




Low-Cost-Offensive: Die Lufthansa will mit einer neuen Billig-Airline im Wettbewerb mit Ryanair und arabischen Rivalen wie Emirates wieder die Oberhand gewinnen. Für den Europa-Verkehr werde neben Germanwings unter der Marke Eurowings eine neue Günstig-Fluglinie geplant, sagte Konzernchef Carsten Spohr am Mittwoch im südhessischen Seeheim. An den Start gehen solle die Airline, die auf bis zu 23 Mittelstrecken-Jets ausgebaut werden könnte, im nächsten Frühjahr.
Lufthansa plant, die verschiedenen Wings-Gesellschaften in einer Holding zusammmenzufassen, die ihren Sitz wahrscheinlich nicht in Deutschland haben werde. In Frage kämen die Kernmärkte Schweiz, Österreich oder Belgien, sagte Spohr. Bislang fliegt Eurowings mit kleineren Bombardier-Jets ausschließlich im Auftrag der Germanwings und ist laut Spohr wegen geringerer Pilotengehälter noch einmal kostengünstiger als diese. Germanwings operiert zu etwa 20 Prozent geringeren Kosten als die Lufthansa-Passage und soll 2015 in die schwarzen Zahlen fliegen.
Zusätzlich werde auch für Langstrecken-Flüge eine neue Günstig-Plattform geplant, sagte Spohr - entweder im Alleingang oder mit einem Partner. "Turkish Airlines ist ein potenzieller Partner und wir sind in sehr fortgeschrittenen Gesprächen." Die Entscheidung solle im Herbst fallen.
Carsten Spohr: Pilot und Lufthansa-Kenner
Charismatisch, flugbegeistert und erfahren: Mit Carsten Spohr hat sich die Lufthansa für einen Favoriten auf den Chefposen entschieden. Seine steile Karriere bei der Airline findet so ihre Krönung.
Carsten Spohr wurde 1966 in Wanne-Eickel im nördlichen Ruhrgebiet geboren. Nach seinem Studium zum Wirtschaftsingenieur an der Universität Karlsruhe erwarb er die Verkehrspiloten-Lizenz an der Fliegerschule der Lufthansa. Danach absolvierte er das Trainee-Programm bei der Deutschen Aerospace AG.
Mit 27 Jahren kehrte Spohr zu der Airline zurück und schlug dort eine steile Karriere ein: Zunächst übernahm er die Leitung des zentralen Personalmarketings, später arbeitete er sich über verschiedene Funktionen zur Koordination der Regionaltöchter und dem Airline-Bündnis Star Alliance in die Spitze der Kerngesellschaft Lufthansa Passage empor. Zeitweise war er Assistent von Lufthansa-Legende Jürgen Weber.
Als Chef der Frachttochter Lufthansa Cargo lieferte Spohr bis zur Finanzkrise blendende Ergebnisse und zog schließlich 2011 gemeinsam mit dem scheidenden Lufthansa-Chef Christoph Franz in den Konzernvorstand ein. Gemeinsam setzten sie das harte Sparprogramm „Score“ durch.
Anfang Februar 2014 hat die lange Suche nach einem Nachfolger für Christoph Franz ein Ende: Lufthansa will Carsten Spohr zum neuen Vorstandschef machen. Der 47-Jährige galt im Vorfeld schon als Favorit.
Auch wenn seine Beliebtheit in der Belegschaft während der Sanierung abgenommen haben dürfte, gilt der begeisterte Flieger Spohr als charismatischer Gegenpol zu Franz. Dessen kühle, analytische Art verprellte viele Lufthanseaten. Spohr ist verheiratet und hat zwei Töchter.
Zudem werde geprüft, inwiefern bis zu sieben A340-Langstrecken-Flieger zu niedrigeren Kosten auf neuen Strecken oder von der Streichung bedrohten eingesetzt werden können. Eine Partnerschaft mit Air China soll die Stellung der Lufthansa auf dem wachsenden chinesischen Markt absichern.
Große Probleme
Parallel zur Billig-Offensive will Carsten Spohr die Kernmarke Lufthansa in Richtung Fünf-Sterne-Airline ausbauen. Geplant sind etwa besserer Service und gehobenes Catering in der Business-Klasse. Lufthansa müsse wieder der Maßstab der Branche sein. Der Lufthansa-Chef kündigte ein zusätzliches Investitionspaket von rund 500 Millionen Euro an, aus dem unter anderem ein Innovationszentrum in Berlin gegründet werden soll.
Spohr steuert den Lufthansa-Konzern seit gut zwei Monaten und muss zentrale Probleme lösen, um auf dem harten Markt in Zukunft bestehen zu können. Die Zeichen stehen schlecht. Anfang Juni kassierte er bereits die Gewinnversprechen seines Vorgängers Christoph Franz.
Auf den Kurzstrecken in Europa ist der Wettbewerb hart. Billigflieger wie Easyjet und Ryanair drücken auf die Preise und werben der Lufthansa nicht nur Touristen sondern auch Geschäftsleute ab. Auf den Langstrecken muss sich Lufthansa mit staatlichen gestützten Linien wie Emirates, Qatar oder Etihad messen - und zieht dabei zumeist den Kürzeren. Und auch bei Flügen über den Atlantik nimmt die Konkurrenz durch Air France-KLM und amerikanische Airlines zu.
Ein Lichtblick sind die Passagier-Zahlen: Die Lufthansa-Gruppe hat im ersten Halbjahr etwas mehr Fluggäste befördert als im Vorjahr, obwohl weniger Flüge durchgeführt wurden. Die Zahl der Fluggäste legte von Januar bis Juni um 0,8 Prozent auf knapp 50 Millionen zu. Insgesamt sank die Zahl der Flüge konzernweit um 2,2 Prozent auf 491.000. Dabei waren die Passagierflugzeuge wie im Vorjahr zu 78,1 Prozent ausgelastet. Unter anderem habe der Streik der Pilotengewerkschaft „Vereinigung Cockpit“ Anfang April zu Flugausfällen geführt.
Bei der Fracht stieg die Auslastung leicht auf knapp gut 70 Prozent, weil das Angebot gegenüber dem Vorjahr gekürzt wurde. Dabei wurden 807.000 Tonnen Fracht und Post transportiert (minus 3,8 Prozent).