Lakrids Wie ein Däne aus Lakritze ein Luxus-Produkt macht

Als Süßigkeit aus der bunten Tüte kennen wir sie alle: Lakritze. Aber als Premium-Produkt für Gourmets? Der Däne Johan Bülow hat daraus ein expandierendes Unternehmen geformt.

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Es sei seine Mutter gewesen, die ihn früh dazu brachte, über sein Leben nachzudenken, sagt Johan Bülow. Der schlanke 34jährige steht in einem Besprechungsraum mit schwarzen Wänden und Decke und fasst den entscheidenden Tipp in einen Satz zusammen: "Mach' etwas, das es noch nicht gibt."

Es sei wiederum sein Onkel gewesen, dessen teures Auto ihn als Kind so beeindruckt habe, dass daraus der nächste Baustein in der Geschichte seines Unternehmen wurde: "Er hat das mit einer kleinen Bonbon-Produktion in Bornholm geschafft", erzählt Bülow. Das musste für ihn selbst doch auch zu schaffen sein.

Es wurde dann: Lakritze. Gemeinsam mit seiner damaligen Freundin und heutigen Frau Sarah machte er sich im dänischen Bornholm ans Werk und ersann handgemachtes Lakritz in einer Gourmetvariante. Rückschläge inklusive. "Wir hatten kein Rezept", erzählt Bülow - auch Google half nicht recht. Beim Versuch, eines von den Giganten zu bekommen, wurde er ausgelacht. "Wir waren kurz davor aufzugeben." Als er dann schließlich an ein Rezept kam, arbeitete er daran und kochte jeweils acht Kilo in einem Topf. "Es gab schon Gründe, warum niemand das machte", erinnert sich Bülow. Doch das Ergebnis überzeugte Bülow so sehr, dass auf die einfache Lakritze wenig später eine Variante mit Schokoladenhülle und Pulverbeschichtung folgte. Sie soll den Gourmets einen Dreiklang aus Aromen bescheren – zum Beispiel aus Rosenwasser, Schokolade und eben Lakritz. "Das gab es so nicht", sagt Bülow.

Acht Stunden Schokoladenbad
Nach dem Aufkochen kühlt Lakritz in langen Bahnen, bevor es hart genug ist, um geschnitten werden zu können. Quelle: PR
Die langen Lakritzschlangen werden je nach späterer Verwendung in verschiedene Größen geschnitten. Quelle: PR
Die Lakritzstücke werden in Trommeln mit Schokolade umhüllt. Quelle: PR
Zunächst werden für den beliebtesten Artikel des Unternehmens Lakritzstücke in acht Stunden mit Schokolade umhüllt, im zweiten Schritt wird eine - oft farbige - dünne Schicht aufgetragen. Quelle: PR
In einigen Boutiquen des Unternehmens steht eine Softeismaschine für eine einzige Sorte: Lakritz. Quelle: PR
Produktverpackung und Gestaltung der Shops gehört zu den wichtigsten Eckpfeilern der Strategie - für bestimmte Märkte wie Dubai sind glänzende Kugeln besonders geeignet. Quelle: PR
Buchstaben und Zahlen sollen helfen, sich im Angebots-Wirrwarr zurechtzufinden. Quelle: PR

Und das ist bis heute eine Seltenheit: Elf Jahre nach Bülows Gründung findet sich in den Portfolios der großen deutschen Süßigkeitenhersteller noch immer keine Lakritze, die mit Schokolade umhüllt ist. Dafür findet sich Bülows Entwicklung in verschiedenen Geschmacksrichtungen in der First Class der Fluggesellschaft Emirates – mit goldenem Pulver natürlich. Und in Luxuskaufhäusern wie dem KaDeWe in Berlin, bei Ludwig Beck in München, beim Kaufhaus Breuninger in Düsseldorf und demnächst im Modehaus Engelhorn in Mannheim.

Am liebsten hätte Bülow alle seine Stores in Kaufhäusern im Erdgeschoss, direkt neben Parfüms und Kosmetik. Schon die Wahl der bisherigen Verkaufsstellen wirkt wie ein Statement: Bloß nicht in Verbindung gebracht werden mit anderen Süßigkeiten oder überhaupt Essen. Neben den großen Kaufhäusern vertreibt Bülow sein "Lakrids" auch in Boutiquen und Concept-Stores, etwa beim Luxus-Porzellanhändler Franzen in Düsseldorf, dem Pier14 in Kühlungsborn oder dem Hotel Ultra in Berlin.

Hohe Frequenz und anspruchsvolles Publikum: das sind die Vertriebspfeiler eines Produktes, das auf Anhieb wenig nach Luxus und Premium klingt. Mit Preisen ab acht Euro für 170 Gramm einfaches Lakritz und ab 10 Euro für 150 Gramm mit Schokoladehülle ist es aber genau das. Und die Passanten, die eine der aufwändig inszenierten Boutiquen oder Pop-Up-Stores sehen, etwa im Kopenhagener Tivoli oder im Berliner Bikini-Haus, haben im besten Fall keine Ahnung, was genau sich eigentlich in den Dosen und den bunten Kugeln befindet.

„Alle haben eine Vorstellung von Lakritz – und es ist immer die falsche“, sagt Stefan Zappe, der seit vier Jahren als Managing Director in Deutschland die Marke vertreibt. Während die einen an Haribos "Color-Rado" denken, haben andere das extrem würzige und salzige Produkt aus Süßholz im Kopf, wie es in den Niederlanden oder Skandinavien beliebt ist. Bei Bülow ist es eine eigene Kategorie.

Eine offene Schale in den Händen der Verkäufer ist das wichtigste Instrument für Lakrids, um das erklärungsbedürftige Produkt den potentiellen Kunden nahe zu bringen. Mehr als 80 Prozent des Umsatzes machen die Dänen mit den schokoladeumhüllten Varianten, die zusätzlich noch mit farbigen Pulverschichten überzogen werden. Passanten in Kaufhäusern und Flughäfen sollen aktiv eine Kugel angeboten bekommen, damit sie schmecken, was da nahe Kopenhagen so zusammengerührt wird.

Damit liegt allerdings auch ein guter Teil des Erfolgs eben genau in den Händen von Mitarbeitern, die vielleicht nicht immer Lust haben, mit dem Schälchen auf Menschen zuzugehen, die eigentlich auf dem Weg wohin sind. So kann es passieren, dass über längere Zeiträume die Mitarbeiter etwa an einem Flughafenshop lieber hinter dem Verkaufstresen stehen und sich austauschen, statt in die Offensive zu gehen. Während hunderte am aufwändig gestalteten Verkaufsraum vorbeischlendern. Zappe weiß um die Problematik und telefoniert gegebenfalls sofort mit seinen Vertriebskollegen.

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