Konzertveranstalter DEAG Wirtschaftsprüfer sehen hohe Risiken durch Rockfestivals

Mit neuen Festivals wollte der Konzertveranstalter Deag den Musikmarkt rocken: Doch die Wirtschaftsprüfer haben das Testat für Teile des Deag-Abschlusses verweigert – und warnen, dass die Existenz auf dem Spiel stehen könnte.

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Fans beim Festival Rock am Ring. Quelle: obs

Beim Blick auf die Homepage der Deutschen Entertainment AG (Deag) springt Besuchern derzeit unter anderem eine große Werbung für Peter Maffay entgegen. „Niemals war es besser“, heißt die nächste Tournee des Altstars, die Ende des Monats beginnt und für die die Deag derzeit um Besucher buhlt.

Sollte der börsennotierte Konzertveranstalter auf die Idee kommen, seinen Vorstand um den Vorsitzenden Peter Schwenkow selbst auf Tournee zu schicken, müsste sich die Berliner Combo aber einen ganz anderen Titel dafür ausdenken. „Lange war es nicht mehr so schlimm“ könnte eine brauchbare Variante sein: Bei der Deag brennt im Moment die Hütte.

Die Aktie kennt seit Monaten nur noch einen Kurs – nach unten. Die Probleme bei den mit großem PR-Bohei neu eingeführten Rockfestivals sind massiv, die Risiken kaum überschaubar – weshalb die Wirtschaftsprüfer für den nun vorgestellten Jahresabschluss in Teilen das Testat verweigert haben. Mehr noch: Sie warnen auch vor einer Situation, in der das Unternehmen sogar „im Bestand gefährdet“ sein könnte.

Nürburgring-Festival ist schon geplatzt

Grund für die Misere sind just die neuen Rockfestivals, mit denen die Deag eigentlich kräftig Kasse machen wollte. „Wachstumsschub durch massiven Eintritt in den Rockfestivalmarkt“, jubelte die Deag im November. „Der Ring – Grüne Hölle Rock“ Ende Mai am Nürburgring als Nachfolger des legendären „Rock am Ring“, parallel dazu „Rockavaria“ im Münchner Olympiapark, eine Woche später „Rock in Vienna“ auf der Wiener Donauinsel – so stellte sich die Deag ihre neuen Gewinnbringer vor.

Doch das Festival am Nürburgring ist schon geplatzt, es soll nun in der Gelsenkirchener Arena stattfinden. Nach dem öffentlich zelebrierten Zerwürfnis mit dem Nürburgring-Betreiber ist die Wachstumsmagie passé, mehr noch: Der nun veröffentlichte Geschäftsbericht offenbart, wie viel fauler Zauber in manch vollmundiger Ankündigung der Deag steckt. In sachlich-spröden Worten entzaubern die Wirtschaftsprüfer Schwenkows PR-Hokuspokus.

„Wir konnten mangels ausreichender Prüfungsnachweise die Höhe der erwarteten Ticketverkäufe auf Basis der Vorverkaufszahlen sowie mögliche Kostenreduktionen im Fall des Eintretens von deutlich unter Planwerten liegenden Ticketverkäufen nicht abschließend beurteilen“, halten die Prüfer der BDO AG fest. Somit könnten sie „keine hinreichende Sicherheit“ über die Angemessenheit der Höhe von bereits vorgenommenen Wertberichtigungen und eine mögliche Pflicht für Drohverlustrückstellungen gewinnen.

Ob die getroffene Risikovorsorge angemessen ist, sei „von uns nicht prüfbar.“ Die Angaben unter dem Punkt „Finanzielle Verpflichtungen“ im Jahresabschluss seien daher entgegen der Regelungen des Handelsgesetzbuchs „nicht ausreichend dargestellt.“

Testat teilweise verweigert, Bestand gefährdet

Die Folge: Bezüglich des Festivalbereichs verweigern die Wirtschaftsprüfer das Testat für den Abschluss. In einer Ad-Hoc-Meldung betont die Deag zwar, dass das Testat „nur in diesem einen Punkt“ eingeschränkt ist. Doch genau in diesem Punkt hat die Deag so massiv expandiert, dass ein Flop potenziell die Existenz des gesamten Konzerns gefährden könnte, wie die Wirtschaftsprüfer ebenfalls klar machen.

Die zehn größten Musikfestivals nach Umsatz 2014

Sie verweisen ausdrücklich auf eine im Lagebericht enthaltene Warnung und schreiben, „dass der Fortbestand der Gesellschaft bzw. des Konzerns gefährdet wäre, wenn bei einer deutlichen Abweichung der tatsächlichen Umsätze und der damit verbundenen tatsächlichen Zahlungsmittelzuflüsse aus Ticketverkäufen für die Festivals von den Prognosen eine Liquiditätsunterdeckung eintreten sollte und der Deag die Erschließung zusätzlicher Finanzierungsquellen nicht in ausreichendem Maße gelingen sollte.“

Die Prüfer geben damit fast wortgleich die Warnung des Vorstands im Lagebericht wieder. Auch dieser warnt, dass bei deutlichen Abweichungen von den Prognosen eine Liquiditätsunterdeckung eintreten könnte, in der „die Deag auf die Erschließung zusätzlicher Finanzierungsquellen (Fremd- oder Eigenkapital) angewiesen“ sei – also zum Beispiel auf zusätzliche Kredite oder eine Kapitalerhöhung. „Sollte dies dann nicht in ausreichendem Maße gelingen, wären die Gesellschaft und der Konzern im Bestand gefährdet.“

Paukenschlag kurz vor Mitternacht

Alleine die Umstände der Veröffentlichung des Geschäftsberichts zeigen die Brisanz: Bei der Deag wurde bis zuletzt um das Dokument gerungen. Ursprünglich sollte es schon am 31. März veröffentlicht werden, das wurde zunächst auf den 21. April verschoben. Und auch dieser Termin war nicht zu halten, die Deag schob erneut, diesmal auf den 30. April. Da die Deag im Prime Standard der Frankfurter Börse notiert ist, war das der letztmögliche Termin für die Veröffentlichung.

