Klimaschutzgesetz „Die CO2-Steuer gefährdet deutsche Unternehmen“

DER-Touristik-Chef Sören Hartmann kritisiert: Eine deutsche Klima-Abgabe treibt Urlauber zu ausländischen Reiseanbietern. Quelle: dpa

Die „Friday for Future“-Demonstranten fordern eine CO2-Steuer, auch Umweltministerin Svenja Schulze ist dafür. Bis Ende September will die Bundesregierung ein Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen. Doch es gibt Widerstand aus der Tourismus-Industrie: Sören Hartmann, Chef des Reisekonzerns DER Touristik (Dertour, ITS Reisen, Meiers Weltreisen), erklärt, warum er gegen die Steuer ist.

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WirtschaftsWoche: Haben Sie Verständnis für die „Friday for Future“-Demonstrationen?
Sören Hartmann: „Friday for Future“ müssen wir ernst nehmen. Die Schüler treffen den Punkt: Klimawandel mit Wetterextremen ist bereits Realität. Es dient uns allen, wenn wir uns dieser Herausforderung stellen, und die Jugend fordert dies zurecht ein. Aber Greta Thunberg und ihre Mitstreiter haben nichts von Applaus und Aktionismus. Wir müssen als Branche mit allen, nicht nur mit der Jugend, in den Dialog einsteigen, unsere Expertise nutzen und zu verantwortungsvollen Entscheidungen kommen.

Die Schülerbewegung fordert eine CO2-Steuer. 180 Euro pro Tonne CO2. Was halten Sie davon?
Die CO2-Steuer wäre gewiss eine schnelle Lösung, die jedoch zwei Widerhaken hat: Wird sie nur national eingeführt, gefährdet sie deutsche Unternehmen. Die Kunden zögern heute keine Sekunde, den billigsten Preis zu suchen. Insbesondere Auslandsflüge würden sich schnell auf ausländische Portale verlagern. Das bringt dem Klima letztlich wenig.  Wird eine solche Steuer nicht durch Entlastung an anderer Stelle ausgeglichen, so wird das Reisen für viele Menschen in der heutigen Form nicht mehr möglich sein. Für eine Urlaubsreise mit der Familie geben die meisten rund ein Monats-Nettoeinkommen aus. Nach oben ist bei vielen keine Luft. Wollen wir ernsthaft das Reisen ausschließlich den Gutbetuchten vorbehalten? Das kann nicht die Lösung sein.

Mit welchen zusätzlichen Kosten für Reisende rechnen Sie , wenn die Steuer kommen sollte?
Das kommt auf den Steuersatz an, der ohne Frage auf den Reisepreis draufgeschlagen werden müsste. Inkludieren lässt sich dies angesichts der geringen Margen nicht. Die CO2-Kompensation für Frankfurt-Bangkok-Frankfurt kostet pro Person rund 135 Euro, für Mallorca rund 14 Euro. Das ist heute schon über Kompensationsrechner zu ermitteln und über spezialisierte Unternehmen zu bezahlen. Der Anteil der Reisenden, die dies tun, liegt unter fünf Prozent. Bezahlen Sie für den Klimaschutz 14 Euro, wenn ihnen das Ticket pro Strecke für 29 Euro hinterher geworfen wird? Fast kein Mensch macht das. Insbesondere bei Flügen ist das Preisempfinden der Verbraucher und auch der Firmenkunden zerstört. Die Airline-Insolvenzen sind dafür die Quittung.

Was schlagen Sie vor?
Reisen, insbesondere die Transportleistung, brauchen einen angemessenen Preis, damit jede Reiseentscheidung rational abgewogen wird. Zurück zum Klima: Der CO2-Fußabdruck muss den Reisenden vor ihrer Buchung bewusst gemacht werden. Natürlich könnte dies über eine Steuer geschehen, aber warum greift in der politischen Diskussion keiner die Idee der „Nudges“ auf, der Stupser, die zu klugen Entscheidungen motivieren? Worauf achten Sie beim Kauf ihres Kühlschranks? Auf die Energieeffizient, am besten mit dem dunkelgrünen Pfeil mit „A+++“.  Wie ist der Klimaeffekt unterschiedlicher Reisepläne? Wie kann ich Emissionen minimieren, Auswirkungen bewusst kompensieren und wofür wird dann mein Beitrag konkret eingesetzt? Genau diese Informationen brauchen mündige Bürger, damit sie für sich und die Umwelt die richtigen Entscheidungen treffen.

Durch Aufklärung der Kunden alleine wird der CO2-Ausstoß nicht sinken. Welche Alternativen gibt es zur CO2-Steuer?
Der Emissionshandel zwingt und motiviert die Airlines, ihren Gesamtausstoß zu reduzieren. Das greift und geht genau in die richtige Richtung. Dazu gehören ohne Zweifel Hinweise für die Reisenden. Ich habe darüber hinaus eine Erwartung und eine Hoffnung zugleich: Die Bundesregierung hat erstmals in der Geschichte unseres Landes eine Tourismus-Strategie angekündigt. Das ist großartig, denn es ist die Chance, für klimafreundliches Reisen klug durchdachte Leitplanken zu setzen, die dem Klima helfen und das für unsere persönliche Erfahrung und für das Verständnis zwischen den Völkern so wichtige Reisen nicht abwürgt. CO2-Steuer? Bloß kein Schnellschuss! Sonst wiederholt sich das Diesel-Debakel. Alle sind verunsichert und dem Klima ist nicht gedient.

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