Lobbyismus Wie die Telekom die Politik im Griff hat

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Erziehung der Bundesregierung

Kurzer Draht - Breitbandausbau als Druckmittel gegen die Politik Quelle: dpa

Auch wenn solche Gefälligkeiten einen faden Beigeschmack haben, hält sich der Konzern allen Aussagen zufolge an die Regeln. Konkurrenten werfen der Telekom allerdings vor, sie versuche, die Bundesregierung zu erziehen. Sie stelle für den Breitbandausbau Milliarden in Aussicht, um das Angebot später zurückzunehmen – weil die Regulierung zu harsch ist, wie Mitte 2009. In Bayern erstellte der Konzern damals Gemeinden keine Angebote mehr. Im Münsterland stoppte die Telekom laufende Bauarbeiten, um die Investitionen noch mal zu prüfen. Die Bundesnetzagentur hatte die Telekom zuvor angewiesen, sie dürfe von Wettbewerbern statt 10,50 Euro nur 10,20 Euro monatliche Miete für die Teilnehmeranschlussleitung verlangen.

Entgegen ihrer allgemeinen Lobbystrategie ist die Telekom im zurzeit wohl wichtigsten Berliner IT-Gremium selbst nicht vertreten, in der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft. Darin versuchen Vertreter aller Parteien zusammen mit Web- und Netzwerkexperten Leitlinien für eine künftige Internet-Politik auszuarbeiten. Anstelle eines Telekom-Vertreters sitzt hier Bernhard Rohleder, der Hauptgeschäftsführer des deutschen Technologieverbandes Bitkom.

Der Verband gilt als eine der mächtigsten Lobbyorganisationen des Landes. Offiziell vertritt er die Interessen seiner gut 1.000 Mitgliedsfirmen und Organisationen gleichermaßen. In Wirklichkeit aber ist er besonders bei Internet-Fragen ein verlängerter Arm der Telekom. „Die Telekom als mit Abstand größter Beitragszahler hat eine bessere Stellung, auch wenn der Verband das offiziell bestreiten würde“, berichtet ein früherer leitender Bitkom-Mitarbeiter. Schätzungen zufolge bringt die Telekom rund zehn Prozent vom Gesamtbudget des Verbands. Läuft etwas nicht nach ihrem Willen, würde es nach Aussage eines Berliner Lobbyisten reichen, den Wunsch nach einer Änderung der Beitragsordnung zu äußern, um Schweiß auf die Stirn der Bitkom-Führung zu treiben.

Telekom ist immer mit von der Partie

Ansonsten funktioniert die Arbeit des Konzerns im Verband wie bei Politikern, man schüttet ihn mit Kompetenz zu. Die Telekom sitzt in fast jedem Gremium, entsendet Mitarbeiter in fast alle Arbeitskreise. Sei es in den für Sicherheitslösungen oder den für Internationale Umweltpolitik & Nachhaltigkeit, den für E-Government oder den für Telekommunikationspolitik – sie ist immer mit von der Partie.

Web-Unternehmen findet man in diesen Kreisen dagegen kaum. Ihre Meinung geht im Bitkom regelrecht unter. Besonders klar ist das beim Thema Netzneutralität, wo auch der britische Mobilfunkriese Vodafone die Position der Telekom teilt.

In der aktuellen Novelle des Telekommunikationsgesetzes ist beim Punkt Netzneutralität der Einfluss der Telekom offensichtlich. Die Bundesregierung drückt sich um eine klare Position bei dem wichtigen Thema – im Sinne des Konzerns. Will der doch unbedingt vermeiden, dass Deutschland ein für alle Mal gesetzlich festschreibt, dass er alle Daten gleichberechtigt durch sein Netz befördern muss.

Der Telekom schwebt ein Zweiklasseninternet vor: eines, in dem Web-Dienste wie YouTube den Konzern dafür bezahlen, dass er Videos schnell durchs Glasfasernetz leitet. Sie argumentiert: „Die Inhalteanbieter schicken immer größere Datenvolumen durch die Netze, ohne sich entscheidend an den Kosten für den Ausbau zu beteiligen.“ Dass eine Internet-Maut vor allem junge Web-Firmen trifft, klammert sie aus.

Der Verein Digitale Gesellschaft, ein Zusammenschluss von Netzaktivisten, schreibt deshalb enttäuscht in seinem Blog: „Die Novelle wäre die beste Gelegenheit gewesen, festzuschreiben, dass die Provider nicht beliebig im Internet herumpfuschen dürfen und es dann noch als solches verkaufen dürfen.“

Tatsächlich wächst die Macht des rosa Riesen in Berliner Politikzirkeln. „Dramatisch ist, dass einige Abgeordnete nicht einmal versuchen, sich eine eigene Position zu erarbeiten“, klagt VATM-Geschäftsführer Grützner. Großen Konzernen wie der Telekom fällt es besonders leicht, ihre Interessen durchzuboxen, wenn Sachverhalte technisch kompliziert sind. Der Verbandschef: „Es werden ja nicht einmal mehr die richtigen Fragen gestellt.“

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