Logistikimmobilien Hamburg ist Deutschlands Logistik-Boomregion

Die Logistikbranche in Deutschland hat sich fulminant entwickelt. Getrieben wird dieses Wachstum vor allem von zwei Trends – und Investoren aus dem Ausland.

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Wohin geht der Trend bei Logistik-Immobilien? Quelle: Presse

Wiwo.de liegt exklusiv eine umfassende Studie über Logistikimmobilien vor, die Bulwiengesa – das in der Immobilienbranche führende Marktforschungs- und Analyseinstitut aus Berlin – in dieser Woche veröffentlicht. Überraschend unter anderem: Drei der vier größten Entwickler von Logistikimmobilien sind Handelskonzerne.

2015 werden 2,7 Milliarden Euro in deutsche Logistikimmobilien investiert - drei Viertel des Kapitals kommt aus dem Ausland

Die Macher der Bulwiengesa-Experten attestieren der deutschen Logistikbranche eine fulminante Entwicklung. Seit 1995 wächst die heimische Logistikbranche jährlich um durchschnittlich 3,3 Prozent. 2014 hat die deutsche Logistikwirtschaft 235 Milliarden Euro und damit knapp ein Viertel der gesamten europäischen Logistikbranche erwirtschaftet. „Die zentrale Lage in Europa sowie die sehr gute Verkehrsinfrastruktur Deutschlands“, sagen die Studien-Autoren, „lassen erwarten, dass sich diese positive Entwicklung voraussichtlich fortsetzt.“ Megatrends wie Industrie 4.0 und E-Commerce „sorgen für stetig steigende Flächenbedarfe“.

Die beliebtesten Logistikstandorte Deutschlands
Nationales und internationales Marketing für den Logistikstandort Deutschland ist das Ziel von elf regionalen Logistiknetzwerken, die sich zur „Arbeitsgemeinschaft Logistik-Initiativen Deutschlands“ zusammengeschlossen haben. Allein in Nordrhein-Westfalen finden sich unter dem Dach des Logistik Clusters NRW zehn Teilregionen – vom „Östlichen Ruhrgebiet“ bis zum „Raum Aachen“ buhlt sowohl in NRW als auch in fast allen anderen Bundesländern eine Vielzahl von Regionen um die Ansiedlung von Logistikbetrieben. Diese 12 Regionen haben bei Entscheidern in Industrie und Handel das beste Image: Quelle: dpa
Platz 12 - Berlin/Brandenburg: Vom 12 Meter hohen Tower aus überwacht die Luftaufsicht das Geschehen auf dem Flugplatz Schönhagen bei Berlin. Die so genannte Allgemeine Luftfahrt (AL) ist Logistikfaktor für viele Lebensbereiche. Organtransporte, Reparaturen oder eilige Kurier- und Geschäftsflüge bestimmen die Luftfahrt unterhalb großer Verkehrsmaschinen. Quelle: dpa
Platz 11 - Kassel/Nordhessen: Das Bild zeigt Kassel-Calden. Der Anfang 2013 eröffnete Flughafen erwischte einen denkbar schlechten Start. Erst liefen die Baukosten aus dem Ruder. Allgemeine Unsicherheit in der Luftfahrtbranche und nicht zuletzt das Chaos am Berliner Flughafen führten dazu, dass auch in Kassel Fluggesellschaften zurückhaltend waren. Quelle: dpa
Platz 10 - Leipzig/Halle: Autos und Lastwagen passieren eine Mautbrücke auf der Bundesautobahn 14 im Norden von Leipzig. Autobahnen sind wichtige Adern der Logistik: Allgemein gesehen besteht deren Aufgabe in der Sicherstellung von Transport, Lagerung, Bereitstellung, Beschaffung und Verteilung von Gütern, Personen, Geld, Informationen und Energie. Damit einher geht die Notwendigkeit der Steuerung und Kontrolle aller dazugehörigen Aufgaben, so die Bundesvereinigung Logistik. Quelle: dpa
Platz 9 - Hannover: Hannover in Niedersachsen landet bei den Logistik-Standorten auf dem neunten Rang. Das Bild zeigt den Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) Hannover. Auch die Binnenschifffahrt trägt zum Logistik-Aufkommen in Niedersachsen bei: Über den Mittellandkanal ist Hannover mit anderen Kanälen und damit beispielsweise dem Ruhrgebiet, Hamburg und Berlin verbunden. Quelle: dpa
Platz 8 - Nürnberg: Der Flughafen Nürnberg ist national und international angebunden. Beim Schienenverkehr dient der Nürnberger Hauptbahnhof als Drehkreuz für den Fernverkehr in Nordbayern. An nationale und internationale Wasserstraßennetze ist Nürnberg über den Main-Donau-Kanal angebunden. In den vergangenen Jahren hat München die Frankenmetropole als Logistikstandort etwas in den Hintergrund gedrängt - sehr zum Verdruss derselben. Bayerns Regierung versucht eigentlich, Nürnberg als Logistikregion in Szene zu setzen, trotzdem reicht es nur für Rang acht im Image-Ranking. Quelle: dpa
Platz 7 - Köln/Bonn: Im Bild testet die Deutsche Post DHL eine Paket-Drohne, die möglicherweise für die Zustellung eingesetzt werden soll. Im Hintergrund ist die Konzernzentrale in Bonn zu sehen. Durch Käufe von Unternehmen wie DHL ist die Deutsche Post zu einem großen Logistikkonzern angewachsen. Quelle: dpa

