Klaus-Michael Kühne Grandseigneur der Logistik will es nochmal wissen

Klaus-Michael Kühne, Mehrheitseigner des Logistikkonzerns Kühne + Nagel, sucht im Alter von 75 Jahre sein zweites Lebenswerk - die Hamburger Traditionsreederei Hapag Lloyd.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Klaus-Michael Kühne mit einem Bild von seinem Vater Quelle: Dan Cermak für WirtschaftsWoche

Wasserstoffblondierte Haare, schwarze Strähnen, kalte Blicke. Die zwei Frauen sehen alles. Aus fünf Meter Höhe blicken sie auf die Besucher und Mitarbeiter, die hier ein- und ausgehen, in der Zentrale von Kühne + Nagel, dem weltweiten Logistikkonzern mit Sitz im schweizerischen Schindeleggi.

Seit ein paar Tagen hängen die beiden vier Meter großen Fotoporträts der Pop-Sängerinnen Deborah Harry und Kim Wilde im Foyer des lichten Baus über dem Zürcher See. Klaus-Michael Kühne, der Mehrheitsaktionär des Logistikkonzerns, fördert gern Kunst. Doch so etwas, nein, das gefällt ihm ganz und gar nicht.

Die größten Logistikkonzerne der Welt
Platz 10: China Railway (China) Der Güterverkehr von China Railway macht über zwei Drittel des gesamten Verkehrsaufkommens aus. Hauptsächlich transportiert der Staatsbetrieb Kohle, Stahl, Erz und landwirtschaftliche Erzeugnisse. 2010 betrug der Logistik-Umsatz nach Angaben des Statistik-Portals Statista 14 Mrd. Euro. Daten für das Jahr 2011 sind noch nicht verfügbar.
Platz 9: CMA CGM (Frankreich) Auf Platz 9 des Rankings landet das größte französische Schifffahrtsunternehmen CMA CGM mit einem Logistik-Umsatz von 14,3 Mrd. Euro im Jahr 2010. Die Reederei wurde 1978 gegründet und ist an mehr als 650 Standorten in 150 Ländern vertreten. Auf dem Foto ist eines der größten Containerschiffe der Welt zu sehen, die CMA CGM Christoph Colomb, die bis zu 13.800 Standardcontainer transportieren kann. Quelle: dpa
Platz 8: Nippon Express (Japan) Der Konzern mit Sitz in Tokio wurde 1937 als halbstaatliches Transportunternehmen gegründet. Nippon Express verfügt über ein global gespanntes Transportnetz, dass mehr als 389 Orte in 37 Ländern miteinander verbindet. Spezialisiert ist das Unternehmen auf Dienstleistungen rund um den Transport von Waren, wie etwa IT-Technik, den Luft- und Seegüterverkehr sowie auf Spezialtransporte. 2010 betrug der Umsatz 15 Mrd. Euro.
Platz 7: Kühne + Nagel (Schweiz) 2010 war ein gutes Jahr für den Logistikdienstleister Kühne & Nagel aus der Schweiz. Der Frachtspezialist steigerte seinen Logistik-Umsatz auf 16,2 Mrd. Euro. Der Konzern will weiter wachsen: Kühne + Nagel plant das Transportgeschäft auf der Schiene auszubauen.
Platz 6: NYK Line (Japan) Die japanische NYK Line ist Teil des Mitsubishi-Konzerns und zählt zu den größten Reedereien der Welt. Seit 1968 ist das Unternehmen auch im Bereich der Containerschifffahrt etabliert - die einen Großteil des Gesamtgeschäfts ausmacht. Die Reederei betreibt auch den sogenannten Atlantic Express Shuttle (AES), das Waren zwischen Hamburg, Antwerpen und New York Waren verschiebt. 2010 erwirtschaftete der Konzern einen Logistik-Umsatz von 16,5 Mrd. Euro.
Platz 5: DB Schenker (Deutschland) Die Logistikgeschäfte der Deutschen Bahn, DB Schenker Logistics und DB Schenker Rail, sind unter dem Dach DB Schenker zusammengefasst. Das Unternehmen beschäftigt weltweit mehr als 91.000 Mitarbeiter an etwa 130 Standorten. 2010 erwirtschaftete die DB Schenker einen Logistikumsatz von 18,5 Mrd. Euro.
Platz 4: Maersk (Dänemark) Das Jahr 2010 hatte nicht gut begonnen für A.P. Moeller Maersk. Vor allem durch die von der Wirtschaftskrise gebeutelte Tochtergesellschaft Maersk, der größten Containerschiffsreederei der Welt, schrieb der dänische Mischkonzern erstmals in der Unternehmensgeschichte rote Zahlen. Doch dann zog die Konjunktur an und die Frachtraten für Containerschiffe legten kräftig zu. Das Ergebnis: 2010 lag der Logistik-Umsatz von Maersk bei 29, 1 Mrd. Euro - und das Unternehmen konnte einen Rekordgewinn, einen Nettoertrag von 3,8 Mrd. Euro, vermelden.

