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Quelle: dpa

Coronahilfen: Betroffenheit muss zählen, nicht Lobbyisten-Einfluss

Der Staat steht in dieser Krise in der Verantwortung, Unternehmen zu helfen – auch in großem Umfang. Doch es ist der falsche Weg, Hilfsprogramme für einzelne Branchen oder Unternehmen zu konstruieren. Denn das führt in eine staatlich gelenkte Wirtschaft und zu einem teuren Überbietungswettbewerb von Lobbyisten.

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Lufthansa, die Autoindustrie, Hoteliers, Kulturbetriebe…

Es vergeht kein Tag, an dem nicht ein Unternehmen oder ein Branchenverband staatliche Hilfen angesichts der Coronakrise verlangt. Die Rufe kommen nicht zu Unrecht, denn die aktuelle Krise ist ja nicht eine Folge von Fehlentscheidungen, für die die Unternehmen verantwortlich gemacht werden können. Viele Politiker gehen gerne auf die Hilferufe ein, können sie sich doch als Retter inszenieren, Geld verteilen und Einfluss nehmen auf Unternehmen und Branchen.

Der Bundeswirtschaftsminister etwa hatte noch Anfang letzten Jahres für die Durchsetzung seiner industriepolitischen Vorstellungen von einer Beteiligungsfazilität geschwärmt, die er bisher nicht durchsetzen konnte. Jetzt in der Krise stehen seine Chancen besser. Die Argumente gegen diese Fazilität, die vor der Krise richtig waren, sind es auch während und vor allem nach der Coronapandemie. Ähnliches gilt für die direkte Subventionierung einzelner Unternehmen in einzelnen Wirtschaftszweigen. Lassen wir zu, dass der Staat in zahlreichen Branchen unternehmerisch tätig wird, zahlen wir für die Rettung der Wirtschaft einen noch höheren Preis als ohnehin notwendig.

von Benedikt Becker, Sven Böll, Sophie Crocoll, Max Haerder, Cordula Tutt

Die Vergabe der Hilfspakete an einzelne Unternehmen oder Branchen droht vor allem nach einem Muster zu verlaufen: Wer die einflussreichste Lobby hat, bekommt etwas, wer nicht – etwa Soloselbständige oder kleine Mittelständler –, muss sich hinten anstellen. Damit gerät der eigentlich notwendige Maßstab aus dem Blick: die tatsächliche Betroffenheit. Mitnahmeeffekte auf Kosten der Allgemeinheit sind die Folge. Zudem kommt es zu einer politisch induzierten Veränderung der Wirtschaftsstruktur.

Wer aus dieser Krise gestärkt oder geschwächt hervorgeht, hängt nicht von unternehmerischer Tüchtigkeit oder Weitsicht ab, sondern von undurchsichtigen Entscheidungskriterien in Regierungen und Ministerien. Schnell kann es zu Interessenkonflikten kommen: Wenn der Bund plötzlich Großaktionär der Lufthansa ist, will er dann noch für die Luftfahrtbranche teure Klimaschutzvorgaben vorantreiben? Wie verträgt sich eine Neuwagenprämie mit dem Ziel einer technologieneutralen Förderung klimaschonender Transportmittel?

Deutschland verspielt Glaubwürdigkeit

Die Maßstäbe verrutschen schon auf nationaler Ebene: Warum etwa wird die Mehrwertsteuer für gastronomische Angebote gesenkt, die für Fitnessstudios aber nicht? Auf europäischer Ebene droht das über Jahrzehnte mühsam erkämpfte Regelwerk für staatliche Beihilfen in sich zusammenzufallen. Deutschland gab gerne den marktwirtschaftlichen Ordnungshüter, wenn andere Regierungen beherzt in die Staatskasse griffen, um angeschlagene Unternehmen vor dem Untergang zu bewahren.

Schon bislang verhielten sich deutsche Regierungen nie so vorbildlich wie proklamiert. Nun untergräbt eine regelfreie deutsche Rettungspolitik die Glaubwürdigkeit, auch anderswo politische Zurückhaltung einzufordern, wenn es um das Stützen nicht wettbewerbsfähiger Unternehmen oder Wirtschaftsstrukturen geht. Wie soll Italien überzeugt werden, die seit Jahren kernfaule Alitalia nicht weiter mit Hilfen am Leben zu halten?

Die bessere Alternative wären regelgebundene Hilfsprogramme, die den politischen Spielraum minimieren und Anreize für unternehmerisches Handeln erhalten. Die tatsächliche Betroffenheit in der Krise sollte Maßstab für den Erhalt von Geldern sein. Zudem gilt es, das Eigenkapital von Unternehmen zu erhalten, damit wir nicht nach der akuten Krise mit einer unter Schulden ächzenden Wirtschaft dastehen, die nur noch eingeschränkt handlungsfähig ist. Das heißt, neben liquiditätssichernden Krediten muss es auch nicht rückzahlbare Zuschüsse geben.

Akut geht es für viele Unternehmer nicht bloß um das Sichern von Liquidität, sondern um die schiere Existenz. Insbesondere kleineren Unternehmen – aber nicht nur diesen – stellt sich immer dringlicher die Frage, ob das Durchhalten noch lohnt. Aber ohne breites unternehmerisches Engagement wird sich die Wirtschaftsleistung nach dem Shutdown nicht rasch erholen können.

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