
Ob Lieferdrohnen oder gar einen eignen Postservice – um seine Angebote auf neuen Wegen zu den Kunden zu bringen, scheut Amazon-Chef Jeff Bezos keinen Aufwand. Nun will der Gründer des Online-Händlers auch den Himmel erobern.
Ab Herbst will Amazon seinen Prime-Service nun den Passagieren der amerikanischen Billigfluglinie Jetblue anbieten. Dabei bekommen die Prime-Kunden während des Fluges Zugriff auf die Amazon-Mediathek mit mehreren Zehntausend Filmen in hoher Auflösung, gut eine Million Musiktitel und natürlich auf den Amazon-Online-Shop für alle Bereiche des Lebens.
Das Angebot ist erst mal eine kleine Revolution der Bordunterhaltung. Zudem hilft es auf höchst unterschiedliche Weise den Passagieren, Jetblue und – wenn auch am wenigsten – Amazon selbst.
Die wichtigsten Anbieter im Online-Fernsehen
Unternehmen: Netflix
Streamingkosten (in € pro Jahr): 95,88–107,88
Stärke: Viele exklusive Filme und Serien, bewährte Technik, starke Kooperationspartner
Schwäche: Wenig aktuelle Filme, anfangs relativ kleines Angebot
Wichtigste Serien: House Of Cards, Orange Is The New Black, Hemlock Grove
Quelle: Unternehmen
Unternehmen: Deutsche Telekom
Streamingkosten (in € pro Jahr): ab 359,40*
Stärke: Auch über Satellit nutzbar, teilweise ohne Online-Verbindung nutzbar
Schwäche: Nur im Paket mit Telefon und Internet, lange Vertragsbindung
Wichtigste Serien: Sherlock, The Mentalist, How I Met Your Mother
* inklusive Telefon und Internet-Anschluss
Unternehmen: Amazon
Streamingkosten: Neben einer Jahresgebühr von 49 Euro ist Amazon Prime Video auch im monatlich kündbaren Abo für 7,99 Euro verfügbar
Stärke: Exklusive Filme und Serien, Gratislieferung von Amazon-Bestellungen, auf mobilen Endgeräten ohne Online-Verbindung nutzbar
Schwäche: Nicht alle Titel lassen sich für die Offline-Wiedergabe speichern, nicht alle Filme und Serien im Sortiment
Wichtigste Serien: The Man in the High Castle, Mozart in the Jungle, Transparent, Mr. Robot, Fear the Walking Dead, Lucifer, Preacher, The Night Manager
Unternehmen: Apple
Streamingkosten (in € pro Jahr): Bezahlung pro Download
Stärke: Sehr breites Angebot, Serien direkt nach US-Ausstrahlung, Kauf ab 99 Cent
Schwäche: Nur Kauf und Miete
Wichtigste Serien: True Detective, Sleepy Hollow, The Strain, Downton Abbey
Unternehmen: ProSieben-Sat.1
Streamingkosten (in € pro Jahr): 95,88
Stärke: Großes Angebot, Serien direkt nach US-Ausstrahlung, Kaufvideos, teilweise ohne Online-Verbindung nutzbar
Schwäche: Aktuelle Filme und Serien nur Zuzahlung
Wichtigste Serien: Under The Dome, Hannibal, Sons Of Anarchy, Bitten, Hawaii Five-O
Unternehmen: Sky
Streamingkosten (in € pro Jahr): 47,88
Stärke: Niedriger Preis; auch Originalfassungen, gegen Aufpreis teilweise ohne Internet-Verbindung nutzbar
Schwäche: Begrenztes Angebot, wenig Aktuelles
Wichtigste Serien: Game Of Thrones, Alcatraz, Die Sopranos, The Walking Dead
Unternehmen: Vivendi
Streamingkosten (in € pro Jahr): 107,88
Stärke: Teilweise ohne Online-Verbindung nutzbar
Schwäche: Begrenztes Angebot, wenig Aktuelles
Wichtigste Serien: Mad Men, The Wire, Lilyhammer, The Mentalist, Torchwood
Unternehmen: Google
Streamingkosten (in € pro Jahr): 0
Stärke: Gratis, fast unendliches Angebot
Schwäche: Wenig aktuelle und hochwertige Filme
Wichtigste Serien: Tatort, Schimanski, Kanäle von Komödianten wie Y-Titti, LeFloid
Am offensichtlichsten ist der Vorteil für Passagiere. Zwar bieten schon heute besonders die Fluglinien vom Golf wie Emirates oder Qatar mehrere hundert Stunden Filme und Musik. Doch das Angebot verblasst neben der Amazon Videothek. "Das ist das größte Angebot aller Airlines weltweit”, sagt Henry Harteveldt, Gründer der auf die Reisebranche spezialisierten Atmosphere Research Group aus San Francisco.
Die Vorteile für Jetblue offenbaren sich erst auf den zweiten Blick. Die Linie mit Sitz in New York will mit dem Amazon-Deal ihren Ruf als High-Tech-orientierter Edel-Billigflieger wiederbeleben. Der hat zuletzt gelitten, weil die Linie aus New York nach Neuerungen wie Live-Fernsehen an Bord auf ihrem Wachstumskurs strauchelte. Andere Airlines wie Virgin America wirken inzwischen moderner.
Die teuersten Amazon-Übernahmen
Der Online-Händler woot! gilt als einer der Vorreiter des „Deal of the day“: Jeden Tag wird ein besonders Produkt für 24 Stunden zum Discountpreis angeboten. Ist das Produkt ausverkauft, rückt ein neues nach. Ist das Interesse nicht groß genug, wechselt das Angebot um Mitternacht.