Freundlich bestimmt

„Wer ist denn der Verantwortliche für die Bilder?“, fragt er freundlich bestimmt eine Mitarbeiterin. Noch bevor die Angesprochene antworten kann, sagt Kühne trocken, er wünsche sich das Gemälde des Peruaners Antonio Máro zurück, das vorher hier hing. Gelbe Ölfarbe auf dreieinhalb Meter Leinwand – „das war ruhiger“, sagt Kühne, „wir machen ja nicht in Mode.“

Eigentlich könnte sich der 75-Jährige zurücklehnen, um Ruhe und Kunst zu genießen. Seine Welt – die des Transports, der Container und Frachtflugzeuge – dreht sich inzwischen auch ohne ihn. Aus dem schnöden Business hat er über Jahrzehnte hinweg ein Netzwerk gesponnen mit mehr als 1000 Standorten weltweit und einem Umsatz von umgerechnet 16 Milliarden Euro. Ein geschätztes Vermögen von knapp fünf Milliarden Euro macht Kühne zu einem der Wohlhabendsten Europas.

Grafik Klaus Michael Kühnes Imperium

Auch der Konzern steht solide da. Eben hat die Kühne+Nagel-Gruppe ihre Halbjahresbilanz vorgelegt. Nach sechs Monaten liegen die fakturierten Umsatzerlöse bei gut 10 Milliarden Schweizer Franken - 2011 waren es 9,8 Milliarden. Der Reingewinn ist auf 279 Millionen Schweizer Franken gefallen (2011: 314 Millionen). Die abebbenden Handelsströme haben dem Logistiksektor weltweit zugesetzt. Kühne + Nagel haben sich überdurchschnittlich gut geschlagen. Das wird Klaus-Michael Kühne freuen - auch wenn er mit dem operativen Geschäft nichts mehr zu tun hat.

Grandseigneur der deutschen Logistik

Der Grandseigneur der deutschen Logistik übergab alle Chefposten an andere. Doch in der Praxis steht der Rückzug nur auf dem Papier. Ob die Gestaltung des Foyers oder die Ausrichtung seines Unternehmens: Betrachtet der Mittsiebziger etwas als strategisch, läuft die Entscheidung über ihn. Und das immer mehr. Je älter der gebürtige Hamburger mit dem messerscharfen Scheitel wird, desto rastloser entfaltet er Aktivitäten – vor allem in seiner alten Heimat.

Von dort flohen Vater Alfred und er 1969 aus Angst vor der sozialliberalen Bundesregierung unter SPD-Kanzler Willi Brandt in die steuerfreundliche Schweiz. Nun nistet sich Kühne dort wieder ein. Er will den Erfolg auch am Ort seiner Wurzeln, nicht nur in den Alpen. Dazu scheint dem sparsamen Menschen nichts zu teuer. Er gibt Geld für den Hamburger Sport-Verein, fördert hanseatische Unis und sponsert die Elbphilharmonie, koste es, was es wolle.

