Leipzig, Stuttgart, Essen Warum es E-Scooter noch nicht in allen großen Städten zu mieten gibt

Tier Hannover Quelle: dpa

E-Scooter sind mittlerweile in Deutschland so richtig angekommen – zumindest mancherorts. In einigen der größten deutschen Städte können sie nämlich nicht mal eben bequem ausgeliehen werden. Woran liegt das?

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In Dresden sind sie unterwegs, selbst im kleinen Herne und in Berlin ja sowieso. Etwa zwei Monate nachdem zum ersten Mal ein Verleiher von E-Scootern in einer deutschen Stadt an den Start gegangen ist, sind die Tretroller bereits in einigen deutschen Städten angekommen und erfreuen sich reger Nutzung – wenn auch nicht immer der Begeisterung der Bürger. Doch so manche Stadt konnte sich noch nicht dazu durchringen, die ausleihbaren E-Scooter zügig auf ihre Straßen zu lassen. In immerhin drei der zehn größten deutschen Städte sind E-Scooter-Verleiher noch nicht aktiv.

Oder liegt das gar nicht an den Städten, sondern viel mehr an den Anbietern, die da gar nicht hinwollen? Nach Essen, Leipzig oder Stuttgart? Allesamt Städte mit mehr als 500.000 Einwohnern – viele potenzielle Kunden laufen dort umher, die sich womöglich vorstellen können, zum Beispiel einen Teil ihrer Arbeitsstrecke mit dem Tretroller zu erledigen. Mitunter ist das schon in deutlich kleineren Städten wie Erfurt, Augsburg oder Lübeck möglich. Für einen Euro Startgebühr und 15 Cent die Minute geht es hier los mit der Rollerfahrt. In Leipzig, Essen oder Stuttgart – die gemessen an den Einwohnern in etwa doppelt so groß sind – nicht.

Kommt die neue Mobilitätsform hier schon in einer so frühen Phase an ihre Grenzen? Da sich alle prominenten Anbieter wie Lime, Tier, Voi oder Circ darauf verständigt haben, in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen Städten die Scooter verleihen zu wollen, liegt der Verdacht nahe, dass die Kooperation mit den noch fehlenden großen Städten nicht ganz rund läuft. Doch was ist wirklich los?

Bereits etliche Monate bevor E-Scooter Mitte Mai durch den Bundesrat offiziell auf deutschen Radwegen und Straßen erlaubt wurden, verhandelten die verschiedenen Anbieter mit Städten in der ganzen Bundesrepublik. Das dürfte im Fall von Stuttgart nicht anders gewesen sein: „Es ist völlig klar, dass Städte wie Berlin für die Verleiher zum Marktstart in Deutschland am attraktivsten sind. Das heißt aber nicht, dass die Anbieter erst seit kurzem mit uns sprechen“, sagt Ralf Maier-Geißer, Stabsabteilungsleiter im Referat Strategische Planung und Nachhaltige Mobilität. Die Anbieter würden hier einfach mit zeitlichem Verzug starten.

In zwei Wochen soll es in Stuttgart losgehen

Und tatsächlich: „In den nächsten 14 Tagen beabsichtigen bis zu einer Handvoll Anbieter in Stuttgart an den Start zu gehen“, verrät Maier-Geißer. Namen könne er noch nicht nennen, aber „alle Unternehmen wollen eine freiwillige Selbstverpflichtung für den Verleih von E-Scootern in Stuttgart unterschreiben“. Sprich: Sie wollen – wie schon anderswo üblich – mit der Stadt kooperieren.

Die Stuttgarter Selbstverpflichtung könnte allerdings ein Grund sein, warum die Anbieter erst jetzt in der baden-württembergischen Landeshauptstadt starten wollen. Immerhin formuliert die Stadt klare Vorgaben an die Anbieter: Keine E-Scooter direkt an ÖPNV-Stationen, in Fußgängerzonen und in Parks. Auch wenn sie den „Anbietern keine klaren Verbote wie ‚No-Go-Areas‘ aufbrummen will“, so mag sich der ein oder andere Anbieter genau überlegen, ob er in Stuttgart verleihen möchte oder nicht, wenn er nicht komplett freie Hand über sein Geschäft hat. Übrigens geht Ralf Maier-Geißer davon aus, dass letztendlich „wohl nur drei Anbieter nach Stuttgart kommen“.

Denn statt Verboten soll in Stuttgart sehr wohl die Anzahl der Roller begrenzt werden – zumindest im zentralsten Bereich der Innenstadt. Hier soll jeder Anbieter zu Tagesbeginn zunächst nur 200 Roller aufstellen dürfen. Auch das könnte möglichen Verleihern nicht gefallen. Zudem müssten sie in Stuttgart starke Konkurrenz fürchten. „Wir verfügen in Stuttgart mit dem RegioRadStuttgart über ein gut genutztes Fahrrad- und Pedelecverleihsystem“, erklärt Ralf Maier-Geißer. Und die erste halbe Fahrstunde ist auf den Fahrrädern sogar kostenlos. Zum Vergleich: Bei den gängigen Preisen kostet eine halbstündige Fahrt mit dem E-Scooter 5,50 Euro.

Und im Gegensatz zu Berlin oder Hamburg ist Stuttgart auch aufgrund seiner hügeligen Topografie ein eher schwieriges Pflaster. Für die E-Scooter ist das nicht ideal, bei Anstiegen rackern sie sich schon einmal ab und fahren erheblich langsamer.

Dann wäre da noch die Haltung der Stadt: „Wir werben nicht offensiv dafür, dass neue Verleiher nach Stuttgart kommen sollen. Doch als liberale Stadt wollen wir auch nicht den Eindruck vermitteln, dass wir sie hier nicht haben wollen“, sagt Ralf Maier-Geißer. Was positiv klingen mag, ist tatsächlich alles andere als eine freudige Einladung für Unternehmen wie Circ, Voi, Tier und Co. Der Start der Scooter in Stuttgart verspricht spannend zu werden.

