Irrer Auftritt OMR, Jeremy Fragrance und das überfällige Ende der Influencer

Jeremy Fragrance beim OMR Festival 2023. Quelle: imago images

Die OMR gilt schon länger als reine Party für Influencer, nun hat sich der Veranstalter mit einem absurden Auftritt von Jeremy Fragrance einen Sexismus-Skandal aufgeladen. Einfach nur zum Fremdschämen. Ein Gastbeitrag.

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Soeben ging in Hamburg die 13. OMR zu Ende. OMR steht für Online Marketing Rockstars. Sie ist mit 70.000 Besuchern das größte Festival, die größte Messe und die größte Konferenz für Online-Marketing und Werbung in Deutschland. Fans der im Herbst stattfindenden, konkurrierenden Dmexco kritisieren, dass die OMR oberflächlich, groß, zu voll und zu laut sei. Eigentlich sei die OMR nichts weiter als eine riesige Party für Influencer, zu der die Besucher Anreise, Eintritt und überteuerte Hotelzimmer bezahlen.

In diesem Jahr wurde sie diesem Ruf wahrlich gerecht. Denn am Dienstag trat ein gewisser Jeremy Fragrance auf. Wenn Sie noch nie von ihm gehört haben, müssen Sie sich keine Sorgen machen. Herr Fragrance, bürgerlich Daniel Sredzinski, ist Webvideoproduzent und Influencer und erlangte Berühmtheit durch die Vorstellung von Parfüms bei Youtube.

Hier hat der Influencer derzeit rund 17 Millionen Aufrufe, bei Instagram 830.000 Follower und bei TikTok 6,6 Millionen Follower. Ende 2022 war Jeremy Fragrance Teilnehmer der zehnten Staffel der deutschen Reality-Show „Promi Big Brother“. Im Februar 2023 drehte er im Rahmen einer Kooperation schrille Videos mit Aldi Nord.

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Skandal mit Ansage

Der OMR-Auftritt von Jeremy Fragrance wurde zum handfesten Skandal. Abzusehen war es – die OMR war also gewarnt –, denn der Entertainer propagiert eine exzesshafte Selbstoptimierung, seine Auftritte wurden zuletzt immer absurder. Seinen gesamten OMR-Auftritt („Power, Baby! – Wie Jeremy Fragrance das Attention Game gewinnt“) kann man hier nachsehen. Doch Vorsicht: Es ist intellektuell schwer zu verkraften, welchen Unsinn der Mann in einer knappen halben Stunde raushaut. Doch die OMR-Besucher erfreuten sich dennoch sichtbar daran und klatschten begeistert. Das alleine ist schon peinlich genug.

Jeremy Fragrance brüllte auf der OMR-Red-Stage vor angeblich Tausenden von Zuschauern „Kraft, Power, Strength“ und das Publikum sollte es ihm nachbrüllen. Die überwiegend jüngeren Fans unter den Zuschauern taten genau das. Als wenn das nicht schon verstörend genug wäre, schob Herr Fragrance noch hinterher: „Ich könnte es mir sehr leicht machen, ich könnte pro Tag fünf Mädels ****, ich könnte euch alle verarschen.“ Wobei er immerhin darauf hinweist, dass er das ethisch nicht vertreten könne.

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Sexismus in Reinkultur

Frank Behrendt, Senior Advisor bei der Serviceplan Agenturgruppe, äußerte sich bei Twitter entsetzt über den Auftritt: „‚Ich bin geil, ich bin cool, ich bin krass.‘ Was für eine Hohlbirne, was für ein Buzzword-Bingo in Endlosschleife. Kann man nicht zu Ende schauen, zu unerträglich.“

Jetzt haben die OMR als Veranstalter auf den Vorwurf des Sexismus zu antworten. Das Mitleid des Betrachters hält sich in Grenzen. Vodafone als „Content Partner“ und Audi als „Premium Partner“ werden sich gut überlegen, ob sich eine weitere Investition in das Festival lohnt, wenn ihre Markennamen unübersehbar über derartigen Geschmacklosigkeiten prangen.

Der hier zur Schau getragene Chauvinismus hat deutlich mehr als nur einen riesigen Fremdschämfaktor. Er vermittelt ein indiskutables Bild der Werbebranche in der Öffentlichkeit. Es ist das Bild einer ohnehin in der Kritik stehenden Branche, die sich mittels fragwürdiger Influencer selbst beschädigt. Einer Branche, die offensichtlich von der öffentlichen Wirksamkeit solcher Auftritte absolut nichts versteht. Sexismus ist auch dann ein No-go, wenn er von „Hohlbirnen“ auf der Bühne der Werber vorgetragen wird.

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Da nicht zu erwarten ist, dass sich der Mann oder sein Umfeld entschuldigt, tue ich es stellvertretend für die Branche. Dafür, was Sie auf den Online Marketing Rockstars zu sehen bekamen, entschuldige ich mich in aller Form. Ich kann nur hoffen, dass die Werber ihrer Abhängigkeit von unzähligen, aus dem Ruder laufenden Influencern rasch ein Ende setzen. Unsere liebevoll „Zielgruppe“ genannten Verbraucherinnen und Verbraucher haben Besseres verdient.

Transparenzhinweis: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, Jeremy Fragrance stehe bei Aldi unter Vertrag. Tatsächlich handelte es sich um eine Werbekooperation mit Aldi Nord, welche zeitlich auf den Februar begrenzt war, wie ein Unternehmenssprecher mitteilte. Wir haben die entsprechende Passage, einen Zitatfehler sowie Zahlenfehler in den Follower-Angaben im Text korrigiert, und bitten, die Fehler zu entschuldigen.

Lesen Sie auch: Aldi Nord hat inzwischen reagiert und sich „deutlich von den Äußerungen, die Jeremy Fragrance im Rahmen des OMR getätigt hat“, distanziert.

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