Zweites Lebenswerk Hapag-Lloyd

Die größten Reedereien der Welt
Platz 10: Hamburg Süd Schiffe: 1111871 gründeten elf Hamburger Handelshäuser die Reederei Hamburg Süd. Das auf Containerschifffahrt spezialisierte Unternehmen ist Teil der Oetker-Gruppe. Der Jahresumsatz der Reederei beträgt 5257 Milliarden Euro. Mit 111 Containerschiffen ist Hamburg Süd – gemessen an der Zahl der Containerschiffe – die zehntgrößte Reederei der Welt.Quelle: Alphaliner Stand: Januar 2015 Quelle: dpa
Platz 9: MOLSchiffe: 112Die Mitsui O.S.K. Lines wurde 1872 als Teil des über 300 Jahre alten Familienunternehmens Mitsui-Zaibatsu gegründet – der heutigen Mitsui-Group. 1964 fusionierte die Reederei mit der Osaka Shosen Kaisha zu Mol. In Deutschland verfügt die Reederei über Niederlassungen in Bremen, Düsseldorf, Hamburg und Stuttgart. Quelle: Creative Commons
Platz 8: CSCLSchiffe: 136Die China Shipping Container Lines gehören zu den jüngsten Reedereien der Containerschifffahrt und ist Teil der China Shipping Group. Seit 1997 expandiert die chinesische Reederei massiv - und steuert alleine in China über 40 Häfen an. Quelle: dpa
Platz 7: PIL Schiffe: 157Mit der Küstenschifffahrt und kleinen Liniendiensten von Singapur in die Häfen Südostasiens begann 1967 die Erfolgsgeschichte der Pacific International Lines. In den folgenden Jahrzehnten dehnte die Reederei ihr Containerliniennetz von Asien nach Europa und schließlich in die ganze Welt aus. Bis heute ist PIL ein Familienunternehmen. Quelle: REUTERS
Platz 6: Cosco Container Schiffe: 164Die China Ocean Shipping Company wurde in Europa bekannt, weil die Reederei in der Finanzkrise 50 Prozent der Anteile am Hafen in Piräus für 35 Jahre übernommen hat. In der Containerschifffahrt haben die Chinesen ihr weltweites Netz in den vergangenen Jahren sukzessive ausgebaut. Quelle: dpa
Platz 5: Hapag LloydSchiffe: 184Durch die Fusion der Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag) und Norddeutscher Lloyd entstand 1970 einer der größten deutsche Logistik- und Transportunternehmen. Im Laufe der Unternehmensgeschichte, ging auch das Containergeschäft im Tui-Konzern auf. Mittlerweile gehört nur noch das Touristikgeschäft dem einstigen Mutterkonzern. Quelle: dapd
Platz 4: Evergreen LineSchiffe: 196Anders als der Name vermuten lässt, kommt auch die Reederei Evergreen aus China, genauer: aus Taipeh. Zur Reedereien gehören die Uniglory Marine aus Taiwan, die Evergreen Marine UK (vorher: Hatsu Marine) aus Großbritannien und die Lloyd Triestino (einst Österreichischer Lloyd, seit 2006 Italia Marittima). Darüber hinaus hält die Reederei Beteiligungen an der Fluggesellschaft Eva Air und an der Hotelkette Evergreen Laurel. Quelle: REUTERS

Im Zentrum seiner Altersunruhe aber steht sein zweites Lebenswerk: Hapag-Lloyd. Die Hamburger Traditionsreederei soll aller Welt zeigen, dass er sich trotz Fahnenflucht im tiefsten Innern als Hanseat fühlt. Mit zig Milliarden Euro kaufte er sich vor drei Jahren zusammen mit anderen Investoren sowie der Stadt Hamburg bei Hapag-Lloyd ein und ist nun mit 28 Prozent größter Privataktionär. Rein geschäftlich lässt sich das kaum erklären, eigene Schiffe sind für Spediteure wie Kühne + Nagel nur Ballast, lieber mieten sie Frachtraum und kündigen ihn bei Bedarf. Bei Hapag-Lloyd jedoch ist Kühne darauf aus, wie er betont, dass die ungeliebte Tochterfirma des Tourismuskonzerns TUI nicht an Asiaten fällt.

