleien
Um in den Top-30 mitzuspielen, waren im ersten Halbjahr demnach mindestens 27 eröffnete Verfahren erforderlich.
Handschumacher & Partner, HGW Rechtsanwälte und Willmer Köster gelang der Sprung über die Pleitenhürde. Ein Verfahren mehr brachte Mönning Feser auf die Waage. Die Kanzlei liegt damit auf Augenhöhe mit Prof. Dr. Pannen Rechtsanwälte und FRH Rechtsanwälte. Christoph Niering von Niering Stock Tömp spielt zwar schon seit geraumer Zeit beim Fußball-Regionalligisten Alemannia Aachen auf, beschäftigte sich dieser Tage aber vor allem mit der Zweithavarie von Solarworld. Bei Deutschlands letztem großen Solarzellen-Hersteller werden spätestens am 30. September die Lichter ausgehen, wenn sich bis dahin nicht doch noch ein Investor findet.
Auch bei Modemarke Bench zierte zuletzt die Trendfarbe Rot die Bilanzen. Im Mai meldete das britische Label Insolvenz an. Der deutsche Ableger folgte und landete bei Rolf Pohlmann von Pohlmann Hofmann. Er attestierte vor allem dem amerikanischen Finanzinvestor und Berater Gordon Brothers grob unsportliches Verhalten. Gordon Brothers hatte Anfang Juli die Markenrechte an Bench übernommen. Die neuen Eigentümer hätten auf Vorschläge, die Filialen weiter zu führen, nicht reagiert, so der Insolvenzverwalter, dessen Kanzlei insgesamt 30 Verfahren verbuchte.
Insolvenzverwalter-Ranking 2018 (erstes Halbjahr) Die Plätze 30-21 im Überblick | |
Kanzlei | Eröffnete Verfahren im ersten Halbjahr |
Handschumacher & Partner Rechtsanwälte mbB | 27 |
HGW Rechtsanwälte | 27 |
Lieser Rechtsanwälte | 27 |
WILLMERKÖSTER | 27 |
FRH Rechtsanwälte - Steuerberater | 28 |
MÖNNING FESER PARTNER Rechtsanwälte Insolvenzverwalter | 28 |
Prof. Dr. Pannen Rechtsanwälte | 28 |
Niering Stock Tömp Rechtsanwälte GbR | 29 |
westhelleundpartner | 29 |
Pohlmann Hofmann Insolvenzverwalter Rechtsanwälte Partnerschaft | 30 |
Insolvenzverwalter-Ranking: Die Plätze 20-11
Gut in Form präsentierten sich im ersten Halbjahr Eckert Rechtsanwälte. Nicht nur einen 6,7 Kilometer langen Firmenlauf um den Maschsee in Hannover meisterte das „Team Eckert“ souverän. Auch im Insolvenzwettstreit punkteten die Niedersachsen mit insgesamt 42 Verfahren. Als Sachwalter des Klinik-Konzerns Paracelsus betreute Reiner Eckert zudem den mitarbeiterstärksten Verfahrenskomplex im ersten Halbjahr. Im Mai stimmten die Gläubiger einem Insolvenzplan zu, der eine Quote von rund 42 Prozent vorsieht. Am 1. August endete das Insolvenzverfahren.
Kreplin & Partner setzten dagegen wassersportliche Akzente. Schon 2013 war bei Kreplin-Partnerin Verena Vogt das Privatinsolvenzverfahren der Weltklasseschwimmerin, Weltmeisterin, Weltrekordlerin und viermaligen Olympiateilnehmerin Sandra Völker angelandet. Nun wurde es beendet – mit viel Boulevard-Tamtam und einer wettkampftauglichen Quote von 36,5 Prozent. Jenseits privater Tauchgänge verbuchten Kreplin & Partner 37 eröffnete Unternehmensinsolvenzen.
Eine robuste Leistung zeigten auch Reimer Rechtsanwälte mit 43 Verfahren. Sportliches Highlight: die Pleite der Erstliga-Footballmannschaft Samsung Frankfurt Universe. Zum Sanierungsquarterback wurde Thomas Rittmeister bestellt. Insolvenzkraftsportler Horst Piepenburg trat zuletzt dagegen beim Fitness- und Spielgerätehersteller Kettler als Sachwalter an. Im ersten Halbjahr beackerte seine Kanzlei Piepenburg Gerling insgesamt 34 Unternehmenshavarien und liegt damit gleichauf mit SGP Schneider Geiwitz & Partner, D’Avoine Teubler Neu sowie MHBK Rechtsanwälte.
