Karten auf den Tisch Finale im Poker um Air Berlin

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Wie stehen die Chancen der einzelnen Bieter?

Worauf müssen sich die Beschäftigten einstellen?

Die Verunsicherung in der Belegschaft vor der Verkaufsentscheidung soll sehr hoch sein. Ob die rund 200 kranken Piloten womöglich einen verkappten Streik machten, ist schwer nachzuweisen. Volker Nüsse von der Gewerkschaft Verdi stellt jedoch klar: Die Interessen der gut 8000 Mitarbeiter müssten vorn stehen. „Der Frust wächst immer mehr.“ Angst gebe es vor allem in Bereichen, deren Einstellung schon vor dem Verkauf angekündigt wurde, etwa bei Fernzielen: „Wenn die Langstrecke nicht mehr im Flugplan ist, kann auf sie auch nicht geboten werden.“

Insgesamt könnten zahlreiche Jobs auf der Kippe stehen oder zumindest starke Gehaltseinbußen drohen. Einige Bieter hätten kein Interesse am Übergang ganzer Betriebsteile, sie wollten nur Maschinen übernehmen und neues Personal anheuern. Die Lufthansa-Tochter Eurowings einigte sich mit Verdi indes auf einen Tarifvertrag: Berufserfahrung soll bei Neubewerbern berücksichtigt, das Bestandspersonal geschützt werden.

Wie stehen die Chancen der einzelnen Bieter?

Ein Gesamtverkauf von Air Berlin gilt aus Wettbewerbsgründen als eher unwahrscheinlich - daher streiten mehrere Bieter darum, wer welches Stück vom Kuchen bekommt. Gute Chancen werden der Lufthansa und ihrer Billigtochter Eurowings eingeräumt, sie will bis zu 90 der 144 Jets, 38 davon sind schon an sie verleast. Im Rennen ist laut Insidern auch die British-Airways- und Iberia-Mutter IAG. Für sie könnte sprechen, dass beide Marken mit Air Berlin im Netzwerk Oneworld kooperieren.

An der Air-Berlin-Tochter Niki zeigen deren Gründer Niki Lauda und der Thomas-Cook-Ferienflieger Condor Interesse. Am Mittwoch reichte ein Gläubiger auch für Niki einen Insolvenzantrag ein - ob ein Verfahren gestartet wird, ist noch unklar. Nach eigenen Angaben hat Niki dem Gläubiger aber inzwischen sein Geld überwiesen.

Easyjet geht es um die Kurzstrecken. Bieter sind auch die Unternehmer Utz Claassen und Hans Rudolf Wöhrl sowie der Berliner Logistiker Zeitfracht. Interessiert ist auch der Chinese Jonathan Pang.

Welche Konsequenzen ergeben sich für den gesamten Luftverkehr?

Der Ausverkauf hat Folgen weit über Air Berlin hinaus: Es geht nicht nur um Maschinen, Personal und Infrastruktur, sondern vor allem um begehrte Start- und Landerechte. Ein Experte mutmaßte, sogar die umstrittenen Flugstreichungen bei Ryanair könnten damit zusammenhängen, dass sich die Iren im Fall eines Zusammenbruchs von Air Berlin sofort um freiwerdende „Slots“ bewerben könnten. Das ist zwar Spekulation, der Markt aber ist umkämpft.

Zunehmend zeichnet sich eine Zweiteilung in Billig- und Edel-Airlines ab, das Geschäft dazwischen ist massiv unter Druck. Die Ratingagentur Moody's warnte schon im Frühjahr: „Die Ertragskraft der europäischen Airlines dürfte 2017 abnehmen.“ Es tue sich eine große Lücke zwischen teils zögerlicher Nachfrage - wegen Terrorrisiken und anderer Faktoren - und wachsendem Angebot vor allem der Billiganbieter auf.

Was macht die Politik?

Ein Bundeskredit über 150 Millionen Euro soll den Betrieb der Air Berlin bis Ende November gewährleisten. Wettbewerber kritisierten dies scharf, Ryanair sprach von einem „abgekarteten Spiel“ zugunsten der Lufthansa.

Stefan Schulte, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, sagt: „Ursächlich für die Insolvenz ist der harte Konkurrenzkampf im Luftverkehrsmarkt, gepaart mit Management-Entscheidungen früherer Jahre.“ Doch der Gesetzgeber trage eine Mitverantwortung daran, weil er den Firmen einseitige Sonderlasten auferlegt habe - etwa durch die Luftverkehrsteuer.

Wichtig würde die Politik wieder, falls Transfergesellschaften für Mitarbeiter von Air Berlin kommen, wie sie der Vorstand und Verdi nun fordern. Sie würden mehrheitlich von der Bundesagentur für Arbeit finanziert.

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