Brad Bao ist CEO von Lime, einem Sharing-Anbieter für E-Scooter und E-Bikes, den er 2017 mitgegründet hat. Zuvor hatte Bao die US-Präsenz des chinesischen Technologiekonzerns Tencent aufgebaut. Bao leitete Tencent US für mehr als acht Jahre und hält einen MBA-Abschluss an der UC Berkeley Haas School of Business. Sein Unternehmen Lime zählt mittlerweile zu den am schnellsten wachsenden Tech-Unternehmen im Silicon Valley und wird mit mehr als zwei Milliarden US-Dollar bewertet.
Herr Bao, Lime verleiht seit mittlerweile zwei Monaten auch in deutschen Städten E-Scooter gegen Gebühr. Lang genug, um herauszufinden, was am deutschen Markt besonders ist?
Auf jeden Fall. Denn wir sind ja bereits seit zwei Jahren auf dem deutschen Markt aktiv – in Städten wie Frankfurt und Berlin verleihen wir schon länger E-Bikes, die Scooter sind jetzt neu dazugekommen.
Dann verraten Sie uns doch bitte, was das Besondere ist.
Zum einen war Deutschland das erste europäische Land, das eine wirkliche Regulierung der E-Scooter auf den Weg gebracht hat. Die Verordnung erlaubt es uns, sehr eng mit den Behörden in den verschiedenen Städten zusammenzuarbeiten. Ohne die Gesetze wären solch gute Kooperationen nicht möglich gewesen. Außerdem haben wir gelernt, wie hoch das Bewusstsein für den Schutz der Umwelt in der deutschen Bevölkerung ist. Das kommt unserem Geschäft entgegen. In einer eigenen, globalen Umfrage haben wir unsere Nutzer nach ihren Nutzungsgewohnheiten befragt: Wenn ein Scooter pro Tag mindestens drei Mal genutzt und so von mehreren Personen geteilt wird, dann reduziert er den privaten Besitz von anderen Fahrzeugen und somit auch die Anzahl der umweltbelastenden Verkehrsmittel.

Einige Studien zur Energiebilanz der Scooter decken sich mit Ihren Erkenntnissen, andere wiederum nicht. Doch der Umweltschutzgedanke dürfte auch in anderen europäischen Märkten sehr populär sein. Was schätzen Sie noch an Deutschland als Standort?
Ich habe auch ganz persönliche Erfahrungen in Deutschland gemacht. Ich bin beeindruckt vom Sicherheitsgefühl, das ich als Roller- oder Fahrradfahrer auf einem deutschen Radweg empfunden habe – es ist wirklich enorm und nicht zu vergleichen mit vielen anderen Märkten von Lime. Die hervorragende Infrastruktur ermöglicht uns die unkomplizierte Integration der Scooter in das bestehende Verkehrssystem in den deutschen Städten.
Hierzulande hört man ein solches Lob selten – eine willkommene Abwechslung! In wie vielen deutschen Städten verleihen Sie denn zurzeit Scooter?
Bis vor einer Woche waren es noch sechs Städte. In den letzten sieben Tagen sind allerdings sieben neue hinzugekommen. Unter anderem Hannover, Bochum, Dortmund oder Düsseldorf.
Tatsächlich liegen fünf der neuen sieben Städte in NRW. Woher kommt dieses Ungleichgewicht?
Wir kommen nicht einfach in die Städte und stellen unsere Scooter plump an den Straßenrand. Stattdessen wollen wir das eigene Geschäft stets im Einklang mit der Stadt aufsetzen. Das birgt allerdings ökonomische und logistische Herausforderungen: Wir müssen unsere Mechaniker vor Ort weiterbilden, Lager anmieten und die Größe der Scooter-Flotte dynamisch anpassen können. Die Voraussetzungen dafür waren in den neuen Städten nun geschaffen. Das ist der simple Grund, weshalb wir nun genau dort starten.