Ob Paketverteilzentrum, Business-Park mit Lagerhallen, E-Commerce-Immobilie oder Logistik-Standort mit Vormontage für die Autoindustrie: Wer den Logistik-Flächenbedarf deckt und mit welchen Folgen, dazu liefert das 170-Seiten-Werk von Bulwiengesa überraschende Erkenntnisse. Die Studie zeigt auf, dass die größten Entwickler von Logistikimmobilien die großen Lebensmitteldiscounter und Supermarktketten sind.

Nummer zwei des Rankings hinter dem auf Logistikimmobilien spezialisierten australischen Entwickler Goodman ist die Schwarz-Gruppe, zu der unter anderem Lidl gehört. Die Bulwiengesa-Analyse weist zudem nach, dass Verbrauch und Versiegelung neuer Flächen durch Logistikbauten nicht zurück gehen. In den fünf Jahren von 2010 bis 2014 wurden in Deutschland mit Investitionen von 7,7 Milliarden Euro über 15,3 Millionen Quadratmeter Logistikfläche geschaffen – vier Fünftel davon auf zuvor unversiegelten Böden.

Die größten Logistikflächen-Entwickler in Deutschland

Die Autoren stellen „im Zeitverlauf eine große Dynamik“ fest. Während 2010 als Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise nur 2,1 Millionen Quadratmeter Logistik-Fläche fertiggestellt wurden, waren es 2012 schon 3,7 Millionen Quadratmeter - ein neuer Rekordwert. 2015 wird mit fast 3,6 Millionen Quadratmetern voraussichtlich das Niveau der Vorjahre erreicht. Dasselbe gilt für das jährliche Investitionsvolumen, das 2015 bei 2,7 Milliarden Euro liegen dürfte.

von Harald Schumacher, Jacqueline Goebel

Zugenommen hat der Anteil internationaler Investoren, der zwischen 2010 und 2014 von 27 Prozent auf fast 70 Prozent stieg und im laufenden Jahr weiter zunehmen wird. Getrieben wird diese Entwicklung seit 2013 vor allem von Investoren aus Nordamerika, die einen Marktanteil von über einem Viertel erreicht haben. Zusätzlich ist seit 2014 eine gesteigerte Nachfrage aus dem Nahen Osten und Asien zu verzeichnen. Aktivster Käufer war in den fünf Jahren von 2010 bis 2014 Logicor, die europäische Logistikplattform des Finanzinvestors Blackstone, die über 560 Millionen Euro in deutsche Logistikimmobilien investierte. Es folgen der britische Investment- und Immobilienkonzern Segro mit 440 Millionen und auf Platz drei mit 373 Millionen Euro der erste deutsche Investor: Union Investment, die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken.

Australier entwickeln die meisten Logistik-Projekte in Deutschland

Im Ranking der Entwickler von Logistikimmobilien in Deutschland für die Jahre 2010 bis 2014 fällt vor allem auf: Die Nummer eins ist mit über 1,25 Millionen Quadratmetern und 21 Prozent aller entwickelten Flächen kein Einheimischer, sondern ein australisches Unternehmen: die Goodman-Gruppe. 2012 war mit einem Bauvolumen von über 405.000 Quadratmetern Goodmans Top-Jahr – vor allem durch den Bau zweier Logistikzentren für Amazon in Pforzheim und Koblenz mit insgesamt über 200.000 Quadratmetern sowie einem Logistikzentrum für Zalando in Erfurt mit fast 80.000 Quadratmetern.