Preis: 110 Millionen US-Dollar
Übernahmejahr: 2010
In der Lese-Community goodreads treffen sich Literaturfreunde online, um über ihre Lieblingsbücher und aktuelle Bestseller zu diskutieren und sie zu rezensieren. Seit Amazon die Website übernommen hat, schnellen die Nutzerzahlen in der Höhe. Mittlerweile sind mehr als 30 Millionen Mitglieder angemeldet.
Preis: 150 Millionen Dollar
Übernahmejahr: 2013
Der Webdienst Alexa sammelt Daten über Seitenabrufe von Internetseiten und stellt diese zur Auswertung bereit. Der sogenannte Alexa Rank gibt an, wie bekannt Internetseite ist und gilt als wichtiges Tool zur Bewertung dieser, weil ein hoher Rang auf eine hohe Beliebtheit hindeutet. Mittlerweile ist Alexa Teil der bekannten Sammlung Amazon Web Services (AWS).
Preis: 250 Millionen
Übernahmejahr: 1999
Audible bietet Hörbücher zum Download an. Dabei setzt der Dienst auch auf ein Abo-Modell: Für einen monatlichen Beitrag gibt es ein Hörbuch im Monat kostenlos und weitere vergünstigt. Das bereits 1995 gegründete Unternehmen wurde 2008 von Amazon gekauft und unter anderem mit dessen Angeboten für das Tablet Kindle verzahnt.
Preis: 300 Millionen
Übernahmejahr: 2008
Lange Zeit galt Lovefilm als eine von Europas größten Online-Videotheken und verlieh Film-DVDs und -Blu-rays. Später bot das Unternehmen auch Video-on-Demand an. Im Februar 2014 ging Lovefilm mit dem Streaming-Angebot Amazon Instant Video auf.
Preis: 312 Millionen
Übernahmejahr: 2011
Bis 2010 betrieb Quidsi unter anderem die Baby-Bedarfs-Seite diapers.com und den Hygieneprodukte-Händler Soap.com. Dann schluckte Amazon das Unternehmen, um sich die erfolgreichen Seiten einzuverleiben.
Preis: 545 Millionen
Übernahmejahr: 2010
Das US-Unternehmen Kiva Systems ist auf die Herstellung von Maschinen für große Fulfilllment-Center von Onlinehändlern spezialisiert. Roboter von Kiva übernehmen etwa große Teile der Lagerung in Amazons gigantischen Lagerhäusern.
Preis: 775 Millionen Dollar
Übernahmejahr: 2010
Das Live-Streaming-Videoportal Twitch hat sich auf die Übertragung von Videospielen wie World of Warcraft oder League of Legends spezialisiert. Laut eigenen Angaben hatte das Portal 2013 monatlich etwa 45 Millionen Zuschauern.
Preis: 970 Millionen Dollar
Übernahmejahr: 2014
Der Onlineshop Zappos konzentriert sich auf den Verkauf und Versand von Schuhen und Mode. Im Juli 2009 übernahm wollte Amazon den Händler für rund 850 Millionen Dollar übernehmen. Der Kaufpreis sollte zum Großteil mit eigenen Aktien beglichen werden. Der Deal verteuerte sich damals auf rund 1,2 Milliarden Dollar, weil die Amazon-Aktie stark im Kurs stieg.
Preis: 1,2 Milliarden Dollar
Übernahmejahr: 2009
Quelle: Statista / Unternehmen
Zwar bringt der bis Ende des Jahres auf allen gut 200 Maschinen verfügbare Fly-Fi Breitband-Internetservice Jetblue wieder an Spitze. Doch es könnte dauern, bis sich der teure Einbau und die recht hohen Leitungskosten über genug Nutzer tragen. Immerhin werden für das schnelle Internet an Bord neun Dollar an Gebühr fällig.
Da hilft Amazon auf zweierlei Weise. Zum einen dürfte der Konzern laut Insidern zumindest einen Teil der Leitungskosten übernehmen. Dazu, so die Erwartung, wird Amazon Jetblue beteiligen, wenn ein Kunde über den Wolken Bücher, Elektronik oder auch Filme kauft.
Am wenigsten klar ist, wie sich die Sache für Amazon rechnet. „Zwar sitzt manchem in der eher langweiligen Zeit im Flieger der Geldbeutel relativ locker. Doch viel zusätzlichen Umsatz, den sie sonst nicht bekämen, werden die Bordverkäufe wohl nicht bringen“, so ein Insider. Doch auch das passt zum genrellen Geschäftsziel von Amazon, in Fachkreise „Share Of Wallet“ genannt – Anteil am Geldbeutel.
Am Ende, so die Vermutung angesichts der schwachen Umsatzrendite des Konzerns, geht es Amazon nicht unbedingt um das schnelle Geld. Stattdessen möchte der Online-Händler in allen Bereichen des Lebens seiner Kunden präsent sein. Und natürlich besonders dann, wenn sie irgendwo Geld ausgeben. Weil die Wachstumsmöglichkeiten in den USA auf der Erde allmählich zur Neige gehen, versucht es Amazon eben am Himmel.
Darum könnte sich das Amazon–Modell auch im Rest der Welt durchsetzen. Zwar ist das - für Prime-Videos nötige - schnelle Internet außerhalb der USA noch die Ausnahme. „Doch wenn Amazon einen Teil der Kosten für den Start und die Datenleitungen übernimmt, könnte sich das deutlich schneller durchsetzen“, so ein Airliner