Um das zu verhindern, hat Kühne auf seine alten Tagen noch ganz Großes vor mit der Reederei, die 1847 in Hamburg gegründet wurde und seit nunmehr 165 Jahren Schiffstransporte nach Übersee organisiert. „Ich möchte dauerhaft beteiligt bleiben“, sagt er. Wenn nötig, werde er nach dem geplanten Börsengang 2013 und der Verwässerung seines Anteils durch eine mögliche Kapitalerhöhung den Geldbeutel erneut öffnen, um sich eine Sperrminorität von 25 Prozent zu sichern. Das ist für ihn aber nur ein kleiner Schritt zu einem grandiosen Fernziel: der Schaffung einer deutschen Großreederei, die es mit Megawettbewerbern aufnehmen kann.

Disziplin

„Nur ein Zusammenschluss kann die Reederei wieder in die Spitzengruppe um die dänische Maersk und die Schweizerische MSC hieven“, doziert Kühne. Hamburg Süd, die zweitgrößte deutsche Reederei, wäre „ein idealer Partner“. Er habe schon mal mit der Oetker-Familie gesprochen, der Hamburg Süd gehört, doch habe es keine Annäherung gegeben. Auch fernöstliche Reedereien wie NOL aus Singapur, die einst nach Hapag-Lloyd ihre Fühler ausstreckte, wären eine Option. Eine „Fusion auf Augenhöhe“ erscheine Kühne aber fraglich.

Was treibt den hochgewachsenen, weißhaarigen Hanseaten in diesem Alter noch zu solchen Großtaten?

Stolz spielt eine Rolle. Kaum ein Unternehmer verkörpert so sehr die Chiffre für Disziplin, steifes Auftreten und Gefühl für Überlegenheit wie Kühne. Seit einer Stunde sitzt er in nahezu unveränderter Position: sein linkes Bein übers rechte geschlagen, zurückgelehnt in der Ecke des beigen Ledersofas seines Zimmers, sein rechter Arm auf der Seitenlehne, sein linker über der Rückenlehne. Er sitzt und spricht und sitzt, ohne seine Position auch nur einen Zentimeter zu verändern. Kein überflüssiges Wort kommt über seine Lippen, keine Floskel, keine unnötige Information.

Ohne Steuergeld

Kühne ist der personifizierte Klartext. TUI als Hauptgesellschafter bei Hapag-Lloyd habe die Reederei „zeitweise verkümmern lassen“, sagt er ohne Regung. Gut, dass der ehemalige Lufthansa-Chef Jürgen Weber nun auf TUI-Boss Michael Frenzel als Aufsichtsratschef folge. Mit dem 70-Jährigen beginne „eine neue Ära“, mit ihm zusammen werde er dafür sorgen, dass Hapag-Lloyd „zu den Gewinnern zählen wird“.

Kühne gab sich noch nie mit dem zweiten Platz zufrieden – weder privat noch beruflich. Er kann wütend und laut werden, wenn er beim Tennis verliert. Auf Widerspruch in der Firma reagiert er mitunter energisch. Mit 30 Jahren übernahm er den Betrieb seines Vaters. In den Achtzigerjahren wäre Kühne + Nagel nach Kauf einer Schiffslinie fast pleitegegangen. Zweimal verscherbelte er aus Not Anteile an seinem Unternehmen, erwarb sie später zurück. Heute ist Kühne + Nagel Branchendritter hinter Deutsche Post und Bahn. Doch der größte private Logistiker im Land, der ganz ohne Steuergeld auskam, ist er. „Klaus-Michael Kühne ist die weltweit herausragende Persönlichkeit in der Logistik“, sagt Erich Staake, Chef der Hafengesellschaft Duisport. Sein Hang zur Akribie und sein Gespür für den Markt seien einzigartig.