Es wäre aber durchaus möglich, die Roller einfach so aufzustellen. Den Städten fehlt die rechtliche Grundlage, Ihnen das zu verbieten. Warum tun Sie sich die zeitintensive Zusammenarbeit mit den diversen deutschen Stadtverwaltungen überhaupt an?
Das machen wir auf all unseren über einhundert Märkten so. Ich bin davon überzeugt, dass wir den besten Service vor Ort nur zusammen mit den Städten gewährleisten können.
Wie europäische Länder die E-Scooter regulieren
In Deutschland sind E-Scooter seit zwei Monaten zugelassen, und zu den Erfahrungen zählt, dass die Roller oft unachtsam auf Bürgersteigen abgestellt werden. So sollen nun etwa in Berlin Parkzonen eingerichtet werden. Außerdem soll es verstärkt Polizeistreifen geben, um Verstöße gegen Regeln zu verhindern - beispielsweise ein Zu-Zweit-Fahren auf der Rollerfläche.
Der deutschen Polizei zufolge sind seit Mitte Juni sieben Menschen bei E-Scooter-Unfällen ernstlich und 27 leicht verletzt worden. Ursache war in den meisten Fällen unachtsames Verhalten der Fahrer.
(Stand aller Einträge: 15. August 2019; Quelle: AP)
Die französische Regierung bereitet neue Regeln vor. Im Land gibt es jede Menge Verleiher und mindestens 20.000 E-Roller allein auf den Straßen von Paris. Die meisten sind gemietet, per App, und man kann sie abholen und abstellen, wo immer man will - besonders attraktiv für Touristen und Teenager.
Aber Vereinigungen von Unfallopfern argumentieren, dass diese Nutzer nicht mit den französischen Verkehrsregeln vertraut seien und bei Unfällen nicht immer haftbar gemacht werden könnten. Bislang ist in Paris ein Scooter-Fahrer ums Leben gekommen, und Dutzende sind in diesem Jahr verletzt worden.
Das Rollen auf Gehwegen wird in Paris mit einem Bußgeld von 135 Euro geahndet. Die Bürgermeisterin der Stadt will ferner ein Tempolimit von 20 Kilometern pro Stunde in den meisten Gebieten und von acht Kilometern in Abschnitten mit starkem Fußverkehr. Auch soll es in der Stadt nicht mehr als drei Verleiher geben und insgesamt eine Obergrenze bei der Scooter-Zahl auf den Straßen.
Ähnliche Regeln werden ab Herbst auch in anderen französischen Städten erwartet. Zudem könnten auf Temposünder Strafen von bis zu 1500 Euro zukommen. Kritiker fordern weitere Verschärfungen, so etwa Fahrprüfungen und eine Versicherungspflicht für die Nutzer.
Hier sind E-Scooter nicht nur auf Bürgersteigen verboten, sondern auch auf Straßen, weil sie nicht gesetzlichen Anforderungen wie Versicherungen, Steuern und Fahrprüfungen entsprechen. Scooter-Anhänger protestieren dagegen, sagen, dass Regeländerungen an der Zeit seien.
Am 12. Juli kam es zum ersten tödlichen Unfall bei einer E-Scooter-Fahrt auf der Insel: Die 35-jährige Emily Hartridge, Fernsehmoderatorin und YouTube-Star, wurde auf ihrem Roller von einem Lastwagen getroffen. Nur einen Tag später krachte ein 14-Jähriger mit seinem Scooter in eine Bushaltestelle und erlitt eine Kopfverletzung.
Elektrische Tretroller sind in vielen größeren spanischen Städten ein gewohnter Anblick. Die zuständige Verkehrsbehörde hat neue Regeln ausgearbeitet - aber ihr Inkrafttreten hängt von der künftigen Regierung des Landes ab. Spanien hat Ende April gewählt, aber bislang ist keine neue Regierung zustande gekommen.