Insolvenzverwalter-Ranking 2018 (erstes Halbjahr) Die Plätze 20-11 im Überblick | |
Kanzlei | Eröffnete Verfahren im ersten Halbjahr |
KÜBLER | 33 |
Münzel & Böhm Rechtsanwälte PartG mbB | 33 |
D'Avoine Teubler Neu Rechtsanwälte | 34 |
MHBK Rechtsanwälte Müller-Heydenreich Bierbach & Kollegen | 34 |
Piepenburg - Gerling Rechtsanwälte | 34 |
SGP Schneider Geiwitz & Partner - Wirtschaftsprüfer Steuerberater Rechtsanwälte PartGmbB | 34 |
VOIGT SALUS GbR | 36 |
Kreplin & Partner | 37 |
Eckert Insolvenzrecht GbR | 42 |
LEONHARDT RATTUNDE | 43 |
Reimer Rechtsanwälte Partnergesellschaft | 43 |
Insolvenzverwalter-Ranking: Die Plätze 10-1
Dem Münchner Insolvenzstürmer Michael Jaffé gelang ein Kunststück, an dem schon manch andere Bayern verzweifelt sind: das Triple. So war er bei den Verfahren der Dero Bank und des Energieunternehmens Phoenix Solar im Einsatz. Im März begann dann mit drei Gesellschaften des Containervermittlers P&R das wichtigste Spiel – unter Beteiligung von Jaffés Kanzleipartner Philip Heinke. Rund 54.000 Anleger, hatten insgesamt etwa 3,5 Milliarden Euro bei P&R investiert. Die Gläubigerversammlungen der Gruppe sollen denn auch sportlich korrekt in der Münchener Olympiahalle abgehalten werden. In Summe kommen Jaffé Rechtsanwälte auf 47 Verfahren.
In gleicher Höhe punktete die Düsseldorfer Mannschaft von AndresPartner. Dirk Andres sorgte jüngst mit einem Gerichtsentscheid im Casus Heitkamp BauHolding für Furore. Der Fall hatte die Saniererzunft seit geraumer Zeit in Atem gehalten. Nun hat der Europäische Gerichtshof eine Entscheidung der EU-Kommission kassiert, durch die der Einstieg von Investoren bei angeschlagenen Unternehmen erschwert worden war.
Erstmals in den Halbjahres-Top-Ten finden sich Schiebe und Collegen, unter anderem Dank Bau-und Bäckereiverfahren.
Die BBL-Bernsau-Brockdorff-Partner Georg Bernsau und Justus von Buchwaldt mühten sich derweil, die havarierte Erotikkette Beate Uhse an den Mann zu bringen. Unter sachwaltender Oberaufsicht von Sven-Holger Undritz gelang die Mission. Undritz selbst zählt ebenso wie Kanzleikollege Jan-Philipp Hoos zu den zehn Verwaltern, mit den umsatzstärksten Verfahren der Saison. Ihr Arbeitgeber White & Case landete in Summe auf Platz drei des Rankings.
Auch Brinkmann-Partner Christoph Morgen schaffte den Sprung in die "Torschützen"-Tabelle. Sein Verein musste mit 75 eröffneten Verfahren indes leichte Einbußen hinnehmen und rangiert auf Platz fünf und damit hinter hww hermann wienberg wilhelm. Die Berliner spielten zuletzt in Unterzahl auf und machten mit allerlei Transfers von sich Reden.
Über Verstärkung aus Köln konnte sich jüngst dagegen Pluta, die Nummer zwei der Tabelle, freuen. Ringstmeier-Partnerin Ruth Rigol wechselte ins Team. Ringstmeier hat nun als Einzelanwalt eine neue Kanzlei gegründet. Zuvor hatten bereits Julia Matz und Mark Boddenberg samt einem Mitarbeiterstab die Sozietät verlassen.
Auch an der Spitze der Liga gab es Absetzungsbewegungen. Andreas Elsäßer, Christoph Chardon und Jan Metzner haben sich von Schultze & Braun verabschiedet und wollen fortan als Elsäßer Restrukturierung in den Wettkampf ziehen. Die Elsäßer-Crew hat sich vor allem im Sanierungsgeschäft einen Namen gemacht, zuletzt waren Elsäßer und Metzner etwa bei dem Solaranlagenhersteller Schletter an Bord.
Unabhängig von derlei Personalien gelang Schultze & Braun auch im ersten Halbjahr eine souveräne Titelverteidigung. Mit 178 Verfahren bleibt die Kanzlei der ungeschlagene Verfahrenschampion.