Circ, Voi, Tier und Wind wollen nach Essen

In Leipzig ist derweil nicht einmal klar, ob es überhaupt einen Marktstart geben wird. Die Stadt stellt im Gegensatz zu Stuttgart tatsächlich klare Verbotszonen für E-Scooter auf und macht es den Unternehmen nicht gerade leicht. Das zeigt sich bereits in der bürokratischen Beschreibung des Status quo in der sächsischen Stadt: Für den Verleih von E-Scootern ist in Leipzig eine „Genehmigung zur Sondernutzung“ nötig. Ob ein Anbieter die Genehmigung erhält, darüber entscheidet die „Abteilung Straßenverwaltung im Verkehrs- und Tiefbauamt (Sachgebiet Sondernutzung) auf Antrag“.

Wer die Genehmigung tatsächlich erhält, darf allerdings zunächst einmal nur einen sechsmonatigen Probebetrieb ins Leben rufen. Und im Leipziger Stadtkern – innerhalb des sogenannten Promenadenrings – dürfen gar keine E-Scooter vermietet und abgestellt werden. Außerhalb dieses Gebiets soll der E-Scooter-Verleih an Mobilitätsstationen angebunden werden. Also ausschließlich an feste Standorte. Auf der Webseite der Stadt heißt es: „Der stationsunabhängige Verleih ist nicht genehmigungsfähig, da hier die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nur schwer regelbar ist und Auflagen nur schwer kontrollier- und durchsetzbar sind.“ Das dürfte die größte Hürde für die Anbieter sein, ob sie sich darauf tatsächlich einlassen ist fraglich. Gerade das unkomplizierte Abstellen an jeder Straßenecke gilt als wesentlicher Vorteil des E-Scooter-Sharings.

So teilt die Stadt dann auch auf Anfrage mit: „Bisher wurden daraufhin keine Anträge für E-Tretroller-Verleihstationen gestellt oder konkrete Konzepte der Verleihfirmen eingereicht, aus denen hervorgeht wie, mit wie vielen und vor allem wie die Firmen die Verleihsysteme gestalten wollen.“ Es würden aber weiterhin Gespräche mit potenziellen Anbietern laufen, sodass „wir derzeit von einem Start einzelner Unternehmen im Herbst ausgehen.“ Wohlgemerkt wäre das dann wohl erst der sechsmonatige Probebetrieb.

Vier interessierte Anbieter in Essen

Immerhin aus Essen – auch eine der zehn größten Städte Deutschlands und heute noch ohne E-Scooter-Verleiher – gibt es überwiegend positive Neuigkeiten für die Verleiher: „Am 17. Juli wurden seitens der Stadt Essen Kooperationsvereinbarungen an mögliche Anbieter von E-Scootern verschickt“, teilte die Stadt auf Anfrage mit. Diese Kooperationsvereinbarungen sollen nun von den Anbietern unterschrieben nach Essen zurückgehen und dann von der Stadt selbst unterzeichnet werden. Passiert ist das noch nicht. Aber erst danach sollen ein Starttermin sowie die Anzahl der Roller vereinbart werden.

Das klingt zwar auch bürokratisch. Allerdings scheinen die Fortschritte in Essen so gereift, dass die Stadt schon die Namen der interessierten E-Scooter-Verleiher mitteilt: Die Vereinbarungen wurden an Circ, Voi und Tier geschickt, wie die WirtschaftsWoche von der Stadt erfuhr. Neben diesen bereits in anderen deutschen Städten aktiven Verleihern ging eine Vereinbarung auch an Wind Mobility. Ein Berliner Start-up, das in Deutschland bereits Fahrräder verleiht und noch in diesem Sommer auch E-Scooter in deutschen Städten anbieten will. Womöglich ja in Essen.

Unterdessen hat Konkurrent Tier – ebenfalls ein Berliner Start-up – am 31. Juli angekündigt, ab sofort in Hannover, Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg seine türkisfarbenen Tretroller zu verleihen. Im Vergleich zu anderen Standorten sind auch das eher kleinere Städte. Aber offensichtlich solche, die dem Unternehmen, in das auch Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg investiert hat, weniger Bürokratie aufgedrückt haben. „Zeitnah werden dann fünf weitere deutsche Städte dazu kommen“, verriet Tier der WirtschaftsWoche.

Bislang fehlt ein ganz großer Wettbewerber in Deutschland gänzlich: das mit einer Milliardenbewertung ausgestattete Start-up Bird aus Kalifornien. Doch auch das soll sich ändern: „Wir starten in Kürze in Deutschland“, verrät Christian Gessner, Manager der DACH-Region bei Bird. „Es handelt sich lediglich noch um Wochen.“

Warum es bei dem E-Scooter-Pionier, der bereits im September 2017 gegründet wurde, so lange dauert? „Für uns ist nicht die Schnelligkeit entscheidend, sondern Qualität und Sicherheit. Wir bereiten unseren Start in Deutschland seit einem Jahr vor – die meisten anderen Anbieter existierten zu dem Zeitpunkt noch gar nicht“, sagt Gessner und hat einen weiteren Schlag gegen die Konkurrenz parat: Die Bird-Scooter seien nicht „von der Stange“ – ein weiterer Grund, warum das US-Unternehmen erst in Kürze startet.

Vielleicht ja in Stuttgart oder Leipzig. Dann wäre Bird zwar immer noch vergleichsweise spät dran. Aber die Konkurrenz war in diesen großen Städten ja bekanntlich auch nicht schneller.

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