Lünendonk-Studie Der geteilte Markt der Wirtschaftsprüfer

In der Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung wachsen die großen Firmen schneller als die kleinen. Und diese Spreizung des Marktes wird sich einer Studie der Analysefirma Lünendonk in den nächsten Jahren wohl fortsetzen.

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Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft konnte ihren Umsatz im vergangenen Jahr deutlich steigern. Quelle: dapd

Big is beautiful – so lautet der Trend, dem sich die großen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften (WP) schon seit Jahren verschrieben haben. Und die Entwicklung der Branche im vergangenen Jahr scheint das mehr denn je zu bestätigen. Dafür jedenfalls spricht die jüngste Studie des Marktforschers Lünendonk zur Performance der führenden deutschen WP-Gesellschaften. Die 25 größten Vertreter der Branche konnten danach ihre Erlöse 2016 im Schnitt um 7,2 Prozent steigern und damit stärker als der Gesamtmarkt, der nach Schätzung von Lünendonk um gut sechs Prozent auf etwa 13 Milliarden Euro expandierte.

Und selbst innerhalb der Führungsgruppe ist das Wachstumsgefälle zugunsten der ganz großen verschoben. Die vier mit Abstand größten WP-Gruppen (PWC, KPMG, EY und Deloitte) konnten im Schnitt immerhin um 11,8 Prozent zulegen. Gleich zwei der „Big Four“ – Deloitte mit Plus 22 Prozent und PWC mit Plus 16 Prozent – zählen zu den wachstumsstärksten Vertretern der Branche.

„Die Schere zwischen den Big Four und den übrigen Marktteilnehmern geht weiter auseinander“, folgert Jörg Hossenfelder, geschäftsführender Gesellschafter von Lünendonk. In diese Richtung deuten zudem auch die Prognosen für die nächsten Jahre. Das Führungs-Quartett rechnet nach einer Umfrage von Lünendonk für die nächsten Jahre im Schnitt mit rund zehn Prozent Wachstum pro Jahr. Die nachfolgenden 21 Firmen aus der Lünendonk-Liste gehen von Zuwachsraten von sechs Prozent aus, und für den Rest der Branche dürften die Steigerungen noch weitaus bescheidener ausfallen.

Das starke Wachstumsgefälle unter den Prüfern wird getrieben von wachsenden Anforderungen der Kunden im Hinblick auf Internationalisierung und Kompetenzen jenseits der eigentlichen Prüfungsaufgaben. Dazu gehören insbesondere Beratungsleistungen in den Bereichen Steuern, Recht und Transaktionen, aber zunehmend auch die Unterstützung von Unternehmen in der Digitalisierung von Abläufen und Prozessen.

Die größeren WP-Gruppen haben ihr Geschäft in diesen Bereichen in den letzten Jahren deutlich ausgebaut, durch den internen Aufbau von Kompetenzen, steigende Investitionen in IT-Systeme, wie auch durch größere Zukäufe. Die Big Four drängen dabei unter anderem auch in die klassische Strategieberatung, die in der Vergangenheit Beratern wie McKinsey oder Roland Berger vorbehalten war. Beim Branchenführer PWC etwa entfielen zuletzt von 1,9 Milliarden Euro Umsatz nur noch 38 Prozent auf die Abschlussprüfung. Bei Deloitte liegt der Anteil bei weniger als einem Drittel. Ihre breite Aufstellung sehen die Großen als wichtigen Wettbewerbsvorteil. „Wir sehen enormes Wachstumspotenzial in allen Bereichen“, sagt Deloitte-Deutschland-Chef Martin Plendl. „Der multidisziplinare Ansatz wird immer wichtiger.“

Die vom Gesetzgeber seit kurzem vorgeschriebene Rotation der Wirtschaftsprüfer bei kapitalmarktorientierten Unternehmen wird die Spreizung in der Geschäftsentwicklung nach Einschätzung Hossenfelders nicht aufhalten. Denn soweit Unternehmen ihren Prüfer wechseln müssen, erfolgt dieser Wechsel meist innerhalb der Gruppe der Big Four.


Großes Marktpotenzial bei Mittelständlern

Dessen ungeachtet sehen sich die WP-Gesellschaften aus der zweiten Reihe keineswegs als Verlierer dieser Entwicklung. Denn auch sie können mit durchschnittlich 6,5 Prozent noch stärker zulegen als der Rest des Marktes, der von mehr als 2000 kleineren Akteuren mit Umsätzen von weniger als 20 Millionen Euro geprägt ist. „Wir sind nach einem Jahr der Konsolidierung optimistisch, für 2017 wieder einen ordentlichen Wachstumsschub hinzulegen“, sagt etwa Joachim Riese, Chef der Düsseldorfer WP-Gruppe Warth & Klein Grant Thornton, die im vergangenen Jahr nur leicht zulegte.

Martin Wambach, geschäftsführender Partner von Rödl & Partner, der aktuellen Nummer Sechs im Prüfermarkt, geht davon aus, dass sich neben den Big Four eine zweite Gruppe von starken WP-Gesellschaften herausbilden wird, die mit dreistelligen Millionenumsätzen ebenfalls groß genug sind, um ihre Klienten aus dem Mittelstand in der Abschlussprüfung und Steuerberatung international zu betreuen.

Mit 5000 Mitarbeitern und einer Präsenz in 50 Ländern sieht sich die Nürnberger Rödl & Partner schon heute bestens gerüstet, um in diesem Feld dauerhaft mitzuhalten. „Es wird auf Dauer eine Umverteilung des Volumens von den kleinen Firmen auf die Großen geben“, glaubt Wambach. Erhebliches Marktpotenzial etwa erwartet er bei Mittelständlern, die ihren angestammten Prüfer wechseln müssen, weil sich diese aus Altersgründen oder mangels internationaler Präsenz aus der Abschlussprüfung verabschieden.

Auch neue gesetzliche Anforderungen, etwa im Bereich Compliance, werten Vertreter der WP-Gesellschaften als Wachstumstreiber für das Geschäft im Mittelstand. „Der Gesetzgeber tut ja einiges für uns, denn er kreiert viel neue Regulierung“, sagt Christoph Regierer, geschäftsführender Partner bei der Hamburger Gruppe Roever Broenner Susat Mazars.

Wie ungleich das Wachstum im WP-Geschäft verteilt ist, macht unterdessen ein Blick auf die absoluten Veränderungen deutlich: Geht man von den Marktschätzungen von Lünendonk aus, ist der Gesamtmarkt 2016 um rund 800 Millionen Euro gewachsen. Davon entfielen rund 570 Millionen Euro auf die großen Vier und weitere knapp 100 Millionen Euro Zuwachs auf die nachfolgenden 21 Firmen in der Lünendonk-Liste. Für den gesamten Rest der Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaften würde demnach nur noch ein Zusatzumsatz von zusammen 150 Millionen Euro verbleiben, was für diese Gruppe einem Wachstum von nur etwa zwei Prozent entspricht. Manche Branchenvertreter gehen davon aus, dass sich die kleinen Firmen sogar noch schwächer entwickelt haben.

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