In der Zwischenzeit haben Städte einen Mischmasch von Restriktionen verfügt. In Madrid etwa müssen Fahrer im Alter bis zu 16 Jahren einen Helm tragen. In Barcelona, wo im vergangenem Jahr eine 92-Jährige von einem E-Roller überfahren worden war und starb, ist der Kopfschutz für alle Nutzer Pflicht. Gegen den Roller-Fahrer wurde wegen fahrlässiger Tötung ermittelt, aber er kam dann angesichts fehlender Regulierungen mit einem Bußgeld davon.
In Madrid sind die Scooter nur auf Straßen mit je einer Spur pro Richtung erlaubt, das Tempolimit liegt bei 30 Stundenkilometern. Im südlichen Sevilla können Tretroller seit vergangener Woche gemietet werden, aber der Verleiher testet einen Weg, die Nutzung auf Fahrten zwischen festgelegten privaten Parkplätzen zu begrenzen.
Brüssel ist seit vergangenem Jahr geradezu von E-Tretrollern überschwemmt. Aber jeder der 19 Stadtbezirke hat seine eigenen Regeln, seien es Tempolimits, Bußgelder oder Parkbeschränkungen. Es wird nun daran gearbeitet, die Vorschriften zu vereinheitlichen. Eine Helmpflicht besteht bislang nicht, aber es wird heftig darüber diskutiert.
Einer Stadtsprecherin zufolge hat es bislang einen tödlichen Unfall beim Scooter-Fahren gegeben. Ein größeres Krankenhaus berichtet, dass dort täglich bis zu zwei Verletzte im Zusammenhang mit den Rollern behandelt würden.
Das dortige Verkehrsministerium hat im Juli neue Regeln für E-Roller, Segways, Hoverboards und andere elektrische Transportmittel erlassen. E-Roller dürfen auf Straßen fahren, die Geschwindigkeit ist auf 30 Kilometer in der Stunde begrenzt. In Fußgängerzonen liegt das Tempolimit bei sechs Stundenkilometern. Weitere Schritte wie etwa die Einrichtung bestimmter Zonen oder Verleihregeln sind den Städten überlassen.
Dort operieren E-Scooter weiter in einer Grauzone. Aber Slowenien arbeitet an gesetzlichen Regeln, nach denen die Roller nur in Fußgängerzonen und auf Radwegen zugelassen werden sollen. Das Höchsttempo soll bei 25 Stundenkilometern liegen, aber in Fußgängerzonen nur ein Schritttempo erlaubt sein.
Allerdings erhält das neue, elektrische Verkehrsmittel mit den zwei kleinen Rädern auch Gegenwind: Berlin führt Verbotszonen ein, in denen die Scooter nicht abgestellt werden dürfen. Leipzig möchte nur einen stationsgebundenen Verleih ermöglichen und viele Städte wollen die Größe der Roller-Flotte von Lime oder Ihren Konkurrenten limitieren. Sind Sie von der Härte der deutschen Behörden überrascht?
Nein, überhaupt nicht. Und ehrlicherweise lernen beide Seiten im Laufe der Zeit dazu – wir und die Städte. Die Branche ist einfach noch so jung. Ich habe mit vielen Behörden außerhalb Deutschlands gesprochen, die sich an den deutschen Regularien orientieren wollen, auch wenn sie sehr streng sind. Ein langer Findungsprozess, an dessen Ende wie im Falle von Deutschland strikte Regeln stehen, sind uns deutlich lieber als Länder, die sich für eine neue Technologie wie die E-Scooter überhaupt nicht öffnen wollen. Ich habe die umfangreiche deutsche Verordnung zu den E-Scootern gelesen und halte die Anforderungen an das Design, die Technik und die Sicherhit der E-Scooter allesamt für sinnvoll.
Deutschland ist also ein Vorbild für andere Länder, wenn es darum geht, E-Scooter kontrolliert in den Straßenverkehr einzubinden?
Für mich auf jeden Fall.