Auf den Plätzen zwei bis vier im Ranking folgen auf Goodman drei deutsche Handelsunternehmen. Zweiter ist die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland als Hauptmarken. Sie stellte 660.000 Quadratmeter fertig, unter anderem 2014 das neue Logistikzentrum im Magna-Park im hessischen Langgöns mit fast 100.000 Quadratmetern. Die Plätze drei und vier im Entwickler-Ranking 2010 bis 2014 nehmen Edeka und Rewe ein.

Brownfieldanteil der Neubaulogistikfläche



Brownfieldanteil der Neubaulogistikfläche nach Logistikregionen, 2010 - 2014

Quelle: Bulwiengesa AG (2015)



„Gerade der Lebensmittelhandel tendiert zu selbst genutzten großen Regionallagern mit teilweise mehr als 100.000 Quadratmetern“, erklärt die Studie diesen Boom. Die Ausrichtung auf leicht verderbliche Waren erfordere spezialisierte Immobilien mit Tiefkühl-, Kühl- und Frischelagern, die stark individualisiert sind. Hinzu komme die Neuausrichtung der Distributions- und Versorgungsnetzwerke und Filialstruktur, die phasenweise zu einer erhöhten Bautätigkeit bei Anpassungsbedarf führe.

Ab 2015 aber nimmt die Dominanz der Handelsriesen im Ranking der Logistik-Projektentwickler wieder aber ab, prognostiziert Bulwiengesa, denn sie hätten in den vergangenen Jahren „ihren Bedarf für die nahe Zukunft zunächst gedeckt“. Aldi hat dies offenbar schon weitgehend getan und taucht deshalb im Ranking nicht auf. Zudem musste Aldi aber auch aufgrund von Bürgerprotesten etwa auf den Bau eines Regionallagers im bayrischen Landkreis Starnberg verzichten.

Für 2015 prognostiziert Bulwiengesa Verschiebungen im Projektentwickler-Ranking: Goodman belegt erneut den ersten Platz, darauf folgt jedoch die Deutsche Post/DHL dank ihres neuen Distributionszentrums in Hamburg und der Erweiterung der DHL-Basis in Leipzig. Neben der Schwarz-Gruppe (2015 auf Platz vier) rücken zudem der belgische Projektentwickler VGP Group (Platz drei) und die Europa-Tochter des US-amerikanischen Projektentwicklers Panattoni (Platz fünf) in die Gruppe der größten Projektentwickler auf.

Logistik- und Kontraktlogistik-Unternehmen bauen im Gegensatz zum Lebensmittelhandel oft nicht selber – unter anderem, weil ihre Aufträge zeitlich begrenzt sind. Mietlösungen sind für diesen Teil der Branche meist kosteneffizienter und praktischer als Eigenbesitz. Mit 177.500 Quadratmeter Neubaufläche findet sich erst auf Position 13 des Projektentwickler-Rankings mit Dachser das erste Unternehmen aus der Gruppe der Logistiker. Nur bei 17 Prozent der deutschen Logistik-Projekte treten Logistik-Unternehmen als Bauherren auf. 16 Prozent der Projekte stammen von Eigennutzern aus der Industrie, etwa Volkswagen, das im Ranking 2010 bis 2014 fünftgrößter Projektentwickler war, 2015 aber nur Platz 19 einnimmt.

Boom-Region: Hamburg ist der erfolgreichste Standort 2015

Die dominierende Logistikregion in Deutschland ist Rhein-Main/Frankfurt mit insgesamt fast 1,25 Millionen Quadratmetern Neubaufläche und über 853 Millionen Euro Investitionsvolumen in den Jahren von 2010 bis 2014. Die Regionen Hamburg, Hannover/Braunschweig und Düsseldorf folgen mit über 800.000 Quadratmetern. Hohe Bauaktivitäten verzeichnen aber auch die Regionen A4 Thüringen und Halle/Leipzig, die mit über 650.000 Quadratmetern sogar Berlin, München und Köln übertreffen. Beim Investitionsvolumen sieht das Ranking etwas anders aus: Die Region Hamburg lag von 2010 bis 2014 mit 767 Millionen Euro auf Platz zwei, Köln mit 564 Millionen Euro auf Platz drei, München mit 523 Millionen auf Platz vier.