Denn während der Gesetzgeber zum Beispiel ein Jahr Zeit für die Veröffentlichung des Jahresabschlusses gibt, gelten für den Prime Standard durch die Börsenregeln höhere Anforderungen: Schon vier Monate nach Abschluss des Geschäftsjahres muss der Abschluss veröffentlicht werden, erklärt eine Sprecherin der Börse Frankfurt. Trotz zweimaliger Verschiebung arbeitete die Deag hart am Limit: Der Aufsichtsrat traf sich am 30. April, ließ sich von den Wirtschaftsprüfern über das Ergebnis der Prüfung in Kenntnis setzen. Kurz vor Mitternacht ging der Geschäftsbericht auf den letzten Drücker online, die Dateieigenschaften weisen aus, dass die finale Fassung um 22:49 Uhr erstellt wurde.

Grüne Hölle Rock-Plakat wird aufgehängt. Quelle: dpa

Immerhin einen Vorteil hatte die späte Veröffentlichung am 30. April: Als die Deag den Geschäftsbericht spätabends online stellte, verhallte der Paukenschlag  an den Börsen zunächst ungehört. Denn am Freitag folgte mit dem 1. Mai ein Feiertag, direkt danach das Wochenende. Das brachte drei Tage Atempause. Am Montag aber legte die Aktie dennoch eine wilde Achterbahnfahrt hin.

Aktie büßt massiv ein

Mit 5,88 Euro gestartet fiel sie zunächst auf 5,62 Euro, ein Minus von 4,4 Prozent. Erst am Nachmittag berappelte sie sich wieder und drehte am Ende sogar mit drei Prozent ins Plus, der Schlusskurs lag bei 6,10 Euro. Die generelle Tendenz ist ungebrochen negativ: Seit Ende Februar, als die Deag-Aktie mit 8,08 Euro ihren höchsten Stand seit mehr als zehn Jahren erreicht hatte, ist sie um rund ein Viertel abgestürzt. Den überaus positiven Kursverlauf des zurückliegenden Jahres hat die Deag damit zum größten Teil wieder eingebüßt. Vor einem Jahr lag der Kurs bei 5,70 Euro.

Neben den Wirtschaftsprüfern zweifeln offensichtlich auch die Aktionäre an Schwenkows Expansionsstrategie im Festivalsegment und den erheblichen Risiken. Der Absturz der Aktie dürfte aber auch damit zusammen hängen, dass die sonstigen Zahlen keinesfalls überragend ausfallen – auch wenn sich die Deag im Geschäftsbericht selbst attestiert, dass die Prognosen für 2014 „erfüllt oder überfüllt [sic!]“ worden seien.

Der Umsatz kletterte zwar von 165,5 auf 172,6 Millionen Euro, der Nettogewinn allerdings nur minimal von 0,98 auf 1,02 Millionen Euro. Gerade mal 40.000 Euro mehr als im Vorjahr blieben unter dem Strich hängen, die Deag hat also über das Geschäftsjahr einen passabel ausgestatten Mittelklassewagen zusätzlich verdient, und das bei einer Nettorendite auf den Umsatz von schmalen 0,59 Prozent. Zudem kündigte die Deag in ihrer Ad-Hoc-Mitteilung zum Jahresabschluss an, ihren Aktionären die Dividende streichen zu wollen. Im Vorjahr hatte es noch 12 Cent je Aktie gegeben, doch Vorstand und Aufsichtsrat wollen der Hauptversammlung vorschlagen, die „bisherige Dividendenpolitik erst für die Folgejahre fortzusetzen.“

Rechtsstreit wegen Nürburgring-Aus

Das ist sicherlich nicht das, was den Aktionären vorschwebte, als die Deag im November ihren Zwischenbericht nach dem dritten Quartal mit „DEAG ist nach neun Monaten über Plan und erwartet starkes Gesamtjahr 2014“ betitelte. Wie hart das Rock-Debakel die Deag trifft, wird sich in den kommenden Wochen herauskristallisieren. Die Festivals in Gelsenkirchen und München finden vom 29.-31. Mai statt, das in Wien vom 4.-6. Juni.

Die Folgen des Nürburgring-Aus hofft Schwenkow über eine Versicherung abfedern zu können, weil die Nürburgring-Betreiber aus seiner Sicht den Vertrag gebrochen haben – was diese allerdings bestreiten und stattdessen auf Schlechtleistung der Deag verweisen. Wer Recht hat mit seiner Position wird sich vermutlich erst vor Gericht klären. „Die Deag macht derzeit Schadenersatzansprüche geltend“, heißt es dazu im Geschäftsbericht.

Einstweilen jedenfalls müht sich Schwenkow, den notgedrungenen Umzug nach dem geplatzten Ring-Festival sogar als Erfolg zu verkaufen.  „Die neue Lösung ist eine großartige Win-Win Situation“, tönt der Deag-Chef in einer Presseerklärung. „Die Fans, die sich seit Monaten auf ‚Der Ring - Grüne Hölle Rock‘, eines der heißesten Festivals in Europa, freuen, haben mit ‚Rock im Revier‘ nun die Chance ein ultimatives Rock-Spektakel mitten im Ruhrgebiet zu erleben.“ Das Deag-Spektakel aber könnte statt als Rock-Rakete für Umsatz und Gewinn auch in einem „Blues in Berlin“ enden.

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