Kreuzfahrt Sektempfang ohne Sekt

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Selbstbedienung und Kleingedrucktes

Den alltäglichen Kampf um die freien Liegen gab es auf der beschriebenen Reise auch Quelle: dapd

Im Fernsehen gibt es 13 Programme oder besser gesagt Deutsche Welle, drei Außenbordkameras - und stolze neun Verkaufsprogramme von Aida. Ein Spielfilm kostet acht Euro. Eine E-Mail zu lesen, die über den Fernseher empfangen werden kann, kostet 50 Cent - pro Aufruf. Also lieber den Inhalt abschreiben oder auswendig lernen... Unterhaltsamer ist da schon der Kampf um die Liegen an Bord, den deutsche Rentner gerade austragen. Der selbsternannte Aida-Partykönig lässt sich derweil den Cocktail schmecken, den ein Offizier gemixt hat. Offiziersmixen heißt der Programmpunkt, der mit lauter Musik des Aida-Radios begleitet wird. Sein eigenes Wort versteht auf dem Sonnendeck niemand mehr. Das Offiziersmixen gibt es dann auch mehrmals, wie die Akrobaten aus Kiew oder die Abba-Show oder die Beatles-Show. Letztere finden im nach allen Seiten offenen Atrium statt, einer Art Durchgangshalle. Dort werden tagsüber natürlich auch die Aida-Ausflüge beworben. Die Crew singt auf dem Pooldeck - kostenloses Abendprogramm für Aida. Applaus.

Meiner Freundin ist schlecht. Sie ist seekrank. Ich will also unseren Aufenthalt in der Wellness-Oase absagen. Dieser kostet immerhin 30 Euro für uns beide. „Nur mit Attest“, sagt die Dame im Spa-Bereich. Das Attest gibt es beim Arzt. Dort habe ich bereits 78 Euro gelassen, als ich mir beim Kajak-Ausflug eine Schnittwunde am Fuß zuzog. Wir protestieren. Mit Erfolg, wird der Spa-Dame doch nach einer Weile klar, dass sie es wäre, die den Tresen putzen müsste, sollte es meine Freundin nicht mehr rechtzeitig zur Toilette schaffen. Ich will Dart spielen. Das geht nur um 16 Uhr, wenn ein Aufpasser dabei ist. Okay, dann halt Billard. 1,50 Euro pro Viertelstunde und pro Person halten mich dann aber auch davon ab. Ich lese schließlich ein Buch in der Kabine und gehe am Abend vor lauter Langeweile zum Pokern. Wo man übrigens kostenlos Geld von seinem Bordkonto abheben kann, was an der Rezeption dagegen Gebühren kostet.

In Brunei haben wir und viele andere Aida-Neulinge dann gelernt und meiden organisierte Ausflüge. Aida reagiert und bietet einen reinen Shuttle-Bus an - für gut 27 Euro pro Person. Wir verzichten und nehmen lieber den öffentlichen Bus, der zwei Gehminuten entfernt vom Hafentor abfährt - für 60 Cent Euro pro Person und Fahrt und mit Rückfahrt, wenn wir wollen. Dafür gönnen wir es uns, die Wäsche an Bord waschen zu lassen. Sieben Teile für 15 Euro - klingt gut. Im Kleingedruckten steht dann aber: Wir übernehmen keine Haftung für Farbechtheit und Schrumpfungen. Auf Deutsch: Wir waschen alles zusammen bei 100 Grad. Das ist einem Anwalt, den wir an Bord kennen lernen, auch aufgefallen. Eine andere Dame berichtet uns von ihrer Buchung im vergangenen Winter. Sie war damals so begeistert von der Aida-Kreuzfahrt in der Karibik, dass sie gleich an Bord noch die nächste Reise gebucht hatte. Sie bekam 150 Euro Bordguthaben als Frühbucherrabatt und zahlte 2670 Euro für ein Businessflugpaket und 3000 Euro für eine Balkonkabine. Stattdessen setzte sie Aida in die Condor-Comfort-Klasse. Die Dame war bedient.

Was man von uns am Tisch im Restaurant nicht sagen kann. Selbst die Getränke muss man sich holen. Das nervt auf Dauer. Dafür lernt man ständig neue Leute kennen – und dass die Preise für 14 Tage Kreuzfahrt samt Flug für eine Innenkabine von 1300 bis 2100 Euro schwanken können, oder für eine Balkonkabine von 1600 bis 3000 Euro. Der Dumme ist - wie wir-, wer früh bucht.

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