Logistikregionen nach gehandeltem Flächenvolumen



Logistikregionen nach gehandeltem Flächenvolumen in Tsd. qm, 2010 - 2014

Quelle: Bulwiengesa AG (2015)



Gemessen an Fläche und Investitionsvolumen sichert sich die Region Hamburg 2015 laut Bulwiengesa-Prognose mit über 260.000 Quadratmetern und 213 Millionen Euro den ersten Platz, gefolgt von Rhein-Main/Frankfurt mit 191 Millionen Euro vor der Region Rhein-Ruhr mit 134 Millionen Euro dank Zentren wie Duisburg. Gemeinsam ist den Boom-Regionen, so die Studie, eine zunehmende „Flächenkonkurrenz mit anderen Nutzungsarten“.

Flächenverbrauch: Kein Fortschritt bei der Nutzung alter Industrieareale – Umwelt-Vorbild ist das Ruhrgebiet

Die Bundesregierung will bis zum Jahr 2020 den Flächenverbrauch von aktuell über 73 Hektar auf maximal 30 Hektar pro Tag verringern. Gerade die Planer und Nutzer von Logistikimmobilien müssten dafür, dass in fünf Jahren dieses Ziel erreicht wird, ihren Beitrag leisten. Das tun sie aber nicht, weist die Bulwiengesa-Studie nach. Von 2010 bis 2014 wurde nur jeder Fünfte Quadratmeter Logistikfläche auf einem sogenannte Brownfield fertiggestellt, also einem zuvor schon genutzten und versiegelten Grundstück. Vier Fünftel der Immobilien entstanden auf sogenannten Greenfields, also auf der grünen Wiese. Die Betrachtung im Verlauf der fünf zurück liegenden Jahre ergibt keinen positiven, sondern einen negativen Trend. 2011 lag der Anteil der Brownfields schon einmal bei 30 Prozent, 2013 bei 25 und 2014 bei 15 Prozent.

Allerdings gibt es große regionale Unterschiede. Am aktivsten recycelt die Logistikregion an Rhein und Ruhr Flächen - mit einem Brownfieldanteil von 80 Prozent. Hier zeigt sich der Strukturwandel der alten Kohle- und Stahlstandorte als Vorteil. In Dortmund, Köln und Saarbrücken liegt der Anteil altindustrieller Grundstücke an neu ausgewiesenen Logistikflächen immerhin noch zwischen 40 und 50 Prozent. Ausgerechnet in den Logistik-Boom-Regionen Rhein-Main/Frankfurt und Hamburg aber liegt der Brownfield-Anteil nur zwischen zehn und 15 Prozent.

Kleiner Lichtblick: 2015 werden fast 750.000 Quadratmeter Logistikfläche in Deutschland nicht auf der „grünen Wiese“ gebaut. Das sind 21 Prozent der gesamten neuen Logistikflächen. Goodman etwa baut das 130.000 Quadratmeter große neue Lager für Zalando im baden-württembergischen Lahr auf einem ehemaligen Militärgelände. Auch Autohersteller lassen oft Brownfields aufbereiten, um in Werksnähe neue Lagerkapazitäten zu schaffen.

Aber von einem Trendwechsel zu sprechen, wäre angesichts der Entwicklung der vergangenen Jahre zu früh. Nach besonders nachhaltigen Kriterien werden 2015 zwar fast 600.000 Quadratmeter Logistikflächen bebaut und entsprechend zertifiziert. Das sind 17 Prozent. Damit aber wird der fünfjährige Durchschnitt von 21 Prozent verfehlt. Den höchsten Zertifizierungsanteil haben wiederum die Region Rhein-Ruhr (42 Prozent der Fläche), die sich als Umwelt-Vorbild heraus putzt, und die Rhein-Main-Region (25 Prozent). Die schlechte Botschaft heißt: In 15 der 28 Logistikregionen wurden noch gar keine Zertifizierungen registriert. 83 Prozent der neuen Logistikbauten entstehen 2015 unabhängig von hohen Umweltstandards.

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