
Spohr erlebt derzeit mit dem Absturz der Germanwings-Maschine den Albtraum jedes Unternehmenschefs. 150 Menschen starben, womöglich weil es der Co-Pilot so wollte. Und Spohr soll nun Journalisten aus aller Welt erklären, wie es dazu kommen konnte – ohne das schwer angeschlagene Ansehen der Lufthansa noch weiter zu beschädigen.
Zur Person
Reinhard Sprenger zählt zu den renommiertesten deutschsprachigen Managementautoren. Führungserfahrung sammelte er bei 3M und Adecco.
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Herr Sprenger, wie gut ist das Krisenmanagement des Lufthansa-Chefs?
Sprenger: Vergleichen Sie sein Auftreten und seine Informationspolitik rund um den Flugzeugabsturz mal damit, wie der Baukonzern Bilfinger und Berger beim Einsturz des Kölner Stadtarchives reagierte. Dann erkennen Sie den Unterschied sofort. Der Lufthansa-Chef scheint nach besten Kräften versucht zu haben, erstens zeitnah und zweitens umfassend zu informieren. Und er hat sich nicht wie andere in solchen Stresssituationen hinter seinem Pressesprecher verschanzt.
Chronologie der Germanwings-Ermittlungen
Präsident François Hollande, Kanzlerin Angela Merkel und Nordrhein-Westfalens Regierungschefin Hannelore Kraft fliegen über den Unglücksort. Die Staatsanwaltschaft Marseille ermittelt wegen fahrlässiger Tötung.
Die Auswertung des Stimmenrekorders nährt einen Verdacht: Copilot Andreas Lubitz steuerte den Airbus wohl mit Absicht in die Katastrophe. Der Pilot sei aus dem Cockpit ausgesperrt gewesen.
Ermittler geben bekannt, dass zu Hause beim Copiloten zerrissene Krankschreibungen gefunden wurden, auch für den Absturztag. Indessen sagt die Lufthansa den Hinterbliebenen eine Soforthilfe von jeweils bis zu 50.000 Euro zu. Viele Airlines führen die Zwei-Personen-Regel im Cockpit ein.
Germanwings eröffnet in der Nähe der Absturzstelle ein Betreuungszentrum für Angehörige.
Für Berichte, Lubitz habe an psychischen Problemen gelitten, gibt es zunächst keine Bestätigung. Die Meldungen lösen eine Debatte über die ärztliche Schweigepflicht aus.
Es wird offiziell mitgeteilt, dass Lubitz Jahre vor dem Absturz als suizidgefährdet eingestuft und in Psychotherapie war.
Es wird bekannt, dass die Lufthansa-Verkehrsfliegerschule während der Ausbildung des Copiloten von einer früheren Depression wusste. Versicherungen stellen laut Lufthansa für Kosten der Katastrophe 278 Millionen Euro zurück.
Nachdem die Gendarmerie die Bergung von Opfern an der Absturzzone abgeschlossen hat, konzentrieren sich die Experten auf die Suche nach dem zweiten Flugschreiber. In Haltern kommen erneut viele Menschen zu einem öffentlichen Gedenkgottesdienst zusammen.
Einsatzkräfte finden auch den Flugdatenschreiber. Der Copilot hat sich vor dem Absturz der Maschine im Internet über Möglichkeiten der Selbsttötung informiert und auch nach Sicherheitsmechanismen von Cockpittüren gesucht, wie die Staatsanwaltschaft Düsseldorf mitteilt.
Was können andere Chefs von Spohr für den Ernstfall lernen?
Der Konzern hatte einen klar strukturierten Verhaltens- und Kommunikationsplan für den Fall eines Flugzeugabsturzes in der Schublade. Der war durchdacht und wurde sauber abgearbeitet.
Aber dieser Schubladenplan ist in die Öffentlichkeit gelangt. Jedermann konnte nachlesen, wie Spohr welche Frage beantworten sollte. Plötzlich wirkte er unglaubwürdig, als sage er nur auswendig gelernte PR-Texte auf.
Ja, das stimmt. Obwohl man sieht, dass es ihm wirklich nahe geht, agiert er oft extrem marionettenhaft. Das fällt vor allem im Kontrast zu dem sehr nahbar und warmherzig wirkenden Bürgermeister aus Haltern auf, der 16 Jugendliche und zwei Lehrerinnen aus dem Ort betrauert. Aber Spohrs Starre hat ja einen Grund: Er will und darf nichts sagen, was Juristen später falsch interpretieren könnten. Deshalb hält er sich minutiös an die Vorgaben seines Krisenkommunikationsplans.
Ist das sinnvoll, wenn es ihn zugleich seiner Menschlichkeit beraubt?
Leider ja, denn eine skandalorientierte Presse lauert nur auf seinen Fehler. Die suchen ja geradezu verzweifelt danach.