Insolvenzverwalter-Ranking 2018 (erstes Halbjahr) Die Plätze 10-1 im Überblick | |
Kanzlei | Eröffnete Verfahren im ersten Halbjahr |
AndresPartner Partnerschaft mbB | 47 |
JAFFÉ Rechtsanwälte Insolvenzverwalter | 47 |
Schiebe und Collegen | 49 |
BBL Bernsau Brockdorff Insolvenz- und Zwangsverwalter GbR | 55 |
Dr. Beck & Partner GbR | 56 |
GÖRG Rechtsanwälte/Insolvenzverwalter GbR | 65 |
Brinkmann & Partner | 75 |
hww hermann wienberg wilhelm | 81 |
White & Case Insolvenz GbR | 103 |
PLUTA Rechtsanwalts GmbH | 128 |
Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH | 178 |
Die Einzelwertung der Insolvenzverwalter
Nicht nur im Kanzleiranking gab es diesmal viel Bewegung, „auch in der Rangfolge der Verwalter hat sich im ersten Halbjahr einiges getan“, sagt Décieux. Besonders auffällig: Rekordhalter Christoph Schulte-Kaubrügger schaffte es diesmal nur knapp in die Halbjahres-Top-10.
Einen besseren Lauf hatten Axel Bierbach und Robert Schiebe mit je 21 Verfahren. Mit Nada Nasser findet sich zudem eine Verwalterin in der männerdominierten Spitzengruppe. Mit 23 eröffneten Unternehmensinsolvenzverfahren teilt sie sich mit Sebastian Laboga und Klaus Siemon Platz drei der Einzelwertung.
Auf Platz zwei schaffte es Torsten Martini. Der Berliner war in den vergangenen Jahren schon in den deutschen Studios der von Madonna mitgegründeten Fitnesskette Hard Candy im Einsatz. Im ersten Halbjahr 2018 standen 25 Verfahren auf dem Trainingsplan.
Nicht nur in der Disziplin Kanzlei-Ranking holte Schultze & Braun diesmal Gold, sondern auch in der Einzelwertung: Der Bremer Schubra-Partner Tim Beyer liegt mit 27 Verfahren in Führung.
Insolvenzverwalter-Ranking 2018 (erstes Halbjahr) Die Einzelwertung der Verwalter | ||
Insolvenzverwalter | Kanzlei | Eröffnete Verfahren im ersten Halbjahr |
Schulte-Kaubrügger, Christoph | White & Case Insolvenz GbR | 19 |
Ampferl, Hubert | Dr. Beck & Partner GbR | 20 |
Liebig, Max | JAFFÉ Rechtsanwälte Insolvenzverwalter | 20 |
Bierbach, Axel | MHBK Rechtsanwälte Müller-Heydenreich Bierbach & Kollegen | 21 |
Schiebe, Robert | Schiebe und Collegen | 21 |
Nasser, Nada | Kreplin & Partner | 23 |
Laboga, Sebastian | KÜBLER | 23 |
Siemon, Klaus | Siemon Insolvenzmanagement | 23 |
Martini, Torsten | LEONHARDT RATTUNDE | 25 |
Beyer, Tim | Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH | 27 |
Das Umsatzranking
Erstmals haben die STP-Experten auch analysiert, wer die Top-10-Verwalter nach der Summe der Umsätze der betreuten Unternehmen sind. Mit Sven-Holger Undritz und Jan-Philipp Hoos markieren dabei zwei White & Case-Partner den Einstieg.
Bei Reimer-Partner Tjark Thies dürfte die Insolvenz der mittelständischen Papierfabrik Feldmuehle Uetersen umsatzbelebende Wirkung entfaltet haben, während Christian Gerloff als Sachwalter bei der SKW Holding punktete.
In Summe auf knapp 280 Millionen Euro Umsatz kamen jene Unternehmen, die Tobias Hoefer von Hoefer | Schmidt-Thieme im ersten Halbjahr betreute. Noch übertroffen wurde er von Björn Gehde von Hilgers & Partner, der die insolvente Berliner Milcheinfuhr GmbH (BMG) durchs Verfahren steuerte.
Am Ende konnte laut den STP-Daten indes Paracelsus-Sachwalter Rainer Eckert das Umsatzranking für sich entscheiden.
Insolvenzverwalter-Ranking 2018 (erstes Halbjahr) Das Umsatzranking | ||
Insolvenzverwalter | Kanzlei | Umsatz¹ |
Undritz, Sven-Holger | White & Case Insolvenz GbR | 128.77 |
Hoos, Jan-Philipp | White & Case Insolvenz GbR | 131.86 |
Höfer, Silvio | anchor | 132.00 |
Thies, Tjark | Reimer Rechtsanwälte Partnergesellschaft | 156.94 |
Gerloff, Christian | Gerloff Liebler Rechtsanwälte | 159.56 |
Morgen, Christoph | Brinkmann & Partner | 163.72 |
Wahl, Tobias | anchor | 203.53 |
Hoefer, Tobias | Hoefer | Schmidt-Thieme | 280.47 |
Gehde, Björn | Hilgers & Partner | 357.17 |
Eckert, Rainer | Eckert Insolvenzrecht GbR | 393.67 |
¹Summe der Umsätze (in Mio. Euro) der Unternehmen, die der Verwalter/Sachwalter als Verfahren betreut |