Blick in die Bücher

Verladen von Waren bei Kühne Quelle: Pressebild

Bezeichnend für diese Besessenheit ist eine Geschichte, die sich vor etwa zehn Jahren ereignete. 2001 ließ die Frachttochter der Lufthansa eine Maschine auf Arthur Antonio Da Silva taufen. So hieß der Inhaber der Spedition Jet-Speed aus Hongkong. Da Silva war Kühnes Konkurrent und Großkunde der Lufthansa – die Taufe ein Zeichen des Dankes für langjährige Partnerschaft. Als Kühne später zufällig den Namen seines Kontrahenten auf einer Boeing 747 erblickte, griff er zum Hörer. Auch er sei Großkunde, sagt er. 2004 benannte Lufthansa einen Jumbo auch nach Kühne.

Die Welt sollte ihn kennenlernen. Legendär sind auch seine Besuche in den weltweiten Standorten von Kühne + Nagel. „Kühne schaute immer gerne in die Bücher“, erinnert sich ein Regionalleiter. Per Zufallsprinzip zog er drei Jahresabschlüsse aus dem Regal. „Da musste man hoffen, dass es gute Jahre waren.“ Denn einer wie Kühne vergesse nichts. Namen und Gesichter merke er sich wie kein anderer. Mitarbeiter überrasche „Klaumi“, wie Weggefährten ihn nennen, oft mit Details aus Gesprächen, die Jahre zurückliegen.

Erfolgsprinzip Schnelligkeit

Obwohl Kühne 1998 offiziell aus dem Alltagsgeschäft ausstieg, lebt sein System in der Zentrale ungebrochen fort. Noch immer schaltet sich in der Firmenzentrale das Licht in den Büros nach Feierabend automatisch ab, um Strom zu sparen. Wer weiter arbeiten will, muss das Licht wieder einschalten. Zugleich ließ Kühne Bewegungsmelder installieren, die das Licht auch dann ausknipsen, wenn sich ein Mitarbeiter längere Zeit nicht bewegt. Um Porto zu sparen, transportieren Manager bis heute Post auf Dienstreisen mit sich.

Das Unternehmen entwickelte sich unter diesem Regime zum Renditekönig: vier Prozent operative Marge 2011. In der Seefracht sind die Spediteure mit dem Anker-Logo Nummer eins. In der Luftfracht, bei Logistiklösungen und im Bahn-Speditionsgeschäft zählen sie zur Weltspitze. Kühnes Erfolgsprinzip heißt Schnelligkeit. Er gab den Landesgesellschaften Macht, um auf Kundenbedürfnisse flexibel zu reagieren. „Es gab einen ausgeprägten Unternehmergeist“, sagt ein Top-Manager.

Grafik Kurs der Kühne+Nagel-Aktie

Kühne gestaltet weiter mit

Gleichwohl spürt Kühne, dass sein Unternehmen in neue Dimensionen vorstößt. 2011 übernahm Nachfolger Karl Gernandt den Chefposten in der Holding, in die Kühne seine 53 Prozent an dem Logistikkonzern eingebracht hat, und damit auch den Vorsitz des Verwaltungsrats bei Kühne + Nagel. Unter Gernandt verändert sich der Logistiker vom Mittelständler zum Konzern. Die DNA gehe verloren, sagt ein Manager. Entscheidungen dauern länger, Formalitäten werden wichtiger. Kühne bestätigt, dass „sich der Individualismus abbaut“. Früher kannte er jeden leitenden Mitarbeiter persönlich. Das sei heute schwieriger. „Ein gewisses Konzerngebaren ist nicht zu vermeiden“, so Kühne. „Die guten alten Zeiten kommen nicht wieder.“

Kühne trauert Vergangenem aber nicht hinterher, sondern gestaltet weiter mit – auch wenn ihm das mancher Manager nicht ansieht. Wegbegleiter erinnern sich an eine Vorstandssitzung, bei der Kühne als Verwaltungsratschef in der zweiten Reihe saß. Er ließ die Diskussion laufen und sagte kein Wort, obwohl es um eine millionenschwere Investition ging. „Wie weggedöst“, erinnert sich ein Teilnehmer, habe „Klaumi“ gewirkt. Als der Vorstand die Summe freigeben wollte, hob Kühne die Stimme und stoppte die Investition.

