Kassel-Calden Deutschlands überflüssigster Airport

In Nordhessen öffnete im April ein Flughafen, den kein Mensch braucht. Dennoch könnte er länger leben als gesündere Konkurrenten.

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Ein Testpassagier im Flughafen Kassel-Calden - Selbst wenn die Planungen eintreffen, dürfte der Airport rote Zahlen schreiben Quelle: dpa

Am Donnerstag wird Thomas Schäfer oberster Lenker eines Unternehmens. Dann öffnet der Flughafen Kassel-Calden, dessen Aufsichtsrat Schäfer als hessischer Finanzminister ist. „Der Airport“, so jubelte der Christdemokrat, der zur Feier nebst buntem Rahmenprogramm mit einigen Kollegen aus der Landesregierung in einer Sondermaschine aus Frankfurt einfliegen wird, „ist ein beeindruckendes Zeugnis für den wirtschaftlichen Aufschwung in Nordhessen.“

Hoffentlich nicht.

Denn der Landeplatz der kurhessischen Metropole ist nicht nur Deutschlands neuester Flughafen. Er ist auch Deutschlands überflüssigster Airport.

„Ich halte das für ein Investitionsgrab und eine komplette Fehlinvestition“, schimpft Ralf Teckentrup, Chef der Fluglinie Condor und Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften. Der Chef eines deutschen Flughafens sekundiert: „Es gibt bei uns grenzwertige Airports, unnötige – und dann gibt es Kassel.“

Schrumpfende und wachsende Flughäfen
Kassel-CaldenAb November 2013 bis Frühjahr 2014 soll es in Kassel-Calden keine Linienflüge mehr geben. Das berichtet hr-online. Verhandlungen über Flüge nach Ägypten seinen gescheitert, die ab Februar geplanten wöchentliche Flüge auf die Kanaren stünden auf der Kippe. Das Medium bezieht sich dabei auf Calden-Geschäftsführerin Maria Anna Muller. Der Regionalflughafen wurden am 4. April 2013 eröffnet. Die Kritik war von Anfang an groß, denn der Airport gilt als vollkommen überflüssig.Auf anderen deutschen Flughäfen herrscht dagegen ein regelrechter Überfluss an Passagieren... Quelle: dpa
+ 1: Karlsruhe/Baden-BadenDer Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden hat 2012 in Deutschland prozentual die meisten Passagiere hinzugewonnen. 15,4 Prozent Fluggäste mehr zählte der Baden-Airport, der in Rheinmünster-Söllingen steht. Insgesamt kam der Flughafen auf 1,28 Millionen Passagiere. Auf dem Baden-Airport werden auch immer mehr Fluggäste für außereuropäische Verbindungen abgefertigt.Quelle: Flughafen-Verband ADV Quelle: dpa/dpaweb
+ 2: Leipzig/HalleSegen für die Landebahn des Flughafens Leipzig/Halle (Archivbild): In 2012 hat der Airport seine Passagierzahl um 13,9 Prozent gesteigert. Damit schafft es Leipzig/Halle über die Zwei-Millionen-Marke. 2,09 Millionen Fluggäste landeten oder hoben dort ab. Der Flughafen ist vor allem als Drehkreuz für das Logistikunternehmen DHL bekannt. Quelle: dpa
+ 3: Berlin-TegelEigentlich sollte der Flughafen Berlin-Tegel in 2012 geschlossen werden. Stattdessen setzte er zu neuen Höhenflügen an: Das Passagierplus betrug 7,4 Prozent, 18,15 Millionen Fluggäste konnte der Airport begrüßen. Grund war der mehrfach verschobene Start des neuen Hauptstadtflughafens. Das größte Wachstum verzeichnete Tegel bei Interkontinental-Flügen. Quelle: dpa
+ 4: DortmundNicht nur BVB-Trainer Jürgen Klopp fliegt ab Dortmund: Der Flughafen im Ruhrgebiet verzeichnete 2012 ein Passagierplus von 4,6 Prozent. 1,9 Millionen Fluggäste hatte der Airport. Quelle: dpa
+ 5: DüsseldorfDüsseldorf ist nicht nur einer der größten deutschen Flughäfen, sondern auch einer der am stärksten wachsenden. 2,4 Prozent betrug der Zuwachs bei den Passagieren in 2012. Insgesamt wurden 20,81 Millionen Fluggäste abgefertigt. Interkontinental-Flüge waren mit einem Plus von 11,4 Prozent der Wachstumstreiber des Flughafens in Nordrhein-Westfalen. Quelle: dpa
+ 6: FrankfurtDer mit Abstand größte Flughafen der Republik wächst weiter. Mit einem Zuwachs von 1,7 Prozent lag Frankfurt über dem durchschnittlichen Wachstum von 1,1 Prozent. 57,27 Millionen Passagiere flogen ab, nach oder über den Frankfurter Airport, der nur im innerdeutschen Flugverkehr Einbußen hinnehmen musste. Quelle: AP

20 Millionen jährliche Last

Denn fest steht schon vor der Eröffnung: Der „Wohlfühlairport“ (Eigenwerbung) in Deutschlands dünn besiedelter Mitte dürfte den Steuerzahlern des Landes Hessen (Anteil: 68 Prozent), aus Stadt und Landkreis Kassel (je 13 Prozent) sowie der Gemeinde Calden (sechs Prozent) dauerhaft auf der Tasche liegen. Bereits der Bau verschlang mit mehr als 270 Millionen Euro fast doppelt so viel wie ursprünglich geplant.

Und im laufenden Betrieb rechnen selbst die Betreiber zumindest bis zum Jahr 2020 mit Verlusten, die laut den Schätzungen neutraler Experten bis zu zehn Millionen Euro im Jahr betragen können. Aber selbst danach wären Gewinne ein Wunder.

Denn Kassel-Calden hat hohe Kosten. Allein die Abschreibung der Aufwendungen für den Bau auf die üblichen 25 Jahre sorgt für eine Belastung von gut elf Millionen Euro im Jahr. Dazu kommen weitere geschätzte rund zehn Millionen Euro Betriebskosten für Terminal, Lotsen oder Flughafenfeuerwehr.

Diese gut 20 Millionen Euro kann der Flughafen unmöglich auf die Landegebühren umschlagen. Denn bei optimistisch geschätzten 500.000 Passagieren, die von 2015 an pro Jahr in Kassel starten und landen sollen, wären das für eine Urlaubsreise inklusive Steuern und Gebühren gut 100 Euro pro Person. „Das kann keine Fluglinie zahlen, ohne Verlust zu machen“, sagt ein führender Manager der Reisebranche.

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