Arbeit von der Südsee aus

Die 10 größten Onlinehändler in Deutschland
Apple Quelle: AP
Alternate.de Quelle: Screenshot
Platz 8: Conrad.de Quelle: Screenshot
Tchibo.de Quelle: dpa
Platz 6: Bonprix.de Quelle: Screenshot
Cyberport.de Quelle: Screenshot
Platz 4: Notebooksbilliger.de Quelle: Screenshot

In Zukunft soll Kühne + Nagel wachsen. In China und Brasilien baut der Konzern ein landesweites Transportnetz auf. In Deutschland kaufte Kühne + Nagel jüngst einen langjährigen Geschäftspartner. „In etlichen Ländern müssen wir unser Landverkehrsnetz weiter ausbauen und vervollständigen“, sagt Kühne, „vor allem in Osteuropa, Spanien und Italien wollen wir zukaufen.“

Über den Fortschritt lässt sich Kühne per E-Mail unterrichten. Mit Laptop und Internet-Zugang ausgerüstet, arbeitet er oft von einer seiner zahlreichen Reisen aus. Auf dem Luxusliner „MS Europa“ wird er von Dezember an mit Gattin Christine sieben Wochen lang die Südsee bereisen und „mehrere Stunden am Tag die Dinge erledigen“. Sonst fährt er gerne mit seiner Yacht übers Mittelmeer.

Hobby HSV

Der Samstagnachmittag scheint Kühne jedoch heilig. Wenn der Hamburger Sport-Verein spielt, sitzt er vor dem Fernseher. „Der HSV ist mein Hobby“, sagt er. Doch Kühne wäre nicht Kühne, würde er auch hier nicht geschäftlich mitmischen. Vor zwei Jahren investierte er 12,5 Millionen Euro in sechs Spieler und sicherte sich das Recht, am Verkaufserlös der Spieler mitzuverdienen.

Das brachte ihm Kritik ein. „Ich stand plötzlich in den Schlagzeilen, obwohl ich dem Verein nur helfen wollte“, sagt er. Als Investor für neue Spieler stehe er dennoch zur Verfügung. Jedoch würde er „auf keinen Fall mehr den Alleinunterhalter machen, als der ich in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde“. Geld will er nur noch geben, wenn sich andere Geldgeber mit ihm zusammenschlössen.

Das klingt alles nach Kühne, wie ihn die meisten kennen: berechnend, kühl abwägend, strategisch versiert. Und doch gibt es einen Zug an ihm, der sein langes Leben kaum bestimmte: Emotionen. Beim Fußball kommt genau das zum Vorschein. So will Kühne am liebsten den Holländer Rafael van der Vaart zurückholen, der schon einmal beim HSV spielte. „Das wäre wirklich großartig“, schwärmt er. „Er und seine Frau waren ja in Hamburg sehr beliebt.“

Luxushotel auf Mallorca

Emotional kann Kühne auch werden, wenn es um Mallorca geht, neben Hamburg und Schindellegi seine dritte Heimat. Er kaufte im Südwesten der Insel Land mit schlossartigem Anwesen, das er nun zu einem Luxus-Hotel umbauen lässt. Im April 2013 ist Eröffnung. Geplant seien ein Spitzenrestaurant und viel Natur für „Leute, die sich zurückziehen wollen“, sagt Kühne.

Aber dann muss er doch wieder gegen den Profitmaximierer kämpfen, der so viele Jahre sein Innerstes bestimmten. „Die Baukosten sind enorm“, sagt Kühne. Jedoch trenne er das Projekt auf Mallorca von seinen „wirtschaftlichen und rationalen Aktivitäten“. Insofern sei es „eher ein Hobby als ein Geschäft“. Also eigentlich nichts für ihn – oder neuerdings gerade doch?

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%